Wenn Sie bis hierher gelesen haben, dürfen Sie diese Überschrift ruhig schon als kleine Provokation von mir auffassen. Zum einen, weil Sie das Prinzip sicherlich schon erkannt haben: Erst einmal nach den möglichen Ursachen suchen! - Und was heißt eigentlich "Stillstehen"?
Wenn man im Stall damit beschäftigt ist - genau so wie die anderen Reiter - sein Pferd zum Reiten vorzubereiten, weiß man sehr bald, ohne hinzusehen, wer von den Pferden mitreiten wird: "Alex!! Steh doch mal still!!" - "Willi!! Jetzt hör endlich auf!!" - "Roxanaaa!! Nein!!" - usw.
Wenn man dann doch 'mal aufschaut, kann man z. B. Folgendes beobachten: Das Pferd gegenüber verlagert gerade sein Gewicht von der rechten auf die linke Seite. "Nein Paula, hör auf!!!", hört man fast zeitgleich. Mein Pferd dreht seinen Kopf nach hinten, um zu sehen, was da los ist. Das Pferd neben uns tut das Gleiche. Sofort ertönt ein "Nein, Roxana!! Jetzt reicht's aber!" neben uns. Mein Pferd und ich schauen uns fragend an und schütteln verwundert die Köpfe.
Wenn wir an einer Bushaltestelle auf den Bus warten, verlagern wir hin und wieder unser Gewicht von einem Bein auf das andere. Vielleicht machen wir sogar einen halben Schritt zur Seite. Pferde tun soetwas auch, wenn sie am Anbindeplatz stehen müssen, während wir sie putzen. Das finde ich nicht schlimm, und erlaube es meinem Pferd. So fallen schon mal 95% des Geschimpfe weg. Komischerweise steht mein Pferd - seit ich das Schimpfen weglasse - auch fast immer ruhiger als die anderen Pferde, die ständig "ermahnt" werden. Ich weiß, daß es dazu andere Meinungen gibt. - Dies ist meine Erfahrung mit der Problematik.
Manche Pferde stehen wirklich sehr unruhig, so daß man sich ernsthaft um seine Füße sorgen muß. Woran kann das liegen? Manche Reiter machen kurze, hektische Bewegungen mit der Bürste, die sie am ausgestreckten Arm halten. Manchmal knallt der Bürstenrand dabei an Knochenvorsprünge. Dabei werden viele Pferde nervös und fühlen sich unsicher. Man kann sich also selbst helfen: Dicht an das Pferd herantreten, eine Hand an's Pferd, mit der anderen Hand putzen. Dabei lange, gleichmäßige, sichere Bewegungen. Das ist dem Pferd angenehmer; es wird sich nicht mehr wehren müssen.
Wenn alle genannten Ursachen nicht zutreffen, und das Pferd trotzdem sehr unruhig ist? Dann muß man überlegen: Hat das Pferd vielleicht Angst? Vielleicht hat es schlechte Erfahrungen machen müssen und fürchtet sich jetzt. Dann benötigt man Geduld und Einfühlungsvermögen.
Auch falscher Umgang mit dem Pferd, z.B. falsche Anwendung von Leckerlis kommt als Ursache in Frage. Das muß dann erst korrigiert werden, bevor ich vom Pferd Stillstehen erwarten kann.
Ich habe Pferde kennengelernt, mit denen man kaum noch vernünftig arbeiten konnte: Beim Putzen haben sie gebissen, immer wieder "Taschenkontrollen" gemacht, gerempelt, keinen Moment stillgestanden.
Nachdem ein klares Leckerli-Konzept eingehalten wurde, besserte sich das Verhalten dieser Pferde von Tag zu Tag:
Leckerlis gab es nun nur noch zur Begrüßung auf der Koppel und zum Abschied.
Zusatzfutter nach der Arbeit aus dem Futtereimer (und nicht mehr aus der Hand).
Zur Belohnung wurden die Pferde ab nun am Mähnenansatz gekrault o.ä.
Diese Pferde hatten bald verstanden, daß es nicht mehr wahllos Futter gab. Also gaben sie auch ihre ständige Erwartungshaltung auf, standen still und hörten mit dem Beißen auf.