Basisdemokratie oder Rückfall in die Bevormundung

http://www.spiegel.de/politik/deutschland/piratenpartei-parteispitze-bricht-mit-parteiidealen-a-877207.html

Ohne Basis-Demokratie ist die Partei für ihre Befürworter und Wähler nicht mehr interessant. Ich glaube aber nicht, dass sich die beiden, Bernd Schlömer und Sebastian Nerz durchsetzen werden. An diesen Personen sieht man auch sehr schön, was der Unterschied ist, zwischen einer Wahl an der alle Parteimitglieder teilnehmen können (wie sie zum Beispiel in Liquid Feedback möglich ist) und den »Wahlen«, zu denen man anreisen können muss.

Das sind einfach andere Leute, die Schlömer und Nerz wählen, als es die Mehrheit der Piraten ist. Die Mehrheit der Piraten wählt nicht solche Leute wie Schlömer und Nerz. Die Mehrheit wählt eher solche Leute wie den Ponader. So jedenfalls meine Vermutung.

Von dem Spiegelautor wird die Basis-Demokratie als »Problem« dargestellt:

Der Plan der Piratenspitze stößt sich mit den Idealen, die ein Großteil der Partei hochhält. Viele Piraten sind stolz auf ihre basisdemokratische Orientierung, die sich unter anderem in langen und teils ausufernden Diskussionen auf Parteitagen und den Mailinglisten zeigt.

Dabei ist die Basis-Demokratie die Lösung der Probleme. Nicht die »langen und ausufernden Diskussionen« sind der Punkt (wie es hier der Spiegel-Autor suggeriert), sondern klarzumachen, dass immer die Entscheidung durch Abstimmung aller Parteimitglieder zustande kommt und eben nicht durch einsam getroffene Festlegungen der Parteispitze (die sie sich womöglich noch von irgendwelchen Lobbyisten ins Ohr flüstern ließen).

Die Umsetzung des Mehrheitsentscheids und seine Vertretung nach außen ist die einzige wirkliche Aufgabe einer modernen und zeitgemäßen Parteispitze. Aber genau dieser Aufgabe sind viele in der aktuellen Besetzung nicht nachgekommen (mal von den Sticheleien gegen Mit-Piraten abgesehen).

Mit diesem Usus wollen Schlömer und Nerz bewusst brechen. Der Parteivorsitzende kritisierte, dass sich nicht genügend Piraten in der Öffentlichkeit zu Wort meldeten.

Basis-Demokratie bedeutet, dass es unterschiedliche Meinungen zu den einzelnen Sachverhalten gibt und erst in einer Abstimmung deutlich wird, welchen Weg eine Organisation geht. Diesem Prozedere muss jedes Parteimitglied natürlich zustimmen. Sonst funktioniert die ganze Organisation nicht. Deswegen wird in der Öffentlichkeit erstmal nur die Unterschiedlichkeit deutlich. Das wäre auch nicht schlimm. Das Abstimmergebnis wäre aber für alle Parteimitglieder ein Hinweis, in welche Richtung die meisten Menschen (in der Organisation) sich orientieren.

Schlömer sagte SPIEGEL ONLINE, die Piraten bräuchten dringend einen »Professionalisierungsschub«.

So wie das formuliert wird, erscheint die Partei und das Erreichen von Mandaten als Selbstzweck. Um zum Beispiel an »Pöstchen« heranzukommen. Die »Partei« ist aber nur »Mittel zu Zweck«. Der eigentliche Zweck einer solchen demokratischen Organisation ist es, die Anliegen der Bürgerinnen und Bürger zu kommunizieren und daraus Entscheidungen für alle, für die Allgemeineheit zu filtern. Im Sinne der Menschenrechte, im Sinne vorsichtig und sorgsam gehandelter Gruppenrechte. Es geht also um Sachthemen und diese sind platziert in unserer unmittelbaren Umgebung, in der Welt die uns umgibt. Keinerlei »Professionalisierung« ist hier notwendig, um zuständig für den eigenen Lebensraum zu sein. - Hier formulieren viel mehr die »Machthaber« vermeintliche Grundsätze, um die anderen von dieser Macht (zu entscheiden) ausschließen zu können.

Und es wird mit solchen Aussagen der Eindruck erweckt, die Bevölkerung (in der Partei als Mitglieder vertreten) sei nicht in der Lage sich zu Sachthemen zu äußern, zu handeln und zu argumentieren. Gerade aber weil die Bevölkerung sehr wohl dazu in der Lage ist, haben sie sich bei den Piraten engagiert. Und jetzt kommen manche Parteioberen und wollen diese Tür zu machen, beziehungsweise nur für »Trainierte« und dadurch »Berechtigte« offen halten. - Ein echter Alptraum für basisdemokratisch orientierte Menschen.

Die Öffentlichkeitsarbeit sehen auch viele Parteimitglieder kritisch. Zu langsam und zu unkoordiniert, heißt es oft.

Zur »Öffentlichkeitsarbeit« fallen mir in erster Linie die unverschämten Angriffe von Schlömer gegen Ponader ein. Wer der Partei hier besonders schadet, kann man dabei sehen.