Die Situation - mit Perspektive auf ein bGE
Immer wieder sitzen wir in Vortragsveranstaltungen, und einer befindet sich vorne und spricht und »hinten« hält sich die Masse auf und hört zu. Das ist so seit vielen Jahren und Jahrzehnten. Dann geht es um die Frage, was muss sich ändern, damit die Gesellschaften vorankommen, und die Krisen überwunden werden. Das ist in letzter Zeit immer wieder das Thema.
Vor einiger Zeit berichtete ich über eine Radiodiskussion über das Versagen der Wirtschaftsfachleute und Wirtschaftsjournalisten, die Finanzkrisen vorherzusagen.[3] Woher das kommt, diese Unfähigkeit, und was man davon halten soll. Und nun hörte ich Wolfgang Berger in einem Interview.[1] Er ist Unternehmensberater und hat einen Professorentitel und Doktorentitel und hat Wirtschaft studiert. Und er sagte in dem Interview, dass er nun mal nur das studieren kann, was auch als Wissen angeboten wird. Und wenn er ein Studium machte, um zum Beispiel späterdings damit Geld zu verdienen, dann studiert er halt das, was in der Universität an Wissen angeboten wird und macht über dieses Wissen auch seine Abschlüsse. Er sprach dies an, weil er erst viel später, als er bereits schon berufstätig war und »Unternehmen beriet« auf einen gewissen Silvio Gsell aufmerksam gemacht wurde, der sich mit der Zinsproblematik auseinandersetzte.
Nun, was bei diesen Aussagen, sowohl in der Radio-Diskussionsrunde als auch bei Herrn Berger auffällt, ist, dass die Differenz zwischen den Bürgern und den Fachleuten so groß nun auch nicht ist. Viel wichtiger scheint zu sein, ein ernsthaftes Bemühen, sich für die eigene Lebenswelt zu interessieren und ein gewisses Maß an Verantwortung für diese zu entwickeln. Bei der Gesellschaft geht es im Grunde um die Gemeinschaft und bei den politischen Themen geht es eigentlich um die Gemeinschaftsaufgaben. Zuständig und kompetent sind wir alle für diese, aus dem Stand heraus. Etwa was im Kommunalbereich geschieht, ob eine Straße erneuert wird, ein Kindergarten gebaut wird, oder neues Bauland ausgewiesen wird, das betrifft alle ansäßigen Bewohner und man braucht nicht eine kleine Gruppe von Menschen bestimmen, die sich über diese Fragen Gedanken machen sollen (was die heutigen Politiker sind), sondern das kann erst recht heute (mit der Vernetzung durch das Internet) von uns allen überlegt und entschieden werden.
Diese neue Perspektive (wenn sie denn neu ist) kann man zum Beispiel »Selbst-Ermächtigung« nennen. Alle Menschen sind für ihren Lebensbereich aus dem Stand heraus sofort zuständig und können »entscheiden«. Da bedarf es keiner übergeordneten Instanz. Der Prozess dahin, zu einem Ergebnis zu kommen, letztlich »gute« Ergebnisse für uns alle zu entscheiden, geschieht wiederum durch »Information und Bildung«. Diesen Auftrag haben wir lebenslang für uns und ihn sollten wir nach Kräften erfüllen.
Wenn ich also nun zu meiner Ausgangsbetrachtung zurückkehre, so besteht der Irrtum in den »Vortragsveranstaltungen« darin, immer noch zu meinen, die Gemeinschaftsaufgaben könnten wir so bewältigen, dass vorne einer sitzt, der die »Wahrheit« vermittelt und hinten sitzt das »Volk«, dass zuhört, wie denn die Wirklichkeit sei. - Da kann ja nichts bei rauskommen (zumindest nicht mehr heute. Es mag ja sein, das es einmal eine Zeit gab, zu der diese Kommunikationsformen neu und modern waren).
Wie ist nun der Übergang zum Bedingungslosen Grundeinkommen (bGE).
Das bGE kommt durch die Menschen, die Verantwortung übernehmen wollen sowohl für ihren eigenen Lebensbereich als auch für das Leben überhaupt. Es ergibt sich aus der Beschäftigung mit der Lebenswelt des Menschen, mit den heutigen Problemen, mit den Ursachen und entsteht aus der Überlegung, wie Lösungen für die Zukunft aussehen können. Die ständigen Vortragsveranstaltungen zu diesen Themen werden nur bedingt die Menschenmassen ergreifen, weil nun mal das Thema selbst erarbeitet sein muss und das geschieht nicht so, dass einer vorne sitzt und redet und die anderen sitzen hinten und hören stundenlang zu. Das schon längst vorhandene Wissen, das wir alle über unser eigenes Leben (und die damit verknüpfte Welt) haben, ist genügend Grundlage, um sich kreisförmig zusammenzusetzen und unsere Erfahrung und Kenntnisse zusammenzutragen und daraus gemeinsam abzuleiten, wie eine zukünftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgaben aussehen könnte. Der »Vortrag« symbolisiert die nicht mehr zeitgemäße »Belehrung« der Unwissenden durch den Fachmann. Mag der Vortrag noch als ersten Einstieg in einen Bereich den wir noch nie geistig betreten haben, vielleicht gerechtfertigt sein, so ist er für eine längerfristige Auseinandersetzung mit den eigenen Lebensbereichen ungeeignet. Denn er symbolisiert ja noch mehr Negatives. Nämlich das Festhalten an einer Fremdbestimmung, die durch unser heutiges politisches System gekennzeichnet ist: Der eigene Lebensbereich wird durch kleine Gruppen von Menschen gestalte (Politiker), die noch dazu die Deutungshoheit der Wirklichkeit scheinbar für sich gepachtet haben. Wirklichkeit, hier bezogen auf die Gemeinschaft und Gemeinschafsaufgaben. Denn darum geht es doch bei allem, was uns zusammen betrifft.
Heute ist es so, dass die Gemeinschaft und die Gemeinschaftsaufgaben in Form von Gesetzen, Regeln und in Form einer bestimmten Gestaltung des öffentlichen Raums ihre Deutung erfahren. Nur sind wir es nicht alle, die daran mitwirken, es ist doch nur der Gedankenausfluss einer begrenzten Zahl von Menschen. Damit wir alle aber daran mitgestalten, dazu notwendig ist diese »Selbst-Ermächtigung«, wie sie von Susanne Wiest in einem Interview beschrieben wird.[2] Die Bürgerin und der Bürger müssen sagen, »ich bin zuständig für meine Lebenswelt« und diese Zuständigkeit leben und sie längerfristig unterfüttern durch Information und Bildung.
Was noch aussteht und noch nicht ausgeformt ist, ist die »gelebte Umsetzung« der erkannten Veränderungsnotwendigkeiten. Hier muss, hier wird das Internet eine enorme Bedeutung bekommen (wenn es die nicht bereits schon hat), nämlich in der Umsetzungsgeschwindigkeit und bezüglich der Kommunikationsleistung (ich kann im Internet locker mit 200 Leuten kommunizieren und zu guten Ergebnissen kommen und mich bei der Kommunikation wohlfühlen. Ich mache es ja zuhause, alles um mich ist still, ich lese die Gedanken der anderen und denke darüber nach. Zum Beispiel in einem Forum oder in einem »sozialen Netzwerk«, wohingegen die »Kommunikation« mit 200 Leuten in einem Raum bei einer realen physischen Begegnung so gut wie unmöglich ist. Man bedenke die physischen Belastungen, die Möglichkeit einander zuhören zu können, Zeit zu haben zum Nachdenken, etc.).
Das heißt, ich kann im Internet mit viel mehr Menschen auf einmal kommunizieren (und das zum Beispiel täglich), als es in der physischen Realität möglich ist und verkraftbar wäre. Diese Potentiale sind noch überhaupt nicht ausgeschöpft, und wird womöglich erst die Generationen von Menschen betreffen, die es selbstverständlich finden, im Internet zu kommunizieren (es ist ja eine Technikverweigerung bei einem Teil der heute Lebenden zu bemerken).
1
http://www.youtube.com/watch?v=uWkzab_nfuA
2
http://www.badische-zeitung.de/offenburg/uns-buergern-traue-ich-das-zu--64764381.html
3
https://sites.google.com/site/loseblaetter/oerr---bildung-ist-notwendig