Inge Hannemann, Jobcenter-Mitarbeiterin, spricht über Hartz4
Notizen zum Film
15.04.2013 HARTZ IV - GEWOLLTE ARMUT? MIT INGE HANNEMANN
https://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=iL5k6M-U3Zk
Hartz4-Kunden → 15 bis 25 jährige Menschen Kunden kommen freiwillig. Ins Jobcenter kommt man nicht freiwillig.
Die Kolleginnen und Kollegen arbeiten willkürlich und unmenschlich.
Sozialgesetzbuch II. Es gab 58 Gesetzesänderungen seit Inkrafttreten. In Bezug auf unser Grundgesetz hat das Sozialgesetzbuch II bis heute keinen Bestand und darf so gar nicht existieren.
Bei Hartz4-Antrag: Ich muss mein Leben offen darlegen, in bin ein gläserner Mensch.
Inge Hannemann: alleinerziehende Mutter; hat angefangen als Fallmanagerin.
Anfangs hatten wir noch weit mehr Freiheiten im Umgang mit den Leistungsberechtigten.
2006 »Fortentwicklungsgesetz« brachte den radikalen Umschwung. Wurde von der heutigen Regierung still und heimlich eingeführt, zur »präventiven Vorbeugung eines Leistungsmissbrauch«.
Im Erstgespräch musste der Person ein Stellenangebot oder eine Trainingsmaßnahme angeboten werden und die »Eingliederungsvereinbarung« war zu unterschreiben. Mit dieser gibt er seine Würde ab. Hatte sich der Erstantragsteller nicht auf das erste Stellenangebot beworben, wurden sofort 30% des Geldes gekürzt.
Es gab eine Vorverurteilung in den Medien: jeder, der sich beim Jobcenter meldet, begeht einen Leistungsmissbrauch.
Ansonsten gibt es Sanktionen.
Es herrscht Angst. Einmal bei den Erwerbslosen, dann aber auch bei den Jobcenter-Mitarbeitern. Weil jeder Jobcenter-Mitarbeiter von heute auf morgen erwerbslos werden, und auf der anderen Seite des Schreibtischs sitzen.
60 000 Jobcenter-Mitarbeiter bundesweit. Bewusstseinsveränderung mit den Jobcenter-Mitarbeitern, aber auch bei den Erwerbstätigen, bei den Rentnern, die vom Grundsicherungsamt abhängig sind. Sie sagt, die Sache verbockt habe die SPD, die CDU, die FDP. Aber sie sagt nichts über die GRÜNEN. !?
Heute ist kein Job mehr garantiert. Kinder werden in das Sanktionsleben mit hineingezogen. Unser Land ist voll damit, mit Menschen die gute Ausbildungen haben, aber sich durch Niedriglohnjobs über Wasser halten.
Der jetzige Aufschrei ist viel, viel zu leise, der muss lauter werden. Aber friedlich lauter werden.
Die Bildzeitung hat immer von Anfang an gegen die Hartzer geschrieben.
Klischees: Wenn die Hartzer sich ordentlich kleiden würden, wenn sie weniger Alkohol trinken würden, bekämen sie auch einen Job. Man kann auch für 7 oder 8 Euro bei der Zeitarbeit arbeiten, aber dafür sind sich die Hartzer zu fein.
Es gibt nicht genug Arbeitsplätze für alle, das ist bewiesen.
Die Menschen, die in die Jobcenter kommen, erwarten Hilfe, erwarten Beratung.
Wer die Eingliederungsvereinbarung nicht unterschreibt, darf nicht sanktioniert werden. Dann wird die Vereinbarung zu einem Verwaltungsakt. Die Eingliederungsvereinbarung ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag, eine zweiseitige Willenserklärung.
Keine Unterschrift leisten, nur als Verwaltungsakt und unter Vorbehalt. Dann bekommt der Leistungsberechtigte eine Kopie des Verwaltungsakts mit der Unterschrift des Jobcenter-Mitarbeiters.
»Unter Druck setzen« verstößt gegen das Grundgesetz, die Menschwürde.
Es wird zu Maßnahmen gezwungen, deren Sinn die Leistungsempfänger nicht einsehen. 32:52
Welche Bereiche werden gefördert: Gesundheitsbereich, Lager- und Logistikbereich, KFZ-Mechatronic, Verkaufsbereich, LKW-, Busfahrer
Ist die Wirtschaftlichkeit sichergestellt.
Erwerbslose in Maßnahmen zwingen, mit der Begründung, »lernen sie erstmal Struktur«. Arbeitslosigkeit greift die Psyche an, die Menschen verfallen in Selbstzweifel. 46:13
Diffamierung und Degradierung der Erwerbslosen durch die Parteien. Missachtung der Armut unter den Menschen.
Es reicht nicht, leise mal ein Sanktionsmoratorium zu unterschreiben, es reicht nicht, mal eine Anfrage zu erstellen. Es muss Hauptthema werden in den Parteien.
Ich mache Tausenden mit meiner Arbeit Mut. Ich führe den Kampf weiter. Das Netzwerk ist groß. Wir haben Unterstützung. Es sind nicht nur Einzelne. Verbände, Initiativen, Aktivisten, Ehrenamtliche. 51:20
Die Sanktionspraxis kann bis zum Tod führen. Die Menschen werden in die Obdachlosigkeit getrieben. Die Not kann zum Suicid führen. 53:00
Folgetermine enthalten die Sanktionsandrohung. Jobcenter-Mitarbeiter werden subtil angehalten, Sanktionen durchzusetzen. »Ladet zum Folgetermin ein.« In den Dienstgesprächen werden die Mitarbeiter darauf hingewiesen, Folgeeinladungen auszusprechen. 54:45
Briefe vom Jobcenter machen Angst. Die Erwerbslosen öffnen den Brief nicht. 56:35
Die Arbeitslosen müssen alle 4 Wochen eingeladen werden. Ein verpasster Termin gibt 10% Sanktion. Bei 10-mal Fehlen hintereinander gibt 100%.Gerichtsverhandlungen dauern im Schnitt 3 Jahre. Die Betroffenen haben in der Zeit kein Geld. 58:40
Frau Hannemann unterstützt die Abschaffung der Sanktionen.
Heinrich Alts Aussagen zur Erwerbslosen-Situation ist die Unwahrheit. Es gibt Obdachlosigkeit, Kriminalität, was durch die Sanktionen verursacht ist. 01:05:10
Teamleiter und Standortleiter bekommen mitgeteilt, wie hoch die Sanktionsquote sein muss. 25% pro Jobcenter. Es wird ein Ranking der Jobcenter angezeigt. Die Mitarbeiter werden nach Sanktionen bewertet. Für die Mitarbeiter gibt es Quoten, die sie einhalten müssen:
Eingliederungsvereinbarung 90%
Arbeitsvermittlung 25% (erreicht wird 2%)
01:07:35
Statistik. Offiziell wird von 2,7 Millionen Arbeitslosen gesprochen (im Fernsehen). Von ca. 6 Millionen Arbeitssuchenden wird berichtet. Nach Frau Hannemanns Schätzung sind es aber mindestens 8 Millionen Menschen, die arbeitssuchend sind. 01:17:45
Denn viele Menschen werden vom Jobcenter nicht als »Kunden« akzeptiert, obwohl sie betroffen sind. Zum Beispiel Menschen, denen man es zumutet, sich durch ihre »Bedarfsgemeinschaft« finanzieren zu lassen. Das ist Sippenhaft! Bis 25-Jährige müssen sich durch ihre Eltern aushalten lassen. 01:18:50
Hartz4 als Grundsicherung wird in dem Fall den Betroffenen verwehrt. Grundsicherung darf nicht vom Alter abhängig gemacht werden.
Eheähnliche Gemeinschaft, ansonsten »getrennte Kühlschrankfächer«. 01:22:20
Haushaltsgemeinschaft → WG, jeder sorgt für sich.
Bedarfsgemeinschaft → gegenseitige Unterstützung
Bei Bedarfsgemeinschaft gelten niedrigere Regelsätze (die die Wirtschaftlichkeit der Jobcenter garantieren sollen). Die Wirtschaftlichkeit der Jobcenter ist aber nur über Sanktionen gegen die Arbeitslosen möglich! Denn die Jobcenter haben keine Einnahmen und Wirtschaftlichkeit geht nur über Ausgabenkürzungen. 01:26:00
Beim Eintritt in das Jobcenter gibt man seine Würde ab. 01:29:40
Anwälte stoßen sich gesund an Hartz4. 01:32:00
Mit Hartz4 haben sich der Niedriglohnsektor und Lohndumping entwickelt. Ebenso ging die Zahl der Zeitarbeitsfirmen in die Höhe. 01:33:40
Armut ist durch die Politik gewollt, um die Menschen in den Niedriglohn zu treiben. Jeder, der sich bei der Zeitarbeit meldet, bekommt in der Regel auch von heute auf morgen einen Job. 01:34:00