"Ich provoziere, um die Leute wachzurütteln"
Air-Berlin-Chef Joachim Hunold im Interview
Von Bernhard Hampp
Lief das Geschäft 2003 gut?
Nein. Im Pauschalreisebereich gab es einen Einbruch. Die Reiseveranstalter haben nicht die Zahlen gebracht, die sie vorgesehen hatten. Durch den Irak-Krieg sind in der Hauptbuchungsphase Januar bis März die Buchungen eingebrochen. Das Ostergeschäft lief schlecht, und wir hatten im Mai und Juni 35 Millionen Euro weniger Umsatz im Pauschalgeschäft. Dazu kam die chaotische deutsche Ferienordnung. Statt in einem Spielraum von 90 Tagen, haben die größten Bundesländer nun alle gleichzeitig Ferien. Der Schaden für die Tourismusindustrie in Deutschland wie Mallorca ist immens.
War es auch für den Mallorca- Verkehr ein schwarzes Jahr?
Im Gegenteil. Bis Ende September waren wir bei den Mallorca- Flügen mit 50 Prozent im Plus. Das lag am gestiegenen Nur-Flug- Verkauf. Wir haben unser Drehkreuz Palma, das wir im vergangenen Winter aufgebaut haben, im Sommer weiter durchgezogen. Nach dem erfolgreichen Vorbild Mallorca haben wir letztes Jahr den City-Shuttle gestartet, der europäische Metropolen miteinander verbindet. Das Konzept hat Erfolg: London ist dadurch inzwischen unsere zweitwichtigste Destination nach Mallorca geworden.
Wie passt es zusammen, wenn einerseits weniger Winter-Urlauber auf Mallorca erwartet werden, Air Berlin aber andererseits den Winterflugplan massiv ausbaut?
Wir bauen auf die Erfahrung aus dem letzten Winter, als wir das Drehkreuz aus fünf verschiedenen Abflughäfen in Deutschland eingeführt haben. Die Auslastung war so hoch, dass wir teilweise nicht genügend Angebote für Mallorca selbst hatten. Deshalb weiten wir die Kapazitäten jetzt aus. Wir glauben nach wie vor an Mallorca und sind der Meinung: Wenn das Angebot da ist, werden auch die Touristen wieder kommen.
Wer beschert Ihnen die hohen Zuwächse? Die Residenten?
Ja, in erster Linie sind es die Residenten. Aber auch Individualkunden, die sich ihren Flug und ihr Hotel getrennt buchen, sind stark im Kommen. Außerdem haben wir viele spanische Fluggäste. Auf den innerspanischen Strecken sind es mittlerweile 40 Prozent, auf den Strecken nach Deutschland 30 Prozent.
Wird sich Air Berlin langfristig aus dem momentan so unrentablen Pauschalgeschäft zurückziehen?
Das Pauschalreisegeschäft wird für uns immer ein wesentliches Standbein bleiben. Aber die Planung ist schwieriger geworden. Man kann Kapazitätsschwankungen wie in diesem Jahr nicht laufend abfangen. Im Individualbereich sehen wir mit Sicherheit die größeren Wachstumschancen.
Sie mischen sich gerne persönlich in die Inselpolitik ein …
Ich habe mich nie eingemischt, sondern mich als Unternehmer zur Politik geäußert. Was die Vorgängerregierung an Schaden für Mallorca angerichtet hat, das ist gar nicht mehr messbar. Sie glauben gar nicht, was wir in Deutschland arbeiten müssen, um das Image Mallorcas wieder aufzupäppeln. Der Regierungswechsel war ein Segen für uns. Wir hatten vor ein paar Tagen ein sehr konstruktives Gespräch mit der neuen Regierung. Sie hat schnell die neuen Signale ausgesendet, die sagen: Für uns ist der Tourismus der wichtigste Wirtschaftsfaktor, den es zu stärken gilt.
Hat der Massentourismus nicht auch seine Grenzen?
Natürlich muss Tourismus mit Augenmaß und umweltverträglich betrieben werden. Mit den Steuergeldern, die der Tourismus bringt, sollte es aber jedem Staat möglich sein, Umweltschutz zu praktizieren. Es ist doch irrsinnig zu sagen, wir wollen keinen Massentourismus mehr, sondern nur noch vermögende Kurzurlauber. Erst durch Massentourismus wird es möglich, Flugfrequenzen zu schaffen, die dann auch Kurzurlaub ermöglichen.
In Ihrem Bordmagazin beziehen Sie ganz unverblümt politisch Stellung gegen rot-grüne Politiker.
Ich habe als Unternehmer die Verantwortung für viele Arbeitsplätze. Da sage ich meine Meinung, wenn mich politische Rahmenbedingungen stören. Natürlich muss ich provozieren, um Leute wachzurütteln. Auf meine provokativen Editorials bekomme ich viele Zuschriften, 95 Prozent davon sind zustimmend.
Warum gibt es bei Air Berlin keinen Betriebsrat?
Weil sich unsere Mitarbeiter keinen Betriebsrat wünschen. Das ist das positivste Feedback, das man als Unternehmer bekommen kann. Wir versuchen die berechtigten Belange der Mitarbeiter schon im Vorfeld abzufangen. Wir waren das einzige Unternehmen, das in den letzten Jahren regelmäßig Gehaltserhöhungen und Bonuszahlungen geleistet hat. Und wir sind die Einzigen, die Leute einstellen. Wenn wir dann im Vergleich mit anderen Wettbewerbern immer die besten Servicenoten bekommen, dann spricht das eindeutig gegen Betriebsrat und Gewerkschaften.
Von Ihnen stammt der Satz, Sie stellten am liebsten Friseurinnen als Stewardessen ein.
Stellen Sie sich vor, jemand arbeitet in einer 1.000-Seelen-Gemeinde als Friseurin und hat nun die Chance, in die weite Welt hinauszukommen: Das ist ein sozialer Aufstieg. Für uns ist es wichtig, dass der Dienstleistungsgedanke an oberster Stelle steht. Das erreicht man am besten mit Leuten, die schon in einem Dienstleistungsberuf wie dem der Friseurin tätig waren.
Was fasziniert Sie an Mallorca?
Zunächst die Vielfalt der Insel. Aber entscheidend ist: Ich bin in der Lage, jederzeit nach Mallorca zu fliegen und jederzeit wegzufliegen, wenn es die Termine erfordern. Diese Flexibilität und Freiheit habe ich bei kaum einer anderen Urlaubsdestination.
Erschienen in Mallorca Zeitung Nr. 179, 41. Woche 2003