Liquid Feedback - eine gute Idee? Am Beispiel der Piratenpartei

Die Piratenpartei bietet Liquid Feedback an, eine Möglichkeit, online über Anträge abzustimmen und es gibt Piraten (Christopher Lauer), die diese Möglichkeit als permanente Lösung für wünschenswert erachten.

Was gäbe es dagegen einzuwenden?

https://plus.google.com/u/0/113912773028763131603/posts/YpbDkUcvzPj

https://pirati.ca/display/heluecht/224444

Michael Vogel schreibt:

Er zementiert den Klarnamenszwang, der euphemistisch auch gerne als »Überprüfbarkeit« bezeichnet wird. Dieser Klarnamenszwang ist laut der Einschätzung des Datenschutzbeauftragten in Berlin nicht erlaubt - und unabhängig davon hätte ich damit meine Bauchschmerzen.

Wieso sollte der Klarnamenszwang ein Problem sein? Könnte nicht eher die »Klarnamenverhinderung« zu »mafiösen« Rahmenbedingungen führen, in denen sich unlauter handelnde Politiker so richtig wohl fühlen? Denn sie würden nicht so schnell erwischt, bei ihrem (z.B. korrupten, dem Gemeinwohl schadenden) Verhalten.

Beispiel 1:
Du arbeitetest in einer Firma, die z.B. für den Hamburger Hafen arbeitet - und hast Dich gegen die Elbvertiefung ausgesprochen. Dadurch kann es zu beruflichen Problemen kommen.

Ja das ist wahr. Aber heißt das nicht, dass das bisherige Leben auf Lügen aufgebaut ist? Dieses Risiko haben wir alle, wenn der Einkommensbezug auf nicht koschere Machenschaften zurückgeht. Denn du scheinst es dir ja nicht erlauben zu können, deine Meinung offen auszusprechen, ohne einen pekuniären Nachteil zu erleiden (übrigens ist das auch ein schönes Beispiel, warum wir uns alle für ein Bedingungsloses Grundeinkommen einsetzen sollten. Denn dann wird Arbeit und Einkommen zu einem wesentlichen Teil entkoppelt, was offensichtlich auch der Meinungsfreiheit zugute käme).

Beispiel 2:
Du gehst konform mit dem Grundsatzprogramm, aber hast in einigen Punkten - z.B. die Position gegenüber der Kirche - eine abweichende Meinung. Daraufhin wirst Du massivem Gruppendruck ausgesetzt. Es gibt ja nicht umsonst das Recht auf geheime Abstimmung auf einem Parteitag.

Das zeigt sehr schön, dass der Umgang mit »Partei« ein Thema sein muss. Was ist Partei, was bedeutet Partei, wie ist das Verhältnis zwischen Parteimitglied und Parteikader, -geschäftsführung, -vorstand, etc.

Meine Meinung: Wenn du in eine Partei gehst, dann deshalb, weil du dich selbst für ein, zwei Themen in bestimmter Weise einsetzt, und du am ehesten glaubst, mit dieser Partei deine Vorstellungen umsetzen zu können.

Das heißt, die Partei ist ein Instrument, mit dem du versuchst, deine Interessen umzusetzen. Du unterstützt keine Initiativen innerhalb der Partei, die deinen Überzeugungen zuwiderlaufen, und lässt dich auch nicht für Aktionen in diese Richtung einspannen. Lokale und überregionale Partei-Initiativen, die deinen Überzeugungen nicht entsprechen, sind für dich kein Thema.

Was ist für dich Politik? Die eigenen Interessen, die eigene Meinung, die eigene Entscheidung zu vertreten und das Allgemeinwohl im Auge zu behalten, und für beides sich in der Partei zu engagieren..

Wann verlasse ich diese Partei? Wenn sie in menschenrechtsverletzender Weise agiert und entsprechende Gesetze erlässt und unterstützt, wenn sie gegen das Grundgesetz sich verhält und arbeitet.

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Was also ist »Gruppendruck«? Es gibt ihn nicht. Denn dieser müsste ja erklärt werden können. Gruppendruck wäre entweder etwas Kriminelles (dann wäre er strafrechtlich anzugehen), oder Mobbing (dann wäre dies öffentlich zu machen, wäre typisch für die Altparteien, wäre die Frage, ob die Piraten bereits so tief heruntergekommen sind und hätte somit bei den Piraten nichts verloren).

Parteimitglieder auf »Parteilinie« zu bekommen, wäre zutiefst lächerlich, absurd und würde eindeutig gegen diese (Piraten)-Partei sprechen (will sie doch zurecht »anders« sein, als die anderen Parteien).

Es gibt Ansätze, dieses Dilemma zu lösen. So könnte man eingehende Delegationen nur für Accounts erlauben, die bestätigt wurden. Dies würde mehr dem klassischen Bild entsprechen, nachdem die Delegierten (sprich die Abgeordneten) namentlich bekannt sind, aber die Delegierenden (d.h. die Wähler) eben nicht.

http://blog.dabo.de/post/31480071876/das-dreikammer-modell

ZITAT:

Die Piraten suchen ja immer noch nach einer Möglichkeit, wie eine größtmögliche Einbindung der Basis in die Entscheidungsprozesse der Partei gewährleistet werden könnte.

Allein schon die Formulierung gefällt mir nicht. Nicht »die Basis einbinden«, sondern es geht darum, dass sie entscheidet. Die Geschäftsführung (Parteiführung) ist ausschließlich ausführendes (nachgeordnetes) Organ, also nicht »selbst entscheidend«.

Das Problem an Mitgliederversammlungen ist, dass diese bei der großen Anzahl der Mitglieder sehr kostspielig sind und eine große Reisebereitschaft abverlangen. Ein klassisches Delegiertensystem kommt ebenso nicht in Frage, da reicht ein Blick auf die Entscheidungsprozesse bei den Altparteien, um diese Idee abzulehnen.

Genau so ist es. Gute Beschreibung der Lage.

Das Ziel ist damit, Positionspapiere zu entscheiden. Alles andere (Wahlprogramme, Parteiprogramme, Satzungsänderungen) scheitern sehr wahrscheinlich an rechtlichen Hürden.

Diese Hürde gelte es, aus dem Weg zu räumen.

Die dritte Kammer ist der Parteirat. Dieser besteht aus gewählten Vertretern der einzelnen Landesverbände. Sie werden (inklusive ihrer Vertreter) auf den Landesparteitagen von den Mitgliedern gewählt. Der Parteirat tritt einmal pro Quartal an einem Ort zusammen. Rechtlich gesehen entspricht dies einem Parteitag. Dieser Parteirat entscheidet nun endgültig über die Siegerinitiativen, die bereits in der ersten und zweiten siegreich waren.

Ist das nicht ähnlich zum heutigen System in den etablierten Parteien? Die »Delegierten« bei den GRÜNEN zum Beispiel?

Wie wäre es mit einem Konzeptwechsel. Wir sollten zügigst raus aus der Stellvertreter-Demokratie (Parlamentarische Demokratie, die sich in den »Delegierten« und »Vertretern« ausdrückt), hin zur Direkten Demokratie, in der alle Mitglieder direkt zu allen Themen entscheiden und die Vorstände, Geschäftsführungen nur in einem eng umrissenen, kleinen Rahmen überhaupt noch agieren.

Übrigens tun sie das genau heute nicht. Also sie entsprechen noch nicht mal den Mindestanforderungen einer Stellvertreteraufgabe. Zum Beispiel ist eine Mehrheit bei den Piraten für das Bedingungslose Grundeinkommen, während sich die Parteispitze gegen ein Grundeinkommen verhält. Ein absolutes Ausschlusskriterium für einen Teil der momentanen öffentliche Vertretung.

Und hier noch ein Zitat aus der Nürnberger Zeitung. Stefan Körner, Bayern-Pirat sagt zu Liquid Feedback:

NZ: Warum glauben Sie, dass das Prinzip des Liquid Feedback von Ihrer Parteibasis nur schleppend angenommen wird, sich also nur wenige über das Internet an der Parteiarbeit und den Entscheidungen überhaupt beteiligen?
Körner: Es ist tatsächlich manchmal enttäuschend, wie wenige Mitglieder sich an einzelnen Abstimmungen beteiligen. Aber wesentlich ist es, Werkzeuge und Möglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Politische Arbeit ist am Ende eben auch Arbeit. Wir sorgen dafür, dass alle, die wollen, sich auch einbringen können. Wie weit das angenommen wird, ist dann erst mal zweitrangig