bGE-Kritiker-derFreitag-11-2012

Für andere denken - und was dabei rauskommt

Überlegungen zum Bedingungslosen Grundeinkommen[1], kritisch betrachtet.

Vor dem Hintergrund zunehmender sozialer Probleme sowie einer Verschlechterung der Bedingungen in der Arbeitswelt wird das BGE als Lösungsweg für eine humanere Gesellschaft betrachtet.

Nein, schon falsch. Der wichtigste »Hintergrund« wird gleich am Anfang nicht genannt. Ein Zufall? Hartz4, Eingliederungsvereinbarungen, Rechtsfolgenbelehrungen, Zwangsarbeit und Sanktionen gegen Arbeitslose, mit der Folge immer weiter sich ausbreitender Armut, sind die Stichworte.

Doch wir sehen bei einem BGE auch erhebliche Schattenseiten für die Arbeitswelt: dem jetzt schon bestehende Trend zu Entsolidarisierung und Individualisierung könnte erheblicher Vorschub geleistet werden. Und Menschen mit besserem Verhandlungsgeschick wären im Vorteil, weil sie bessere Arbeitsbedingungen für sich selbst aushandeln können. Der betriebliche Frieden geriete womöglich in Gefahr.

Das bGE ist ein radikaler Bruch mit den bestehenden Verhältnissen. Wie da eine Fortsetzung denkbar sein soll, bleibt ein Rätsel. »dem jetzt schon bestehende Trend ....« Das ist mir zu pauschal gesagt und ohne Beispiele, was die Autoren überhaupt meinen. Es gibt sehr wohl Solidarität für die Hartz4-Empfänger. Zwar nicht von den Schöpfern dieser Zwangsmaßnahmen, aber von immer mehr Bürgerinnen und Bürgern, die das Unrecht erkennen. Dasselbe gilt für »Individualisierung«. Ist das per se schlecht? Welche Vorgänge, Vorfälle meinen die Autoren und inwiefern soll das eine negative Fortsetzung in einer bGE-Gesellschaft finden? Rätsel über Rätsel.

Diese negativen Effekte könnten auch den sozialen Zusammenhalt in der gesamten Gesellschaft bedrohen. Wenn soziale Leistungen bedingungslos gewährt werden, dann würde nach unserer Einschätzung der individuelle Egoismus deutlich zunehmen.

Krass. In den letzten Jahrzehnten hat sich der Egoismus in nie gekanntem Ausmaße in Deutschland ausbreiten können, weil nach dem Zusammenbruch der sozialistischen Staaten niemand mehr beweisen braucht, dass der Kapitalismus humane Seiten hat. Die »Soziale Marktwirtschaft« ist aber spätestens seit Schröder in die Abstellkammer verfrachtet worden. Korruption, Gruppen-Interessen, den eigenen Vorteil allein im Auge haben, das Allgemeinwohl missachten, bei den Anderen von selbstverschuldeter Armut (und damit berechtigt) reden, all das ist typisch für die üblen letzten Jahre. Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen (bGE) würde diesem Spuk ein Ende gemacht werden. Und dann kommen diese Autoren daher und behaupten, das, was wir jetzt haben, dieser unsolidarische Umgang käme (erst?) mit einem bGE. - Wirklich krass.

Wer soziale Rechte beansprucht, der sollte sich auch seiner Pflichten für die Gesellschaft bewusst sein. Doch die Konnexität aus Rechten und Pflichten könnte bei Einführung eines BGE ausgehebelt werden.

Ja, das ist genau die Argumentationslinie gegen die Armen. »Ihr seid selber schuld, Leute. Ihr wart euch eurer Pflichten gegenüber der Gesellschaft nicht bewusst. Ja, das ist dann kein Wunder, wenn ihr arm seid.« So oder ähnlich lautet die Parole.

»Rechte und Pflichten«. Wer definiert nach Meinung der Autoren eigentlich die »Pflichten«. Oder ist dieses Thema bereits gelöst, aus der Sicht der Schreiber, mit der heute existierenden Zwangsarbeit durch Hartz4? Denn bis zu dieser Stelle im Text, haben die Autoren noch kein Wort verschwendet für den menschenverachtenden Umgang, den die Arbeitslosen heute durch die Arbeitsbehörden erfahren. Diese Menschenrechtsverletzungen und Grundgesetzmissachtung ist für sie noch nicht erwähnenswert gewesen.

Die heutzutage feststellbaren Schikanen gegenüber Empfängern staatlicher Transferleistungen würden entfallen.

Ahh. Jetzt. Mit dürren Worten wird der Sachverhalt umrissen.

Wie bereits erwähnt, würde der Egoismus nach unserer Ansicht weiter zunehmen und somit altruistisches Denken und Handeln zurückdrängen.

Ja, erwähnt habt ihr das. Aber nicht erklärt, wie ihr auf diese meiner Meinung nach völlig abstruse Ansicht kommt. Mit einem bGE sind die Menschen existentiell gesichert. Ein ganz anderes entspannteres Leben ist möglich. Heute ist der Egoismus Ausdruck des Überlebenskampfes, der in dieser Form nach Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens überhaupt nicht mehr nötig ist. Wo also sollen die Gründe für einen Egoismus in bGE-Zeiten herkommen?

Durch entsprechende gesellschaftliche Rahmenbedingungen sowie durch Erziehung und wertebildende Institutionen werden moralische Grundwerte wie Solidarität oder Sinn für Gerechtigkeit deutlich gefördert. Bei einem bedingungslos ausgezahlten Grundeinkommen jedoch könnten viele gemeinschaftsstiftende Faktoren verloren gehen.

Hier fehlt die Begründung wieder, warum das so sein soll. »Gemeinschaftsstiftend« ist das Bedingungslose Grundeinkommen selbst. Denn es wird gemeinsam eingeführt und in der Höhe festgelegt, sodass wir alle ein existenzsicherndes Einkommen haben, unabhängig von den Widrigkeiten in der Wirtschaft und den Vorgängen am Arbeitsmarkt. Dadurch würde die größte Not, die größte Unsicherheit heute (behalte ich meinen Arbeitsplatz oder werde ich arbeitslos) behoben. - Aber die heute praktizierte Verachtung, die die Armen und Hartz4-Empfänger durch große Teile der Gesellschaft in Deutschland erfahren, ist gemeinschaftsfeindlich und sorgt für enormen Unfrieden innerhalb der Gesellschaft.

Unter Abwägung der von uns analysierten Aspekte auf den Feldern Wirtschaft, Arbeit, Soziales und Kultur stehen wir einem BGE ablehnend gegenüber. Dabei wiegt für uns die Gefahr einer eskalierenden Entsolidarisierung und eines zunehmenden Egoismus besonders hoch.

Diese sogenannten »Gefahren« wurden von den Autoren in keinster Weise begründet.

Außerdem sehen wir den direkten Zusammenhang zwischen staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten als gefährdet an. Wer ein Recht auf Einkommen einfordert, sollte auch Pflichten für das Gemeinwesen akzeptieren.

Hier wird in plumpster Weise Hartz4 legitimiert und der Zwangsarbeit das Wort geredet. Das Wort »Hartz4« ist in diesem Artikel nicht umsonst kein einziges Mal gefallen.

Nach unseren Vorstellungen hat jeder Mensch Anspruch auf ein Leben in Würde und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Um eine menschenwürdige Existenz sicherzustellen, soll bei Bedürftigkeit eine Grundsicherung von etwa 800,-- Euro monatlich an jede volljährige Person ausgezahlt werden. Dabei wird jeder Mensch ohne ausreichende Einkünfte durch die Agentur für Arbeit betreut und erhält angemessene Arbeitsangebote.

»Jeder Mensch ......... wird betreut.« Und was ist, wenn man sich nicht »betreuen« lassen will?

Was bilden sich die Autoren ein? Dreist und unverschämt ist das. Die Würde des Menschen ist unantastbar, heißt es im Grundgesetz. Mit solchen Fantasien, wie sie hier die Autoren äußern, wird sie »angetastet«. Deshalb meine ich, »Finger weg«.

Eine Ablehnung zumutbarer Arbeit führt nicht zu einer Kürzung der Grundsicherung. Denn ansonsten würde die in Artikel 1 Grundgesetz garantierte Würde des Menschen verletzt. Allerdings erhalten alle Arbeitssuchenden, die sich zunächst nicht für die Gemeinschaft engagieren wollen, eine motivierende Betreuung durch Sozialarbeiter.

Aahh. Wie human. Weiterhin Geld, aber die Betreuung bleibt. »Motivierend« natürlich. Und wer es trotz Sozialarbeiter nicht schafft, wird dann für geisteskrank erklärt und kommt in der geschlossenen Anstalt in die Arbeitstherapie? - Der Kreis schließt sich. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man lachen.

Doch der Bezug eines Grundeinkommens wird an Bedingungen geknüpft, die weiter reichen als bei der Grundsicherung. Um das Grundeinkommen zu erhalten, müssen alle Menschen im erwerbsfähigen Alter Gemeinwesenarbeit leisten – zum Beispiel bei Nichtregierungsorganisationen.

Ich habe schon das zukünftige Szenario vor Augen. Die modernen Sklavenhändler sind dann die Regierungen. »Hallo Kollege Abraximof, sie brauchen eine neue Fuhre NGO-ler? Kein Problem, ich gebe die Order gleich durch an unsere »Jobxenter«. Die Ware ist übermorgen vor Ort.«

So oder ähnlich werden wir mit den »Erwerbsfähigen« verfahren. Und was ist mit den »Zeugungsfähigen«? Kann man mit denen auch irgendwas machen? Wenn man schon mal dabei ist.

Durch unser Modell „Grundsicherung und Grundeinkommen“ sehen wir die nötige Basis geschaffen, damit die Menschen in einer freiheitlichen und zugleich solidarischen Gesellschaft zusammenleben können. Und weil diese Leistungen nur einem begrenzten Personenkreis zuflössen, bestünde ausreichender finanzieller Spielraum, um einen leistungsfähigen Sozialstaat aufrecht zu erhalten. Somit könnten die Errungenschaften moderner Wohlfahrtsstaaten bewahrt und humanistische Verbesserungen erreicht werden.

Von einer »freiheitlichen« Gesellschaft sehe ich da nichts. Das sind unkaschiert totalitäre Verhältnisse, die die Autoren da andenken. - Als »Diskussionspapier« kann man es nur zusammenknüllen.