Lenny lässt die Puppen tanzen
Von Bernhard Hampp
Die Arena brodelt. Auf einmal wummert Richard Strauss´ „Also sprach Zarathustra" aus den Boxen. Dann fällt der Vorhang. „I am the minister of Rock´n Roll" kreischt der Großmeister den über 10.000 Zuhörern in ohrenbetäubender Lautstärke entgegen. Dann legt Lenny Kravitz erst einmal in Ruhe seinen schwarzroten Mantel ab, bevor er richtig loslegt.
In Benidorm gaben der New Yorker Musiker und seine Band „Electric Church" das erste von vier Konzerten in Spanien. Ihre Europa-Tournee, steht unter dem Motto „One night only". 100.000 Watt in den Verstärkerboxen und 300.000 Watt in der Lichtanlage sorgten dafür, dass die Fans, die bis aus Nordspanien angereist waren, in dieser Nacht richtig in Fahrt kamen. Der Mann, der die Rockmusik der 90er Jahre geprägt hat wie kaum ein zweiter und vor fünfzehn Jahren als „singender Wischmob" die Frisurennachfolge von Bob Marley und Terence Trent D´Arby angetreten hatte, präsentierte sich mit voluminöser Sonnenbrille, schwarzem Anzug, purpurroter Stola und Kurzhaarschnitt.
„Baptism" - Taufe - heißt Kravitz´ aktuelles, siebtes Album, mit dessen Titeln der mittlerweile 41-Jährige die erste Hälfte des Konzertes bestritt. Wenig Elektrik, aber viel Kirche - so hörte sich das zunächst an. „Es gibt nur einen Grund, warum ich heute hier bin: das Leben", sprach der Papst des alternativen Psychedelic Rock zu seinen Schäfchen, die einfach nicht stillhalten konnten, wenn Lenny Kravitz unverwechselbahre Röhre kreischte und er seiner Fender Stratocaster stramme Riffs entlockte. Vor allem eines boten „Electric Church" den Zuhörern: Viel, viel Soul. Dafür sorgten nicht nur die Horns und die Hammondorgel sondern auch das herzige Background-Trio.
Richtig zum zappeln brachte Kravitz die Menge mit seinen älteren Hits, die längst als Klassiker in die Rockgeschichte eingegangen sind. „And my mama said ?" johlten die Fans den Refrain von „Always on the Run" mit. „American Woman", „Fly away" und „Let love rule", „It ain´t over till it´s over" und „Are you gonna go my Way" taten ein Übriges. Bemerkenswert - und ein Blickfang obendrein - die Schlagzeugerin Cindy Black, die sich im ultraknappen Glitzerbikini die Seele aus dem Leib trommelte.
Der gläubige Neohippie Kravitz, der Songs für Megastars wie Madonna und P. Diddy geschrieben hat, bewegte sich weniger als in früheren Konzerten. Dafür fiel er in seinen Ansagen und seinen Songs immer wieder auf seine Botschaft von der Liebe und Hoffnung zurück. Und als er die schaurig-schöne Ballade „Stand by my Woman" schnurrte, wollte zumindest die Hälfte des Publikums den netten schwarz gekleideten Herrn auf der Bühne gerne knuddeln. Der fast ein bisschen zu nett war für die Stierkampfarena von Benidorm.
Erschienen in Costa Blanca Rundschau, Juni 2005