Hartz4 in der Diskussion [1]
Boes: Ich habe genügend andere Dinge, die ich in der Zeit tue.Maischberger: Aber es wird eben bezahlt vom Staat, da wird es ja kritisch.Hier spricht Frau Maischberger einen wichtigen Punkt an, nämlich, dass egal was wir Menschen machen, wir immer vom Wohlwollen unserer Mitmenschen abhängig sind. Das finde ich auch gar nicht schlecht. Man muss sich dessen nur bewusst sein. Wenn wir uns aber bewusst sind, dass wir voneinander abhängig sind, dann können wir überlegen, wie wir miteinander umgehen wollen und sollten.
Boes: Verfassungswidrigkeit von Hartz4 auf den Tisch zu bringenMuth: Ich habe auch viele Hobbys, die lasse ich mir aber nicht finanzieren. Es gibt immer Dinge, die einfach schöner sind, die man lieber macht. So im Call-Center könnte ich sie mir schon vorstellen.Boes: Sanktions-Hungern. Ich bekommen kein Geld vom Job-Center, um gezwungen zu werden einen Job anzunehmen. - Ich lebe das offen dar, wie das Jobcenter mit den Menschen umgeht.Maischberger: Was darf man von jemandem erwarten, der Geld vom Staat bekommt.Das ist doch schon ein fragwürdiger Satz. »Der Staat«, was ist das. Heute gehen kaum noch Menschen wählen, weil sie ihre eigenen Interessen von den Parteien nicht vertreten sehen. Trotzdem benutzen die Parteien die Wahlergebnisse, um über alle zu herrschen. Die Abgeordneten haben immer häufiger nichts mehr zu sagen, allein die Regierung bestimmt alles. Die Parteimitglieder entscheiden in Sachfragen gar nichts, weil sie ihre Stimme an Delegierte abgeben müssen (so wollen es viele Parteienstatuten), und aus denen wiederum rekrutieren sich die Parteivorstände und aus denen wiederum ergeben sich (bei Wahlerfolg) die Regierungen. »Der Staat« ist ein kleiner Klüngel an Politikern, die sich von Lobbyisten aus allen Branchen und aus allen Bereichen beschwatzen und begünstigen lassen, was in Gesetze gegossen werden soll. Diese Gesetze werden dann gegen die Bevölkerung los gelassen. - Und das nennt man Staat? Das ist eine Maschinerie gegen die Bevölkerung, ein in den letzten Jahren und Jahrzehnten konstruiertes Unrecht gegen die Menschen.
Was fehlt, was brauchen wir, statt Staat?
Wir brauchen Gemeinschaft, wir brauchen »Basisdemokratie«. Wir brauchen Mitgestaltungs- und Mitentscheidungsmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger. Wir brauchen mehr Direkte Demokratie statt Parlamentarische Demokratie.
In allen gesellschaftlichen, in allen gemeinschaftlichen Sachfragen ist das einzelne Urteil, ist die einzelne Entscheidung des Bürgers von Belang und muss Beachtung finden, muss gezählt werden.
Menschenrechtsverletzungen dürfen in einem Rechtsstaat nicht möglich sein, und sie sind heute in Deutschland mit der Durchführung von Hartz4 vorhanden und die Justiz tut nichts dagegen. Als Dritte Kraft im Staat hat die Judikative in Bezug auf Hartz4 versagt. Ein Armutszeugnis für diesen Berufsstand.
Maischberger: Was darf man von jemandem erwarten, der Geld vom Staat bekommt.Und wer ist überhaupt »man«? Das Gemeinwesen ist unser aller Gemeinwesen. Was darf »man« von uns Menschen im Umgang mit Armen und Unterstützungswürdigen erwarten. Wie sollten wir mit diesen Menschen umgehen? Diese Fragen sind berechtigterweise an uns alle zu stellen.
Hartz4 ist auf diese Fragen eine Antwort gewesen, die sich eine Gruppe von Menschen (Politiker, Parteien, Verbände, Wirtschaft) für eine viel größere Gruppe von Menschen ausgedacht hat. Das, was sie sich da überlegt haben, ist eine Schande, ist nicht hinnehmbar, sind Grundgesetz-, Menschenrechts- und Grundrechtsverletzungen. Deswegen sollten wir uns alle etwas besseres ausdenken. Und etwas besseres ist auf alle Fälle das Bedingungslose Grundeinkommen. Dafür müssen wir uns einsetzen, wenn wir es gutheißen. - Hartz4 aber, ist Unrecht.
Söder: Das Problem ist, wenn einer hart arbeitet, damit ein anderer seinen Lebensweg gehen kann. Die die morgens um 5 aufstehen und schaffen und arbeiten, um über die Runden zu kommen, die tragen diese Gesellschaft.Dass diejenige dann zahlen müssen dafür, dass einer möglicherweise nicht will. Wenn jemand nicht kann, dann braucht er Unterstützung.Markus Söder bringt die Menschen mit solchen Argumenten gegeneinander auf. Das darf man nicht machen. Das ist die »Faulenzer-Debatte« mit der Gerhard Schröder Hartz4 eingeführt hat.
Es wird argumentiert, alle müssen sich in das Arbeitsleben einfügen, sonst dürfen sie keine Existenzsicherung aus der Gemeinschaft erwarten. Wer keine Arbeit findet, muss sich den Arbeitsangeboten des Staates fügen. Wer diese ablehnt und dennoch die staatliche Unterstützung haben will, ist ein Faulenzer, der auf Kosten des Staates leben möchte. So ist die seit Jahren gestrickte Argumentation für die Hartz4-Sanktionen.
Dass aber dabei de facto die Menschen in einem Zwangsarbeits-System leben, wird billigend in Kauf genommen.
Das darf aber nicht sein. Das geht nicht. Die »Faulenzer-Debatte«[3] hilft nicht weiter.
Kipping: Menschen, die hart arbeiten, werden angeführt um den Hartz4-Regelsatz zu drücken. Die Reinigungskraft hat es sicherlich verdient, einen angemesseneren Lohn zu erhalten. Stattdessen verwendet man deren Situation aber, um den niedrigen Hartzsatz zu rechtfertigen.Maischberger: Ist dass das Grundrecht, staatlich finanziert, die Arbeit zu tun, die der Einzelne als wichtig findet?Kipping: Ich stelle fest, dass wir immer danach fragen bei Menschen, die nichts haben, haben die das Recht.Bei jemandem der mehrere Millionen leistungslos geerbt hat, da sagen wir auch nicht, oh der muss jetzt jeden Tag vier Stunden in die Altenpflege gehen.Söder: Ja der zahlt dafür auch Steuern.Kipping: Bei jemandem, der Geld mit Spekulation verdient, bei jemandem, der Geld verdient den Regenwald abzuholzen, der macht Profit. Das gilt als eine Leistung in unserer Gesellschaft. Ich sage, der schadet eher in unserer Gesellschaft. Und insofern würde ich die Frage nach Leistung anders stellen. Nicht Erwerbsarbeit automatisch, oder wer Profit macht leistet automatisch etwas.Ich würde immer schauen, was ist die Tätigkeit.Muth: Ich muss eine Arbeit machen, von der ich gut leben kann. Gerade als Unternehmer wollen wir viel verdienen. Sonst würden wir ja lügen. Es ist nun mal so. Wenigstens das ich davon eigenständig von mich ernähren, davon leben kann. Das ist ja wichtig. Kann ich mich selbst ernähren, das ist wichtig. Oder muss der Staat für mich zahlen.Boes: Frau Mut zahlt keine Steuern.Das ist von Ralph sehr ungeschickt formuliert. Er hätte sagen können, dass das Unternehmen der Frau Muth keine Steuern zahlt, und dann die Begründung anfügen können, die er dann ausgesprochen hat (die Steuern sind, wie er zurecht sagt, in den Preisen letztlich drin). Natürlich zahlt Frau Muth als Privatperson Steuern. Nämlich bei allem, was sie sich privat kauft, zahlt sie mindestens die Mehrwertsteuer. Und sie zahlt, wenn sie als Privatperson zur Einkommenssteuer verpflichtet ist, eben auch die. Das hätte der Ralph Boes auseinanderhalten sollen. So hat er sich selbst in die Bredouille gebracht.
Alt: Herr Boes ist mir durchaus symphatisch, nur sein Lebensmodell gefällt mir nicht.Es gibt Irrtümer: Die Beschäftigung steigt, auch bei Totalsanktion muss keiner hungern, es verliert keiner seine Wohnung in Hartz4 auch wenn er sanktioniert ist, es verliert keiner seinen Krankenschutz. Die Sanktion ist der Entzug von Bargeld, nicht mehr und nicht weniger. Die Menschen bekommen Lebensmittelgutscheine mit denen sie mit Ausnahme von Alkohol alles einkaufen können.Ich habe nichts gegen ihr Lebensmodell, Herr Boes, aber sie zwingen andere, für sie arbeiten zu gehen.Ob Hartz4 verfassungswidrig ist, sollen die klugen Leute beim Verfassungsgericht entscheiden.Her Alt versucht die Menschen gegeneinander auszuspielen. Die Reinigungskraft könne sich nicht dagegen wehren, dass sie für den »Arbeitsverweigerer« Steuern zahlt und dieser »auf Kosten« dieser Putzkraft lebt.
Die Frage, ob Hartz4 menschenrechtsverletzend ist, will Alt von einer Institution entscheiden lassen, die ja in der Vergangenheit (zum Beispiel bei der gesetzlichen Installation von Hartz4) bereits bewiesen hat, dass sie die Menschenrechtsverletzungen, die mit Hartz4 einhergehen, ignorieren will. Insofern können wir es nicht dem Verfassungsgericht überlassen. Die Bevölkerung muss sich erheben und selbst wieder für Recht und Ordnung in der Gemeinschaft eintreten. Die Judikative ignoriert das vorhandene Unrecht.
Söder: Die Reformen, die gemacht worden sind, haben viel gebracht. Es sind viel weniger Verstöße, als es früher der Fall war. Die Menschen im Jobcenter haben so viel geleistet, da gab es früher immer Kritik. Der Grundgedanke um den es bei uns geht ist: Menschen arbeiten und schaffen, bleibt ihnen genug übrig, um ihr Leben zu gestalten, erstens, die die keine Job haben, wieder in Arbeit, zweitens, und drittens für diejenigen die nicht können, braucht es Hilfe, aber derjenige der kann, der muss seinen Beitrag auch leisten, denn sonst klappt die Gesellschaft nicht. Die Gesellschaft funktioniert nicht dadurch, das jeder für sich beansprucht, ja nur frei zu leben. Durch Generationenvertrag und Steuern anderen zu helfen ist sozial. Unsozial ist, wenn man sagt, keiner muss für den anderen helfen.Die Botschaft ist doch, verzichte auf eine eigene Lebensplanung, passe dich dem Jobangebot an, ziehe dorthin um, wo es Arbeit gibt, mache Umschulungen, sei flexibel. Es sei denn, du kannst dir »selbstfinanziert«, einen eigenen Lebenswandel dir leisten und bist nicht auf die Finanzierung durch die Gemeinschaft angewiesen.
Alt: Die Sanktionen sind ein Abfallprodukt für diejenigen, die sich nicht an die Regeln gehalten haben. Wer Sozialleistungen empfängt und sich nicht regelkonform verhält, wird sanktioniert. Das ist in anderen Ländern auch so.Maischberger: Die Sozialgemeinschaft zahlt und will, dass bestimmte Regeln eingehalten werden.Kipping: Das Existenzminimum ist ein Grundrecht.Söder: Die Systemfrage. Eine Gesellschaft funktioniert nur dann, es muss erwirtschaftet, es muss was geleistet werden. Die einen können mehr leisten, schaffen mehr, zahlen höhere Steuern, 20% der Steuerzahler zahlt 80% der Steuern.Das Prinzip ist, dem wird geholfen, der sich nicht mehr selber helfen kann. Mit den Reformen haben wir den Langzeitarbeitslosen-Markt schon ein Stück aufgebrochen.Um den kleinen Teil, der sich schwertut zu arbeiten, um den geht es bei den Sanktionen. 97% der Hartz4-Empfänger verhalten sich regelkonform. Motivation wäre natürlich besser. Wenn wir das Prinzip machen, du kannst völlig frei leben, dann werden es natürlich viele machen.[2]Aber jeder, der was schafft, hat den Anspruch darauf, dass man das respektiert.Maischberger: Was kann man von dem erwarten, der vom Staat Geld bekommt.Ralfs: Wie kann ein Mensch den Staat erpressen. Der Ein-Euro-Jobber arbeitet nicht für einen Euro, sondern für 1000 Euro (372 +Miete+Heizung+Krankenversicherung). Ich muss 8 Stunden, 10 Stunden arbeiten gehen und der kriegt das umsonst.Boes: Sobald man Menschen in sinnlose Beschäftigungsmaßnahmen zwingt, ist die Würde des Menschen außer kraft gesetzt. Jeder Hartz4-ler trifft unter der Bedrohung durch die Sanktionen seine Entscheidung.Alt: Bei aller Verfassungsliebe, ich liebe meine Kunden, die arbeiten wollen. 75% unserer Kunden sagen, Arbeit ist für mich das wichtigste im Leben. Das ist unser Auftrag, für diese Menschen Arbeit zu organisieren. Herr Boes bestätigt die Vorurteile, gegen die wir händeringend kämpfen. Das Grundgesetz können sie für sich in Anspruch nehmen, Herr Boes, nur nicht zulasten der Allgemeinheit.Söder, in Bezug auf das Arbeitsangebot durch die Jobcenter: Nun es kann nicht jeder Chefarzt werden. Es hat auch etwas mit Qualifikation zu tun. Die Frage ist, ob alle qualifiziert sind. Jemand sagt, im Migrationsbereich, ich würde einen Sprachkurs verweigern, der zwingend wichtig ist, um einen Arbeit zu finden, dann finde ich schon noch ein solches Sanktionsmoment durchaus sinnvoll.In Frankreich, in Spanien, in den USA diskutiert man derzeit die deutschen Modelle als Vorbild für wirtschaftlichen Erfolg und Arbeitsplätze.Aber gerade in Frankreich und Spanien gehen Hunderttausende auf die Straße, um gegen diesen deutschen Unrechts-Wahnsinn zu protestieren, damit dieser eben nicht in ihren Ländern auch noch eingeführt wird
Söder: Die Schwierigkeit ist, dem Menschen den Job zu finden, wo er dann auch glücklich ist. Es ist ein hoher Anspruch, aber Glück allein kanns nicht sein, sondern im Endeffekt muss auch jeder die Arbeit annehmen, die ihm letztlich ...... (undeutlich, reden alle durcheinander).Alt: Wer steht morgens für ihre 1000 Euro auf und putzt die Büros, wer macht das?Muth: Ich würde weiterhin arbeiten, 1000 Euro würden mir nicht reichen. Aber es gibt vielleicht viele junge Leute, die dann nicht mehr arbeiten wollen und dann ihren Hobbys nachgehen. Mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen ist die Arbeitsmoral total am Ende. Und es besteht überhaupt kein Arbeitsanreiz mehr, für viele. Jetzt nicht für mich. Söder: Wir haben doch bereits ein Grundeinkommen, mit Hartz4, mit Rente, mit Krankenversicherung.Jeder muss seinen Beitrag im Leben erbringen. Ich will dafür nichts zahlen, wenn einer im Schneidersitz esoterisch dasitzt und philosophiert. Und ich finde es auch nicht fair, wenn man jemanden anderen zwingt, für so jemanden zu zahlen, sondern derjenige muß für sich selber arbeiten. Wenn jemand nicht mehr laufen, nicht mehr stehen kann und krank ist, dann muss geholfen werden.Boes: Wir haben schon das Grundeinkommen, Kindergeld, Rente, wie Herr Söder richtig sagt. Es muss halt nur »bedingungslos« ausgezahlt werden, dass ist der Punkt. Das Geld ist da. Und wenn man die ganzen Verwaltungsmaßnahmen wegnimmt, ist es wirklich vollständig da.Kipping: Wir beide bekommen Geld, damit wir Politik machen (zu Söder gewandt). Damit das alle können, bräuchten sie finanzielle Unabhängigkeit. Söder: Der Staat leistet viel. Deswegen kann man nicht dahergehen und sagen, Deutschland sei unsozial oder ein armes Land. Wir sind meiner Meinung nach mit das sozialste Land der Welt.Mein Fazit zu dieser Sendung, sie war gut. Es wurden viele Aspekt angerissen. Mehr ist auch nicht drin.
Hervorheben möchte ich die Logik, die aus einer der Aussagen von Markus Söder sich ergibt [2]: Wenn jeder frei wäre, dann würde das System nicht mehr funktionieren.
Genau so ist es. Da aber die Freiheit wichtiger ist, als das System, muss sich die Gesellschaft ändern. Wir brauchen eine andere Form des Umgangs mit den Arbeitslosen. Eine, in der die Menschenrechte gelten und die Grundrechte nicht missachtet werden. - So ist das.
[3] http://www.zeit.de/politik/deutschland/2009-09/Faulpelze-und-Wahlkaempfer
http://www.welt.de/fernsehen/article111815554/Wenn-Hartz-IV-Empfaenger-im-Winter-Unkraut-jaeten.html
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