Von bösen Geistern und schönen Frauen
Schloss Baldern hat eine bewegte Geschichte, die für Besucher noch einmal lebendig wird
Anderswo haust ein Schlossgespenst – auf Schloss Hohenbaldern soll es gleich 13 böse Geister gegeben haben. Am 16. April 1735, so erzählen alte Bücher, gelang es dem Exorzisten und Kapuzinerpater Guido, den Spuk auszutreiben. Der Schlossherr, ein Graf von Oettingen-Baldern, soll sogar einen Geist beim Entfleuchen erspäht haben.
Schloss Baldern, eines der schönsten Schlossgemäuer der Region, steckt voller Geschichten. Schon der Aufstieg zum 628 Meter hoch gelegenen Felsen ist wie ein Gang in die Märchenwelt. Ringförmige Grundmauern erinnern noch an die trutzige Burg, die vor mehr als 800 Jahren hier stand. Seine heute prägende barocke Gestalt erhielt der Bau im 18. Jahrhundert, den dunklen, verschnörkelten Turm erst 1887.
Wo Schlossbesucher heute ihre Autos abstellen, lebte um 1900 der französische Gärtner Nicolas Bourgin. Er war vor den Wirren der Revolution von seinem burgundischen Weingut nach Schwaben geflüchtet. Auffällig oft lustwandelte der damalige Erbprinz Ludwig Kraft Ernst in den Gärten rund um Baldern: Er liebte die Gärtnerstochter Crescentia. Seine fürstlichen Eltern jedoch verboten ihm die Liaison und enterbten ihn gar, als er sie 1823 heiratete. Dem bayerischen König Ludwig I. jedoch war der arme Ludwig Kraft Ernst sympathisch: Er setzte ihn wieder ein und verhalf ihm zu einer Karriere als Innenminister. Das Porträt der hübschen Crescentia hängt noch heute in der Schönheitsgalerie im Münchner Schloss Nymphenburg.
Zum Burgberg hinauf stiegen aber auch Generationen von Kindern aus dem Dorf Baldern: Sie drückten im Schlossgemäuer die Schulbank. Bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts nutzte die Familie zu Oettingen-Wallerstein Baldern als Jagdschloss. Gläubige aus Baldern feierten in der Schlosskapelle bis in die Siebzigerjahre den Sonntagsgottesdienst „Auf Baldern wurde gelebt und gestorben, hier gab es immer Menschen“, erklärt Carmen Herrmann ihre Faszination für das Schloss, während sie das schwere, schmiedeeiserne Gitter zum inneren Hof aufsperrt. Gemeinsam mit Beate Lorenz ist sie im Auftrag des Fürstlichen Hauses Oettingen-Wallerstein für den täglichen Betrieb und die Veranstaltunge nauf Schloss Baldern zuständig.
Manchmal verwandelt sich Carmen Herrmann auch in eine barocke Gräfin und führt Gäste zu besonderen Anlässen stilecht durch die Residenz, die Franz und Gabriel de Gabrieli aus Eichstätt zwischen 1721 und 1737 barock gestalteten. „Im Barock herrschte mehr Schein als Sein“, sagt Beate Lorenz: Doch der Schein beeindruckt noch heute: Gelber Salon, roter Salon, grüner Salon, Leuchter aus Meißener Porzellan, antike Gesellschaftsspiele, ein Gobelintisch, Fayencen-Öfen aus dem 18. Jahrhundert, Holzvertäfelungen an der Decke, ein feudaler Speisesaal. Herzstück des Hohen Hauses ist der Festsaal, in dem unter anderem die Konzerte der Rosetti-Festtage stattfinden. Er ist 22 Meter lang, elf Meter hoch und sieben Meter breit. Das Stuckrelief an der Decke zeigt den „Bauplan der Welt“ mit Kontinenten und Weltreichen. Die Aussicht vom Saal reicht ins Ries und bis zum Hesselberg.
Etwa ein Drittel der Räume sind als Museum genutzt oder mietbar. Beeindruckend für alle Besucher sind die Waffenkammern: 800 Schwerter, Rüstungen und Harnische, Armbrüste, Kanonen, Musketen und Gewehre, die die Grafen von Oettingen-Baldern, später die Fürsten von Oettingen Wallerstein, im Laufe der Jahrhunderte zusammentrugen, ergeben eine der größten privaten Waffensammlungen Süddeutschlands. Jährlich vor Saisonbeginn polieren Helfer die guten Stücke auf Hochglanz.
In eine ganz andere Welt tauchen die Teilnehmer der Küchenführung ein: Sie ist immer samstags um 14 Uhr oder nach Anmeldung. Hier geht es zu Zofen, Diener und Domestiken, im wahrsten Sinne des Wortes hinter die Kulissen. Denn die Diener bewegten sich unsichtbar in engen Räumen zwischen den Wänden, in die nur niedrige, versteckte, oft tapezierte Durchgänge führten. Aus diesen Verschlägen beheizten sie die Kachelöfen, trugen die herrschaftlichen Nachttöpfe ab und die Speisen auf. „Im Barock wurden Unmengen gegessen“, sagt Beate Lorenz, die während der Küchenführung als Kammerzofe gewandet ist. Kamen Gäste, so wurden 16 Gänge angerichtet, sonst waren acht Gänge üblich. In der liebevoll eingerichteten Schlossküche ist noch eine Menükarte von 1749 erhalten: Kohlrüben mit Hammelfleisch, Schwarzwildbret, Lungenbraten, Rehrücken, Ente, Kalbs-Krös und Gänsefüße kamen auf die herrschaftliche Tafel.
Eine Sonderführung gibt es jährlich am Internationalen Museumstag im Mai: Mehr als 30 Räume, die sonst nicht gezeigt werden, sind dann zu erleben - etwa die Bibliotheksräume mit gotischem Spitzgewölbe. Ganz neu im Programm ist die Kinderführung, die das bestehende Programm für die Kleinen ergänzt: Dafür sind eigens Kinderzimmer im Stil der Barockzeit eingerichtet. Warum nicht einmal auf Schloss Baldern märchenhaft Kindergeburtstag feiern?
INFO:
Viele Sprichwörter stammen aus dem Mittelalter. Auf ihren Schlossführungen erklären Carmen Herrmann und Beate Lorenz anhand der Exponate, wie Redewendungen entstanden sind.
„Der Schuss geht nach hinten los.“
Wurde eine Radschlosswaffe mit Schwarzpulver überladen, so explodierte sie – der Schuss ging nach hinten los. Für die richtige Dosierung trugen die Schützen hölzerne Pulverflaschen, die sogenannten zwölf Apostel, am Gürtel.
"Er hat Lunte gerochen.“
Eine glimmende Lunte entzündete bei den Luntenschlossgewehren über ein Zündloch die Ladung im Lauf. Der starke Geruch von Schwefel, in den die Lunte dafür getaucht werden musste, warnte Feinde mitunter: Sie rochen Lunte.
„Ich will einen Blick riskieren.“
Die gepanzerte Harnische schützten die alten Ritter, schränkten mit den schmalen Sehschlitzen allerdings auch das Sichtfeld ein. Öffnete ein Ritter sein Visier, um besser zu sehen, so riskierte er den Schutz vor feindlichen Angriffen.
„Alles in Butter“
Zogen frühere Adelige von der Winter- in die Sommerresidenz um, so nahmen sie oft Mobiliar und Einrichtungsgegenstände mit. Zerbrechliches wurde dabei besonders geschützt: Man bettete es in Butter. Was „in Butter“ war, dem passierte nichts.
Text und Fotos: Bernhard Hampp
Erschienen in "Daheim am Ipf", Frühjahr 2013