Tatan

Tatan

Den kennen Sie schon aus der einleitenden Geschichte in der Rubrik "Reiten". Er war mein erstes Pferd in Deutschland, in der Nähe von Berlin. Er war mein Anfängerpferd hier zu Hause. Mit ihm hatte ich vor allem Probleme beim Putzen, Satteln und Trensen. Wegen meiner Probleme mit ihm, habe ich überhaupt erst begonnen, nach anderen, ruhigeren Wegen im Umgang mit Pferden zu suchen. Beim Reiten war er mir allerdings ein sehr guter Lehrer.

Wiedersehen nach acht Jahren

Mein vierbeiniger Reitlehrer

Anfangs als ich noch gar nicht Bescheid wußte, ging er dorthin, wo ich die Zügel hinzog. Irgendwann fand er, daß ich nun schon mehr wissen müßte, und reagierte darauf nicht mehr. Aber er hatte Recht, denn ich hatte mir damals schon einige Bücher gekauft, und darin gelesen. Also versuchte ich, zusätzlich den inneren Schenkel verstärkt anzulegen, wenn ich abwenden wollte. Das akzeptierte er als Verbesserung. Allerdings nicht lange. Wieder einige Wochen später forderte er mehr von mir. Also versuchte ich das mit der Gewichtsverlagerung nach innen, indem ich mit der inneren Hüfte nach vorn unten rutschte, wie ich gelesen hatte. Außerdem legte ich vorschriftsmäßig das äußere Bein etwas nach hinten. Das fand er gut, und wendete wieder ab. Die Innenstellung seines Kopfes lieferte ich später freiwillig nach.

Das erste Putzen

Nun zu meinen Problemen mit ihm: Das erste Mal auf diesem Reiterhof angekommen, drückte man mir eine Bürste in die Hand, und erklärte mir, wie und warum ich das Pferd putzen müsse. Also fing ich zum ersten Mal damit an, ein Pferd zu putzen und fand es schön, ihn dabei immer wieder zu streicheln. Nach und nach verschwanden alle, die vorher dabeistanden, weil sie wohl davon überzeugt waren, ich käme schon allein klar.

Nicht alle Pferde kuscheln gern

Tatan sah sich in alle Richtungen um, und sah, daß wir allein waren. Dann schnappte er zu. Ich sprang vor Schreck zwei Schritte zurück, und blieb ratlos in dieser Entfernung stehen bis Hilfe kam. Das waren ca. 100 Punkte, allerdings Minuspunkte, die ich bei Tatan in punkto Respekt sammelte. Man erklärte mir dann, daß Tatan Menschen nicht mehr so mag. Sie hatten ihn von der Trabrennbahn gekauft. Dort war er wohl nicht so gut behandelt worden...

Sich durchsetzen

Mir wurde auch erklärt, wie wichtig es ist, sich durchzusetzen, und daß ein Pferd innerhalb der ersten drei Sekunden nach seinem Vergehen bestraft werden müsse. Ein paar Mal kam man mir auch zu Hilfe und demonstrierte mir dies, wenn ich ihm zu viel durchgehen ließ.

Um ehrlich zu sein, ich hatte Schwierigkeiten damit, mich auf diese Art gegenüber dem Pferd durchzusetzen. Deshalb suchte ich überall nach Wegen und Möglichkeiten, das alles ruhiger hinzubekommen. Ich las viel, aber fand nicht viel Verwertbares. Also dauerte es sehr lange, bis ich nach und nach meinen eigenen, ruhigeren Weg fand.

Zufallserkenntnisse

Manches fand ich selbst heraus: Tatan versuchte immer zu beißen, wenn ich ihn satteln wollte. Also ließ ich ihn eines Tages vor dem Satteln einen Schritt zurücktreten, bis das Anbindeseil fast straff gespannt war. Dann konnte ich ihn problemlos satteln, denn er versuchte nicht einmal, mich zu beißen. Das fand ich interessant, denn irgendwie war mir klar, daß er nicht wissen konnte, daß das Seil nun zu kurz war. Es mußte etwas anderes sein. Irgendwann hatte ich es dann gefunden: Wenn zwei Pferde ihre Rangordnung untereinander auskämpfen, dann zieht sich am Schluß das unterlegene Pferd meist rückwärts zurück. Also hatte ich, ohne es zu wissen, durch das Zurückschicken wenigstens für einige Minuten, die Rangordnung neu festgelegt. Das reichte meistens zum Satteln und Trensen.

Man muß Pferden möglichst in ihrer Sprache gegenübertreten. Ein ganz einfaches Beispiel zeigte mir Tatan: Solange ich ihm in seiner Box noch auswich, wenn er an mir vorbei wollte, behandelte er mich respektlos. Einmal hielt ich dagegen und drückte ihn weg, so daß er diesmal um mich herumgehen mußte. Und dabei blieb ich dann.

Durch diesen kleinen Erfolg schöpfte ich Mut und ließ mir daraufhin auch sonst nichts mehr gefallen. Außerhalb solcher Situationen behandelte ich Tatan aber nach wie vor sehr nett und freundlich. So entstand nach und nach die richtige Mischung, wodurch wir immer weniger Auseinandersetzungen beim Umgang miteinander hatten.

Eines Tages sah ich, daß Tatan beim Satteln nicht nur die Ohren anlegte. Auch der Schweif war zwischen den Beinen eingeklemmt. - Er hatte Angst! Ich legte den Sattel sehr vorsichtig aber zügig auf. Sobald der Sattel lag, streichelte ich ihn kurz. Erst dann zog ich vorsichtig den Sattelgurt an. Die nächsten Male machte ich das wieder so, und sehr bald war das Satteln kaum noch ein Problem.

Was ich von Tatan also alles lernte

  • Vor allem, daß man sich doch beim Pferd durchsetzen muß. Es geht nicht ohne.

  • Aber die Art und Weise des Durchsetzens kann man selbst bestimmen.

  • Man muß bei seinen Entscheidungen bleiben, dann braucht man sie bald nicht mehr neu zu treffen.

  • Man muß die Augen offenhalten und beobachten, um Gründe für das "Fehlverhalten" des Pferdes zu finden.

  • Man muß die Ruhe bewahren. Es macht mehr Eindruck auf das Pferd, wenn ich nicht die Nerven verliere.

  • Man braucht Selbstsicherheit im Umgang mit Pferden durch Wissen (Bücher!) und Erfahrungen (Üben und beobachten!)


Ich habe sehr viel bei dir gelernt, Tatan. Dankeschön.