Ein Tummelplatz nicht nur für Hexen
Noch heute erzählen Befestigungswälle auf dem Berg bei Bopfingen vom mächtigen Keltenfürsten
Von Bernhard Hampp
Bopfingen - Gipfelglück fast ohne Anstrengung? Der Ipf bei Bopfingen macht’s möglich. Ganze 668 Meter hoch, bietet er dennoch atemberaubende Aussichten: Auf den kreisrunden Rieskrater mit 24 Kilometern Durchmesser, den vor 14,6 Millionen Jahren ein Meteoriteneinschlag schuf. Auf das verwunschene Barockschloss Baldern, das kurvige Flüsschen Sechta und den mittelfränkischen Hesselberg. Kaum ein Ort kann so viel von Geschichte, Natur und altem Volksglauben erzählen wie der östlichste Berg der Schwäbischen Alb. Und ein bisschen Magie ist immer dabei.
Flach wie ein Pudding, der aus der Form geraten ist, liegt der fast baumlose Solitär in der Landschaft. Mehrere Ringwälle ziehen sich um den Gipfel. Ortsfremde halten den platten Ipf mitunter für eine Halde aus Weltkriegsschutt. Der Glaube an einen erloschenen Vulkan war lange verbreitet. Ob der Ipf zu Urzeiten eine antike Sternwarte war, ist eine von vielen Spekulationen. Sicher ist: Der Berg hat seine charakteristische Form vom Menschen erhalten und war im 6. und 5. Jahrhundert vor Christus Sitz eines mächtigen Keltenfürsten.
Beim Wanderparkplatz an der Ostseite entsteht gerade ein Freilichtmuseum, das mit Befestigungsmauer, Toranlage und Hofgebäuden einen Eindruck der jüngsten archäologischen Ausgrabungen vermitteln soll. „Es gab hier sehr wahrscheinlich mächtige Einzelpersonen, also Fürsten, die Familienclans um sich geschart hatten“, sagt Rüdiger Krause, Professor für Vor- und Frühgeschichte aus Frankfurt. Krause forscht seit Jahren am Ipf. Weil hier zahllose Scherben von feinsten griechischen Amphoren, Schalen und Trinkgefäßen gefunden wurden, geht er davon aus, dass der Keltenherrscher Handelsbeziehungen über die Alpen hinweg nach Oberitalien unterhielt.
Knorrig verwachsene Linden flankieren den Pfad zu Gipfel. Die Bopfinger pflanzten sie einst zu Ehren König Friedrichs I. von Württemberg. Der Monarch hatte den Berg 1811 bestiegen, kurz nachdem er die alte Reichsstadt Bopfingen in einem Gebietstausch von Bayern erhalten hatte. Kinder entdecken es sofort: Die Baum-Originale mit ihren weit ausladenden Ästen sind zum Klettern ideal.
Den Weg auf den Ipf nahmen die Bopfinger im Mittelalter jeden Ostermontag auf sich. Die feierliche Prozession endete stets einem Tanz auf dem Gipfelplateau. Möglicherweise ist dieser Brauch ein Vorläufer der Ipfmesse, die auf Geheiß König Friedrichs 1812 zum ersten Mal gefeiert wurde. Anfangs bauten die Händler und Schausteller ihre Buden auf dem Gipfel auf. Seit etwa 1838 findet der Jahrmarkt am Fuß des Berges statt. Dort hat er sich bis heute zu einem der größten Volksfeste Württembergs gemausert.
Esoteriker preisen den Ipf als Kraftort. Selbst ernannte Hexen sollen hier schon in den Siebzigerjahren getanzt haben. Zumindest eine Berghexe gibt es ganz sicher. Die Berghexe, Chazara briseis, ist ein dunkelbraun gefleckter, stark bedrohter Schmetterling. „Als Raupe frisst sie den Schaf-Schwingel, ein Süßgras, das es auf dem Ipf reichlich gibt“, erklärt Biologe Martin Weiß. Er warnt vor der Unsitte vieler Ipfbesucher, auf den Ringwällen mit flachen Steinen Schriftzüge zu legen. Das stört das sensible Ökosystem Magerrasen. Hier kommen bis zu 80 Pflanzenarten vor, darunter Kuhschelle, Katzenpfötchen, und echte Mondraute.
Wer den Ipf erwandert, begegnet vielleicht Thomas Kitzinger mit seiner Herde. Seine Schafe und Ziegen beweiden die Hänge und halten so die Heide frei. Oder er trifft Paul Regele mit seinen eleganten Flugapparaten aus Balsaholz. Mehrere tausend Mal ist der heute 83-Jährige in seinem Leben auf den Ipf gestiegen und noch immer begeistert ihn der Modellsegelflug. Kindern erklärt er gerne alles zu Thermik und Technik und lässt seine Flugzeuge Loopings vollführen und trudeln. Der Ipf ist für Modellflugzeuge bis fünf Kilo ohne Antrieb zugelassen. Die Erlaubnis kostet einen Euro pro Tag und ist im Bopfinger Geschäft „Spielkit“ erhältlich.
Wer die 99 Dörfer und Städte gezählt hat, die vom Gipfel aus zu sehen sind, kann auf einem geologisch-historischen Pfad den Berg umrunden. Oder er erfährt im Seelhausmuseum in der Bopfinger Altstadt mehr über die Kelten. Wanderer machen einen Abstecher zum nahen Goldberg, der in der Steinzeit mehrfach besiedelt war. Nur wenige Kilometer entfernt ist das mittelalterliche Nördlingen mit seiner rundum begehbaren Stadtmauer, dem Rieskratermuseum und dem Bayerischen Eisenbahnmuseum. Der Schwäbische-Alb-Nordrandweg – einer der schönsten Weitwanderwege Deutschlands – führt ebenfalls durch Bopfingen.
INFOKASTEN: Der Ipf-Parkplatz liegt an der Landesstraße 1078 zwischen Bopfingen und Kirchheim am Ries. Bopfingen ist über die Autobahn A-7, Anschlussstelle Aalen/Westhausen und die B 29 erreichbar.
Erschienen in Schwäbische Zeitung, 31. Juli 2013.