Angst kann für Beutetiere lebenserhaltend sein und ist deshalb eine sehr ausgeprägte Emotion dieser Tiere. Pferde sind Beute- und deshalb Fluchttiere. Sie sind Fluchttiere, weil sie vor einer potentiellen Gefahr fliehen. Um dies rechtzeitig zu können, müssen sie permanent auf der Hut sein. Pferde leben in ständiger Angst vor Gefahren, vor allem vor Raubtieren. Sie wissen nicht, wie sie aussehen, aber sie wissen, daß es welche gibt. Deshalb wünschen sie sich jemanden, der an ihrer Stelle aufpaßt.
Pferde können nicht wissen, daß es bei uns keine Raubtiere mehr gibt. Aber das spielt auch keine Rolle. Dieses ständige Aufpassen-müssen ist sehr anstrengend. Deshalb suchen sie sich jemanden, der das für sie tut. Normalerweise übernimmt diesen Part ein ranghöheres Pferd in der Herde.
Fluchttiere können auch Angst vor allen Veränderungen ihrer gewohnten Umgebung haben. Da genügt schon ein Stapel Baumstämme im Wald, der dort beim letzten Mal noch nicht war. Manche Pferde haben dann soviel Angst, daß sie sich an so einem Holzstapel überhaupt nicht vorbei trauen.
Wenn ein Pferd sich verweigert, tut es das selten aus Unwilligkeit oder gar Bosheit, häufig jedoch aus Angst.
Haben wir unser Pferd aus der Herde herausgeholt, müssen wir die Funktion des Aufpassers übernehmen, wenn wir wollen, daß unser Pferd sich uns anschließt und unseren Wünschen Folge leistet.
Es liegt dann bei uns, unser Pferd Schritt für Schritt, langsam und einfühlsam, aber auch konsequent an so einem bedrohlichen Holzstapel vorbeizuführen.
Tun wir das nicht, wird das Pferd seine Angst behalten. Es ist dann gezwungen, selbst eine (in seinen Augen) adäquate Entscheidung zu treffen. Vielleicht scheut es oder flieht erstmal ein Stück weit ...