Ein Idyll, in dem einst Bergleute schufteten
Von Bernhard Hampp
BOPFINGEN-MICHELFELD - Wäre Rudolf Deger nicht, so sähe man wenig von Michelfelds Bergbauvergangenheit. Dabei verdienten hier in einem Waldstück um 1844 mehr als 40 Bergleute ihr Brot mit dem Bohnerz-Abbau. In jahrelanger, mühsamer Arbeit hat Landschaftspfleger Deger die ehemaligen Erzgruben freigelegt.
Es sind mehr als fünfzehn kleinere und größere Tümpel, zwischen denen sich Deger mit schlafwandlerischer Sicherheit bewegt. Er kraxelt durch das Dickicht und über Hecken-äste, die er selbst mit Motorsäge und Freischneider von den Tümpelufern entfernt hat. Als der ausgebildete Forstwirt 1996 im Dienst des Naturschutzbeauftragten Werner Vonhoff mit seiner Aufgabe begann, war hier alles mit Schlehenbüschen und jungen Fichten zugewuchert. „So, wie es jetzt aussieht, ist es meine Handschrift“, sagt Deger.
Jetzt ist es eine lichte Teichlandschaft, in der Buschwindröschen und das Vergissnichtmein – der große Bruder des Vergissmeinnicht – blühen. „Hier hinten suhlt sich jeden Morgen eine Wildsau“ – Deger deutet auf einen schattig-schwarzen Tümpel. In einer Grube wächst die seltene Wasserpflanze Krebsschere, in einer anderen steht ein Wacholderbusch im Wasser.
Ergiebige Erzgruben
Wer den idyllischen Ort betritt, kann sich schwer vorstellen, wie betriebsam es hier einst zuging. Ende des 18. Jahrhunderts begann zwischen Michelfeld, Oberriffingen und Dorfmerkingen die systematische Suche nach Bohnerz. Diese bohnenförmigen Brauneisenstein-Kugeln mit einem Eisengehalt von bis zu 40 Prozent hatten zuvor bereits Kelten, Römern und Alemannen abgebaut. Aus den Michelfelder Erzgruben, auch Pingen genannt, klopften die Bergleute unter Aufsicht der Schwäbischen Hüttenwerke Wasseralfingen das Bohnerz. Um 1844 gab es hier einen Steiger, zwei Untersteiger sowie 38 Bergleute und Tagelöhner. Die Gruben bei Michelfeld gehörten mit den Nattheimer Bohnerzgruben zu den ergiebigsten der Schwäbischen Alb.
Alleine von 1867 bis 1871 förderten die Michelfelder Kumpel 69352 Zentner Bohnerz zur Verhüttung in Wasseralfingen. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts war dann Schluss mit der Erzgewinnung auf dem Härtsfeld. Die Erzgruben bei Michelfeld wucherten zu und gerieten in Vergessenheit.
Ein idealer Ort für ein Biotop, findet Deger, der nach 15 Jahren Landschaftspflege nun aus Altersgründen aufhört. Die Bohnerzgruben will er aber weiter beobachten: „Das habe ich mir beim Abschied ausbedungen“, sagt er und fügt an: „Es soll kein Garten werden, sondern Natur bleiben.“
Ab und zu findet auch Deger noch erbsengroße, schokoladenbraune Bohnerzstücke. Aber auch Gänse und Stockenten hat er gesichtet, sogar Waldwasserläufer, die als Zuggäste hier Station machten. „Die lieben die Ruhe hier“; sagt er. Deswegen ist er froh, dass die Bohnerzgruben, bei aller neu gewonnenen Attraktivität, kein Massenziel, sondern ein „Ort für Eingeweihte“ sind.
Erschienen in Ipf- und Jagst- Zeitung / Aalener Nachrichten, 2010