Jungfernflug der Donnervögel
In Manching werden 620 Eurofighter montiert
Von Bernhard Hampp
,,Das Blut geht immer zuerst dort aus, wo ich es am meisten brauche - im Hirn und in den Augen." Und damit genau das nicht passiert, steigt Christian Worning vor jedem Flug in eine ,,Anti-G-Hose", die sich mit Luft füllt und so die Adern in Rumpf und Beinen zusammengepresst. Dann steigt er hinauf zu seinem Arbeitsplatz, um den ihn wohl fast alle Militärflieger beneiden: Der Dane ist einer von zwei Testpiloten, die die IPA 3 steuern - den ersten auf deutschem Boden gefertigten Serien-Eurofighter.
Seit Ende 2000 montiert die EADS in Manching bei Ingolstadt den zweistrahligen Kampfjet, der von Deutschen, Italienern, Briten und Spaniern gemeinsam entwickelt wurde. Ein Rahmenvertrag sieht die Fertigung von 620 Flugzeugen vor; Deutschland hat 180 Eurofighter für insgesamt 11,6 Milliarden Euro bestellt. Die Flugzeugbauer hoffen auch auf Exporte in andere EU- und Nato-Länder. Derzeit laufen Gespräche mit Österreich über die Lieferung von bis zu 30 Flugzeugen.
Extrem wendig sei er, leicht zu warten, langlebig, und außerdem verfüge der Eurofighter über ein hervorragendes Steig- und Beschleunigungsvermögen - so werben die Konstrukteure für den Jet, der außerhalb Europas den Namen Typhoon tragen soll. Das Flugzeug, das speziell nach europäischen Erfordernissen konzipiert wurde, soll etwa in Gebirgsregionen erheblich leistungsfähiger sein als Vorgänger- und Konkurrenzmodelle. Wornings Job ist es, den Flieger auf Herz und Nieren zu testen: Funktioniert der Radar, wie schnell wird Überschallgeschwindigkeit erreicht, wie verhalt sich der Eurofighter in extremer Höhe? Die Testszenarien, die dem Piloten all diese Extremsituationen vorschreiben, hat zuvor ein Ingenieur zusammengestellt. Der sitzt während aller Flüge in einem Telemetrie-Raum am Boden, wo sämtliche Steuerbefehle und bis zu 30 000 weitere Daten einlaufen.
Für das Fliegen begeisterte sich Worning bei einer Informationsveranstaltung der dänischen Luftwaffe, an der er teilgenommen hatte, um einen Tag schulfrei zu bekommen. ,,Meine Mutter wollte, dass ich Ingenieur werde, und schlug die Hände über dem Kopf zusammen, als ich ihr von meinem Berufswunsch erzahlte", erinnert sich der Pilot. Nach zehn Jahren bei der dänischen Luftwaffe absolvierte Worning in England eine Ausbildung zum Testpiloten. Als 1990, wie er sich ausdrückt, "Frieden ausbrach" und die Dänen ihn nicht mehr brauchen konnten, wurde er Testpilot bei Fairchild Dornier
in Oberpfaffenhofen und steuerte fortan Verkehrsflugzeuge mit Küche und Badezimmer. Doch es zog ihn wieder hin zu den schnellen Militärflugzeugen und so wechselte er 1995 nach Manching, wo er F-4- und Tornado-Maschinen testete.
Einmal ist ihm über der Nordsee die Klimaanlage ausgefallen. ,,Es wurde höllisch heiß, ich konnte den Steuerknüppel kaum noch halten und war drauf und dran, die Haube abzusprengen", sagt Worning, der es schließlich doch heil bis Jever schaffte. Auch beim Eurofighter muss er immer darauf vorbereitet sein, dass ein Triebwerk ausfällt und eine Notlandung nötig wird.
Wenn Worning und sein Kollege alles getestet haben, sollen im Herbst die ersten Serienmaschinen ausgeliefert werden. Dann werden die Fluglehrer des Jagdgeschwaders Laage bei Rostock in Manching antreten, um das Fliegen im Eurofighter zu lernen. Für Manching und die 220 dort Beschäftigten bedeutet der
Jet ein sicheres Auskommen für die nächsten Jahre. Im Moment werden die Rumpfmittelteile der Flugzeuge bestückt und alle deutschen Maschinen endgefertigt. Von 2004 an soll die Produktion mit 13 Flugzeugen pro Jahr auf Hochtouren laufen. Derzeit in Bau ist ein Systemunterstützungszentrum, in dem sich 500 Beschäftigte um die Wartung der Eurofighter kümmern werden.
Man sieht Worning den Stolz an, wenn er die ungewohnte Beschleunigung und die leichte Bedienbarkeit lobt. Wo Flugzeuge älteren Typs Dutzende von Armaturen gehabt hätten, sei beim Eurofighter ein Computer, der sich per Mausklick bedienen lasse. Angetan hat es dem Testpiloten aber vor allem die Spracherkennung, die aus seinem Flieger "so was wie einen Kumpel" macht: ,,Wenn ich 'Contents' sage, antwortet mir der Eurofighter, wie viel Sprit ich noch habe."
Erschienen in Süddeutsche Zeitung, 14. 5. 2002