Claudio Nathan, Dinosaurierskelettverleiher
Der argentinische Marketing-Fachmann und Event-Organisator hat deutsche und österreichische Wurzeln
Von Bernhard Hampp
Auf die Frage, ob er ein Dinosaurier- Experte sei, schmunzelt Claudio Nathan. Inzwischen schon. Denn eigentlich ist der Argentinier Marketing-Fachmann. Seine Firma organisiert normalerweise Verkaufsaktionen zu Muttertag, Weihnachten oder Schulbeginn in den großen Einkaufszentren Europas. Doch vor einigen Jahren kam Nathan auf den Dreh mit den Dinos: Das frühgeschichtliche Museum „Egidio Feruglio“ im südargentinischen Trelew suchte in Zeiten knapper Zuwendungen nach neuen Einkommensquellen. Nathan schlug ihnen vor, ihre spektakulärsten Exponate auf Europa-Tour zu schicken, und die Museumsleitung willigte ein.
Jetzt reisen die lebensgroßen Kunststoffrepliken von zehn Dinosaurierskeletten bereits seit zwei Jahren durch Spanien. Für rund 120.000 Euro können Gemeinden, Einkaufszentren oder Kultureinrichtungen sie ausleihen. Alicantes ehemalige Fischmarkthalle ist die dreizehnte Station der Tournee. Dort ist die wissenschaftlich fundierte Schau mit den Riesenechsen bis zum 15. März zu besichtigen.
Eines der Prachtstücke der Sammlung ist der Giganotosaurus. Er misst vom Kopf bis zum Schwanz imposante vierzehn Meter. „Dieses Tier war trotzdem erstaunlich wendig“, sagt Mónica Kudrnac von der Museumsleitung, die die Ausstellung wissenschaftlich betreut. Ebenso einzigartig und typisch für den südlichen Zipfel des südamerikanischen Kontinents ist auch der Carnotaurus. An der Echse, die vor 75 Millionen Jahren gelebt hat, fallen besonders die beiden Hörner auf. Den Altersrekord stellt der Eoraptor auf – ein Dinosaurier aus der Trias-Periode vor rund 230 Millionen Jahren.
Die Skelette, deren Originale in Trelew verblieben sind, zeichnen sich durch Detailgenauigkeit aus. Denn während andere Dino-Gerippe anhand von einzelnen Knochenfunden rekonstruiert werden mussten, wurden in Patagonien fast vollständig erhaltene Skelette gefunden. „Das liegt an der besonderen Beschaffenheit der Gesteinsplatten in diesem Teil der Welt“, sagt Kudrnac. Die wissenschaftliche Aufbereitung macht die Ausstellung für Kinder wie Erwachsene gleichermaßen interessant.
Ebenso interessant ist die Lebensgeschichte von Claudio Nathan selbst. Er spricht perfekt Deutsch, denn seine Mutter stammt aus Wien, der Vater aus Frankfurt. Beide wurden als Juden in den dreißiger Jahren von den Nazis zur Auswanderung gezwungen. Den Vater verschlug es über Holland nach Paraguay, wo er die Mutter kennen lernte, die ihrerseits über Frankreich in das lateinamerikanische Land gekommen war. Später siedelte die Familie nach Buenos Aires um, wo Claudio Nathan als jüngster Sohn geboren wurde. „Bei uns zu Hause wurde Deutsch gesprochen“, sagt Nathan, der sich an ein blühendes Leben der deutschsprachigen jüdischen Gemeinde in Argentiniens Hauptstadt erinnern kann.
Wien , die Heimat der Mutter, kannte Nathan zunächst nur aus den Erzählungen seiner Großmutter. „Als ich die Stadt mit 30 Jahren zum ersten Mal besuchte, die Hofburg und den Stephansdom sah, war es, als würde mich meine Großmutter an der Hand führen“, sagt er. Auch die Mutter sah die alte Heimat bei dieser Gelegenheit zum ersten Mal wieder. „Für sie“, meint Nathan, „war es ein sehr anrührendes Erlebnis.“
Gegen die Deutschen und Österreicher, die seine Eltern damals aus Europa vertrieben haben, hegt er keinen Groll. Im Gegenteil: „Ich freue mich immer, wenn ich Deutsch sprechen kann, denn in der Familie bin ich der Letzte, der diese Sprache noch beherrscht.“ Die Sprachkenntnisse kamen ihm auch bei Verhandlungen mit dem Naturhistorischen Museum in Berlin zugute. Dort soll die große Dinosaurier-Ausstellung, wenn alles glatt geht, 2007 zu sehen sein.
Erschienen in Costa Blanca Rundschau Nr. 57/Woche 08/2006