bGE-Gegner-Butterwegge-Nov-2013

http://www.taz.de/Armut-in-Deutschland/!128075/

Um es gleich zu erwähnen, Herr Butterwegge lehnt das Grundeinkommen ab. Die Frage muss deshalb lauten, wohin führt seine Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen, welchen Staat, welche Gesellschaft will er denn, wenn schon keine Grundeinkommens-Gesellschaft?

..........., sondern wir lösen das, was einstmals hart erkämpft wurde und wie es besteht seit Bismarck, ab und ersetzen es komplett durch ein steuerfinanziertes bedingungsloses Einkommen. Das ist für mich Sozialpolitik nach dem Gießkannenprinzip, ein Grundeinkommen für alle Mitglieder der Gesellschaft, ob arm ob reich.

Schon die Begrifflichkeiten die Butterwegge verwendet, machen stutzig. Ein bGE ist eben nicht als »Sozialpolitik« gedacht. Da gibt er das bGE in einer Weise wieder, die nicht richtig ist. Sozialpolitik war seit Bismarck immer auf die Erwerbsarbeit bezogen: wer daraus ein Einkommen hat, zahlt einen Teil davon in eine Kasse ein und bekommt, bei Bedarf, eine finanzielle Hilfe oder einen zustehenden Anteil. - Aber das wollen die Grundeinkommens-Befürworter überhaupt nicht mehr. bGE soll genau dieses Denken ablösen und nicht mehr »bei Bedarf« soziale Hilfen hervorrufen, sondern »grundsätzlich« keinem Menschen mehr Armut zumuten.

Auch sein Hinweis »ob arm, ob reich« hilft da nicht weiter. Denn heute ist einer Millionär und morgen hat er alles verloren. Wenn man nicht bedingungslos ein Grundeinkommen gewähren würde, müsste man wieder »kontrollieren«. Und ein bGE soll den Kontrollstaat beenden! Besser ist es den Konsum der Reichen durch eine hohe Mehrwertsteuer auf Luxusgüter zu steuern und leistungslosen Wohlstand (zum Beispiel durch Miet- und Pachteinnahmen) zu beschränken und gesetzlich neu zu regeln (Bodeneigentum: Boden muss in Gemeinschaftseigentum überführt werden), sowie Finanzspekulationen verbieten oder per Tobin-Steuer abschöpfen, und die Geldschöpfung in öffentliche Hand geben, statt Geschäftsbanken damit reich werden zu lassen.

Die andere Sache ist aber, dass es für die, die es brauchen, eine Falle ist. Es wäre im Grunde ein Kombi-Lohn für ALLE. Es wäre ein eindeutiges Signal an die Unternehmer, das als Lohnsubvention aufzufassen. Der ohnehin schon ausufernde Niedriglohnsektor, in dem jetzt schon fast alle Beschäftigten arbeiten – über 4 Millionen Menschen arbeiten für einen Bruttostundenlohn von unter 7 Euro –, der würde noch breiter.

Man muss sich ernsthaft mit einem Bedingungslosen Grundeinkommen beschäftigen. Dann würde schnell klar, dass mitnichten ein Kombilohn die Folge wäre, wenn wir ein Grundeinkommen hätten. Denn die Menschen haben mit einem bGE Nahrung, Kleidung, Wohnen und Energie, so viel, wie es für die Existenzsicherung notwendig ist (und noch ein Teil für die »kulturelle Teilhabe«). Damit ist alles »Notwendige« für die Existenz erreicht. Lohn, der dann zusätzlich verdient wird, steht zur freien, persönlichen Verwendung zur Verfügung. (Die Fixkosten sind ja bereits bezahlt!) Das ist dann ein Kombi-Einkommen, weil dieses sich nicht mehr ausschließlich am Arbeitslohn orientiert. - Sehr schön erklärt wird dieser Zusammenhang in dem Vortrag von Ralph Boes in Krefeld (3 Teile):

http://www.youtube.com/watch?v=_NZfPMp1Ug8

Heute aber ist es so, dass die Menschen bei einem Billiglohnjob gerade so viel verdienen, dass alles Geld für die Existenzsicherung draufgeht und nichts übrigbleibt zur persönlichen Verwendung.

Aber das Licht am Ende des Tunnels würde sich bald als Trugschluss erweisen, denn über das Grundeinkommen hinaus gibt es dann keinerlei verbürgten Rechtsanspruch mehr. Auf nichts! Es ist alles abgegolten.

Ich kann es nicht anders sagen, aber Herr Butterwegge vermittelt das bGE nicht korrekt. Er agiert damit vielmehr im Sinne der herrschenden Politikerkaste. Seine Aussagen sind sachlich einfach falsch. Mit dem »keinerlei Rechtsanspruch« suggeriert er dem Leser, die Sozialleistungen würden wegfallen. Aber die Sozialleistungen (zum Beispiel Hilfen bei Behinderung) haben überhaupt nichts mit dem bGE zu tun, denn die Existenzsicherung (und somit Armutsbekämpfung) betrifft alle Menschen, ob mit Sonderbedarf oder ohne. - Der Sonderbedarf würde natürlich nach Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommen auch weiterhin zusätzlich zu einem bGE gezahlt, wenn es von den Umständen her berechtigt ist. - Das bGE hingegen ist abgegrenzt auf die Existenzsicherung.

Das spiegelt auch genau dieses neoliberale und marktradikale Denken wider, dass das mündige Individuum im Sinne seiner Freiheit – jetzt nicht der Freiheit des Citoyens, sondern des Bourgeois, und diese Unterscheidung ist wesentlich – entscheidet, was und wofür und wem es gibt von seinem Reichtum. Die Bedürftigen hingegen haben die Freiheit, Wohlverhalten, Bescheidenheit, Fügsamkeit und natürlich auch Dankbarkeit an den Tag zu legen – oder auch nicht.

Butterwegge versucht im Sinne einer linken Politik den Klassenfeind am Leben zu erhalten. Ich selbst finde es absurd, weil wir keine »Arbeiterklasse« mehr haben und die »Bourgeoisie« aus der kommunistischen Mottenkiste entsprungen ist.

Wer sich aktiv für die Einführung des Bedingungslosen Grundeinkommens einsetzt und wenn wir über eine Volksabstimmung die Verwirklichung erreichen, dann sind wir keine Bittsteller, die in »Bescheidenheit, Fügsamkeit und Wohlverhalten« sich zeigen. Es wäre unsere Errungenschaft, die es übrigens immer weiter zu entwickeln gilt.

Nein! Wofür ich plädiere, ist etwas ganz anderes: eine allgemeine, einheitliche und solidarische Bürgerversicherung als eine konsequente Weiterentwicklung des von Bismarck begründeten Sozialversicherungssystems.

Au Backe. Also weiter im alten Trott.

Und es muss durch eine bedarfsorientierte Grundsicherung dafür gesorgt werden, dass es keine Armut, Unterversorgung und soziale Exklusion gibt. .............. Diese soziale Grundsicherung muss ihren Namen aber auch verdienen. Sie muss deutlich über dem Niveau der heutigen Sozialhilfe liegen. Sie muss das soziokulturelle Existenzminimum – und zwar ohne eine entwürdigende Antragstellung und eine bürokratisch-exzessive Bedürftigkeitsprüfung – wirklich problemlos sicherstellen. Sie muss also armutsfest und repressionsfrei sein und eine weder durch Existenzangst bestimmte noch von Ausgrenzung bedrohte Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben ermöglichen.

Wenn Butterwegge mit »repressionsfrei« meint, dass die Hartz4-Sanktionen wegfallen müssen, hätte er deutlich aussprechen sollen »Die Hartz4-Sanktionen gehören abgeschafft«. Wenn aber sein Vorschlag einer »sozialen Grundsicherung« auf ein existenzsicherndes Einkommen hinausläuft, dass »problemlos« zu erhalten wäre, würde es sich nicht von einem bGE unterscheiden. - Eine »bedarfsorientierte« Grundsicherung jedoch, ist an Bedingungen geknüpft und erfordert weiterhin den Kontrollstaat und ist eine Fortsetzung des Hartz4-Systems. Armut ist heute vom Staat mutwillig verursacht, um die Menschen von der SGB II Antragstellung abzuschrecken und sie wieder in den Arbeitsmarkt zu zwingen, sonst wäre die Zahl der Antragsteller noch größer. Ohne »Zwang« gegen die Arbeitslosen würde diese »bedarforientierte Grundsicherung« gar nicht funktionieren. Die Bedarfsorientierung in Butterwegges Konzept bedeutet nichts anderes, als das der Arbeitslose auch weiterhin von den Arbeitsämtern in den Arbeitsmarkt gepresst werden soll, damit er nicht »bedürftig« ist. Diese Logik des heutigen Sozialsystems will Butterwegge beibehalten. Dass er mit seiner »Sozialstaatsidee« Menschenrechtsverletzungen gegen die Arbeitslosen möglich macht, nimmt er in Kauf. - Der heutige »Arbeitssklave« und »Zwangsarbeit« wird mit Butterwegges Vorschlag nicht abgeschafft.

Mein Resümee ist: Wenn hier der Neoliberalismus mit seiner marktradikalen Sozialphilosophie – von der ich sage, dass sie eine politische Zivilreligion ist, die im Grunde alle Poren der Gesellschaft bereits durchdringt –, wenn die zur herrschenden Weltsicht wird, dann geht das einher mit einem rigiden Armutsregime, mit einer Kriminalisierung der Armen und Stigmatisierung der Überflüssigen.

Leider herrscht dieses »Armutsregime« heute. Und dieser Staat, dieses Regime ist der Arbeitgeber von Herrn Butterwegge und zahlt ihm seinen Lohn (aus Steuereinnahmen). Und auch die »Kriminalisierung der Armen« findet heute statt. Und die »Stigmatisierung der Überflüssigen« findet heute statt. Dagegen ist seine Behauptung, dies alles würde erst stattfinden, wenn es ein Grundeinkommen gäbe, ein schlechter Witz. - Da kann man nur hoffen, dass die Menschen einfach selber nachdenken.

Ich halte nichts von der Verelendungstheorie, deshalb sage ich, gegen eine solche Entwicklung müssen sich breite Bündnisse bilden zwischen Arbeitslosenforen, Gewerkschaften, Kirchen, Globalisierungskritikern wie Attac und den vielen anderen kritischen Organisationen und Initiativen, die ja zahlreich existieren in diesem Land.

Ja genau. In Arbeitslosenforen, bei Gewerkschaften (den Linken) und bei »Globalisierungskritikern« findet man immer wieder Grundeinkommens-Gegner.