bGE-Le Monde diplomatique

Kommentierung des Artikels in der Le Monde diplomatique zum Bedingungslosen Grundeinkommen

http://www.monde-diplomatique.de/pm/2012/11/09.mondeText1.artikel,a0014.idx,6

Was heißt denn Umverteilung »durch den Staat«. Wir Bürgerinnen und Bürger machen das selbst. Das Bedingungslose Grundeinkommen (bGE) ist eine Idee des Volkes.

Die Autoren Flassbeck, Spiecker, Meinhardt und Vesper [1] versuchen sich mit dem Begriff der »Primärverteilung«.

Wenn man die momentanen Ergebnisse der primären Einkommensverteilung für ungerecht, unsozial und die Gesellschaft schädigend ansieht .......

Es geht nicht um »momentane Ergebnisse der primären Einkommensverteilung«. Arbeitslose werden in diesem Staat nicht korrekt behandelt und es gibt in unserem Land zu viele Menschen mit einem zu geringen Einkommen. Darum geht es.

»Marktmechanismus, Sekundärverteilungsmöglichkeiten, Ständestaat und Klassenwahlrecht«. Ich fände es angebrachter, die Dame und Herren würden erstmal über die reale Situation sprechen, unter der viele Menschen leiden und die Ausgangspunkt der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens ist. Aber nein, nichts davon.

Da auch die Finanzierung jeder Variante des Grundeinkommens letztlich auf dem beruht, was produziert wird, ist es reine Augenwischerei zu behaupten, es gebe eine Art »dritten Weg«, die Bedürfnisse der von den Märkten Benachteiligten in Einklang zu bringen mit den Ergebnissen eben dieser Märkte. Die Schwerkraft kann niemand per Beschluss abstellen, und die Grundregel des Wirtschaftens, dass nur verbraucht werden kann, was produziert worden ist, lässt sich nicht mit schlaraffenlandähnlichen Ideen außer Kraft setzen.

Die gewollte Entkoppelung des Anspruchs auf Grundeinkommen von jeglichen Bezugsbedingungen ist der Hauptkritikpunkt an dieser Form der Einkommensumverteilung. Jedes Umverteilungssystem funktioniert nur, wenn stabile materielle Grundlagen vorhanden sind, aus denen die von ihm versprochenen Leistungsansprüche befriedigt werden sollen. Das bedingungslose Grundeinkommen krankt daran, dass es die von ihm vorausgesetzte ökonomische Basis systematisch zerstört.

Schon sehr seltsam, diese Ausführungen.

Die ökonomische Basis für ein Grundeinkommen ist die Fähigkeit der heutigen Industriegesellschaften all das zu produzieren, was wir Menschen zum Leben brauchen. Und selbstverständlich würden auch heute alle Menschen zur Fertigung dieses Überflusses an Gütern und Dienstleistungen auch weiterhin mithelfen.

Das Bedrückende (und in Wirklichkeit aber paradiesische) an der heutigen Situation ist aber, dass wir immer mehr produzieren und dies gleichzeitig mit immer weniger Menschen leisten können. So was nennt man gemeinhin »Produktivitätsfortschritt«.

Das heißt, auf alle Menschen verteilt betrachtet, bedeutet dies, wir können es uns alle erlauben weniger zu arbeiten und haben trotzdem alles was wir zum Leben brauchen. Um aber Zugriff auf die Güter und Dienstleistungen zu haben, auch dann, wenn wir kein oder wenig Erwerbseinkommen besitzen, ist es notwendig Arbeit und Einkommen zu trennen.

In einer Demokratie bedeutet die Freiheit des Einzelnen, dass ihm innerhalb des gesetzlichen Rahmens keine Verhaltensvorschriften gemacht werden dürfen. Dieser gesetzliche Rahmen muss aber auch gewährleisten, dass die Freiheit des Einzelnen die Freiheit aller anderen nicht einschränkt.

Und weiter:

Genau diese Funktionsvoraussetzung ist beim bedingungslosen Grundeinkommen nicht gegeben: Wenn sich alle Bürger eines Landes auf den Anspruch des bedingungslosen Grundeinkommens berufen und nur das tun, was ihnen gerade Spaß macht, was aber nicht notwendigerweise am Markt von irgendjemand anderem nachgefragt wird, gibt es keine ausreichende materielle Grundlage, aus der heraus die gesetzlichen Ansprüche jedes Einzelnen gegen den Staat, gegen »die Allgemeinheit«, bedient werden können.

Sicher muss immer weiter produziert werden. Die Autoren unterstellen allen Ernstes, die Leute würden alle die Arbeit niederlegen. Wow. Natürlich muss das bGE von so vielen Menschen wie möglich erkannt und verstanden sein. Und das bGE zielt zu allererst auf die Menschen in Not ab (das bGE wäre z.B. ein Gewinn für diejenigen, die heute mit nur 372 € Hartz leben müssen). Die anderen behalten ihre Arbeit und haben durch ihren Job mehr Einkommen als der reine bGE-Bezieher.

Bei den bGE-Kritikern klingt das eher so, als ob sie den »Zwang zur Arbeit« beibehalten wollen.

Die Freiheit des einen, nicht am Erwerbsleben teilzunehmen, auch wenn er dazu in der Lage wäre, führt zum Zwang für andere, eben diese Freiheit des einen durch eigene Arbeit und die eigene Bereitschaft, deren Früchte zu teilen, zu ermöglichen.

Nach der Logik des Quartetts geht der Bezieher eines bGEs nicht arbeiten und zwingt dadurch die anderen arbeiten zu gehen.

Die Freiheit weniger arbeiten zu können, ergibt sich aus der Massenproduktion, die in rationalisierten, automatisierten, algorithmisierten Produktionsabläufen ihren Ausgang hat. Sie kommt gleichermaßen allen Menschen zugute. Es geht doch um die Probleme, die heute existieren, die durch ein bGE bewältigt würden. Heute werden Menschen, weil sie sich nicht aus eigener Arbeit selbst versorgen können und in finanzieller Not und auf die Hilfe der Gemeinschaft angewiesen sind, von den staatlichen Stellen bedroht, drangsaliert, genötigt und durch menschenrechtsverletzende Maßnahmen zu überwiegend völlig sinnlosen, unattraktiven, schlecht bezahlten Arbeitsverträgen und -Situationen gezwungen. Darüber schreiben die Autoren kein Wort. Aber nach ihrer Version würde der Grundeinkommens-Bezieher (der ja der heutige Almosenempfänger ist) das ganze Gesellschaftssystem bedrohen.

Es gibt für die Arbeitnehmer die heute einen sinnvollen, für die Gesellschaft wichtigen, gut bezahlten, erfüllenden, interessanten, mit guten Arbeitsbedingungen ausgestatteten Arbeitsplatz innehaben, überhaupt keinen Grund nach Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens den Büttel hinzuschmeißen. Sie haben ein Kombi-Einkommen, dass deutlich höher ist als das Bedingungslose Grundeinkommen und können sich somit viel mehr leisten, als die Menschen, die nur das bGE haben. Das heißt für diese Menschen, dass es sich lohnt, arbeiten zu gehen. Nach Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (und der Einführung einer reinen Konsumsteuer) wird sich der Arbeitsmarkt zugunsten aller Menschen und im Gegensatz zur heutigen Situation deutlich verbessern (geringere Lohnkosten machen Dienstleistungsangebote erschwinglich, nach bGE-Einführung kann jeder Mensch hinzuverdienen, was heute verboten oder nicht der Rede wert ist). Das heißt der Anreiz eine Tätigkeit, zum Beispiel stundenweise anzunehmen, steigt deutlich.

Außerdem kommt hier das negative Menschenbild der Autoren zum Vorschein. Sie unterstellen, dass die Menschen egoistisch und neidisch auf andere sind, nur ihren eigenen Vorteil im Auge haben. Und sobald sie sehen, jemand anderes ist faul, macht seine Arbeit nicht, schmeißen sie dann auch schnell ihre Arbeit hin. Wo gibt es denn diese Trübsalswelt, in der offenbar diese 4 Personen leben?

Anderenfalls könnte der Staat seine Versprechungen gegenüber dem »freiwillig« Nichtarbeitenden nicht erfüllen. Damit ist aber die Freiheit des einen sozusagen auf die »Unfreiheit« anderer angewiesen. Wollen alle die gleiche Freiheit nutzen, bricht das System in sich zusammen.

Diese Aussagen sind falsch. Jedenfalls haben sie nichts mit den Grundannahmen zu tun, auf die sich die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens beruft. Die Notwendigkeit, dass alle arbeiten müssen ist heute überhaupt nicht mehr gegeben. Bereits heute lebt ein Großteil der Bevölkerung von Transferleistungen: Kinder, Alte, Jugendliche. Auch ein Großteil der gesellschaftlich notwendigen Arbeit wird heute »ohne Bezahlung« gemacht, zum Beispiel ehrenamtliche Arbeit und Kulturarbeit. Wir leben in einer Überflussgesellschaft, in der trotz übervoller Regale über 10 Millionen Menschen arbeitssuchend (das heißt einkommenssuchend) sind.

Das Problem ist für viele Menschen, sie sind ohne Arbeit, es gibt keine gescheite, und sie haben kein Einkommen, aber in den Geschäften und in den Online-Shops gibt es alles zu kaufen, was sie bräuchten. Sie können es sich halt nur nicht leisten. Es sind arme Menschen.

Es genügt, wenn etliche Leute durch reduzierte Arbeit jene 1 000 Euro monatlich, die ihnen einige Modellvarianten als Grundeinkommen versprechen, weniger verdienen als derzeit, und schon kollabiert das System.

Das hätten die Autoren aber mal genauer beschreiben müssen, wie sie sich das vorstellen, dass da die Gemeinschaft »kollabiert«. Die Schlüsse, die die Dame und die Herren ziehen, sind absurd.

Der Versuch einer relevanten Gruppe, diese Möglichkeit zu nutzen, kann dazu führen, dass immer mehr Menschen nicht einsehen, warum sie voll arbeiten, während andere ihre Arbeit sozusagen um 1000 Euro reduzieren, aber das gleiche Gesamteinkommen erzielen.

Wer reduziert seine Arbeit um genau 1000 Euro, hat aber das Gleiche? Diese Überlegungen haben überhaupt nichts mit dem bGE-Konzept zu tun. Geschweige denn das dadurch eine Gesellschaft zusammenbrechen würde.

Das Geld behält seinen Wert trotz Verschwinden der mit ihm gekauften Güter, weil sich in einer arbeitsteiligen Gesellschaft alle zusammen darauf verlassen, dass mit der neu zur Verfügung stehenden Zeit tatsächlich wieder etwas produktiv angefangen wird und so die Menge der verbrauchten Güter quasi ersetzt wird. Dann steht dem Geld erneut ein Güterberg gegenüber.

Das bedingungslose Grundeinkommen untergräbt dieses wechselseitige Vertrauen und damit den Wert des Geldes.

Die Autoren ignorieren den Produktivitätsfortschritt. Heute können wir mit immer weniger Arbeitskraft immer mehr produzieren. Die Idee des bGE ist, diesen Innovationsgewinn an alle auszuschütten und gerecht zu verteilen. Die Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens geht von einem Menschenbild aus, dass den Menschen als kreative, nach außen in die Gemeinschaft gewandte Person sieht, der sich gerne einbringt. Dieser Mensch wird heute schlecht behandelt. Durch unsägliche Gesetze zum Beispiel. Dieses große Elend, das sich in den letzten 30 Jahren entwickelt hat, soll ein Ende finden. [2] Ein Ende im Guten. Eine Idee in diese Richtung ist das Bedingungslose Grundeinkommen.

Die Autoren äußern sich mit keinem Wort zu den immensen Schäden, die die Politik in Deutschland durch ihre Entscheidungen an der Bevölkerung angerichtet hat. Vielmehr behaupten sie, dass eine der wichtigsten Überlegungen dieses Jahrhunderts, das bGE, zu »Ungerechtigkeiten« führen würde, weil »die einen dasselbe hätten, wie die anderen«. Dabei entbehrt ihrer Logik jegliche Nachvollziehbarkeit.

Aus diesem Widerspruch erwächst Misstrauen in den Wert des Geldes: Stehen dem Geld, das ich heute am Markt verdiene, indem ich Waren verkaufe, auch morgen noch neue Waren (zum Beispiel für meine Nachfrage) gegenüber? Oder hat sich von heute auf morgen eine ganze Reihe von Leuten bequem zurückgelehnt, die eingekauften Waren konsumiert, aber keine neuen produziert?

Wen haben denn die Autoren da im Auge. Den Produzenten? Für ihn ist es ausreichend, dass eine Nachfrage vorhanden ist. Sie rechtfertigt die Produktion. Am Markt, in der Gesellschaft, ist wichtig die Produktion und die Nachfrage. Das war es schon. »Geld«, also gedrucktes Papier soll doch nur den Austausch erleichtern.

Die Dame und Herren bemühen die Perspektive auf die »Faulenzer«, die in dieser Form typisch war für die Jahrtausendwende (Hetze der Bildzeitung gegen Faulenzer, »Florida-Rolf«, markige Sprüche von Schröder, »Fördern und fordern«). Agitation von Staats wegen gegen die angeblichen Nichtstuer (während die anderen malochen) die sich auf »unsere« Kosten (wer ist dann »uns«?) einen schönen Lenz machen. Mit dieser Sicht sollten die Menschen gegeneinander ausgespielt werden. Kein Wort darüber, dass es zu wenige gute Arbeitsplätze gab und gibt, kein Wort darüber, dass die angebotene Arbeit viel zu unflexibel auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht. Nein, es sollte Streit unter die Menschen gebracht und Missgunst geschürt werden. Das war die Absicht der Politik.

Aus dieser SPD-Perspektive entstand die Hartz-Kommission und diese schrecklichen Hartz4-Gesetze. Damit man mal endlich gegen die Faulen im Land vorgehen konnte. Und die GRÜNEN haben damals schön mitgestimmt. Ja, so war das. Pfui Teufel.

Genau dieses Stimmungsbild wollen die Dame und Herren (hier auszugsweise zitiert in der Le Monde Diplomatique) weiter aufrechterhalten. Und dem kann ich nun wirklich nicht zustimmen. Ich würde mich auch nicht wundern, wenn die Herrschaften mit den für das heutige Elend verantwortlichen Parteien in Verbindung stehen. So jedenfalls schreiben sie.

Was soll umverteilt werden außer dem, was dem Staat an Steuereinnahmen zur Verfügung steht?

»Umverteilt« wird die Wertschöpfung und nicht die Steuereinnahme (wo doch heute das Geld eh nichts mehr Wert ist, wenn die Geschäftsbanken für die Spekuliererei Geld »aus dem Nichts schöpfen« können). Es geht darum allen Menschen einen ausreichenden Zugriff auf alle existenziell notwendigen Güter und Dienstleistungen zu ermöglichen. Das hat nichts mit den mit »Spielgeld« gefüllten Kassen der Politiker zu tun.

Wenn das ganze Buch, aus dem dieser (von mir zitierte und kommentierte) Auszug stammt, auf diesem flachen Niveau ist, kann man getrost sich weiter für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommen einsetzen. Diese Kritiker des bGE wollen keine Veränderung und verschweigen die heutigen katastrophalen Bedingungen unter denen die Menschen leben. Ihre Beschreibung der Folgen einer bGE-Einführung ist unglaubwürdig.

[1]

http://westendverlag.de/westend/buch.php?p=67

Alle vier Autoren haben einen beruflichen Bezug zum Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung.(DIW) in Berlin.

Laut Wikipedia wird dieses Institut mit Geldern der Bundesregierung und der Landesregierung zur Hälfte finanziert. Unter »Kontroversen« kann man bei Wikipedia lesen, dass ein Mitarbeiter des DIW, der sich zur »Agenda 2010« kritisch äußerte, daraufhin entlassen wurde.

http://de.wikipedia.org/wiki/Deutsches_Institut_f%C3%BCr_Wirtschaftsforschung

[2]

Kathrin Fischer weist in ihrem Buch »Generation Laminat« auf den enormen Wohlstandsverlust in Deutschland innerhalb der letzten 30 Jahre hin und belegt dies mit Daten und Fakten.

http://www.amazon.de/Generation-Laminat-beginnt-Abstieg-dagegen/dp/3813504581