Die Männer fürs Grobe
Mit dem Umwelt-Schiff der Balearenregierung auf Müllfang
Von Bernhard Hampp
„Carlos! Da schwimmt etwas!“ Ricardo entgeht nichts. Der Kapitän hat ja auch einen beschichtete Spezialsonnenbrille auf. Auf die ist er besonders stolz. Sie nimmt dem Meer nämlich jede Spiegelung. Jetzt drosselt Ricardo die Geschwindigkeit von vier auf zwei Knoten. Matrose Carlos hastet vor zum Bug und beugt sich weit über die Reling. Schon hat er die Beute im Kescher: eine Plastiktüte. „Muy bien.“ Ricardo nickt zufrieden und macht einen Strich auf seiner Liste. Rund 40 Objekte hat das Zweiterteam heute schon aus dem Meer gefischt. Hauptsächlich waren es Plastiktüten, aber auch Flaschen waren dabei, Glasscherben, ein toter Vogel, ein Wasserball und sogar ein Baumstamm. An manchen Tagen sind es bis zu anderthalb Kubikmeter Müll, die in den schwimmenden Container wandern.
Die 14 Jahre alte „Pelican“ ist das größte von insgesamt 37 Booten, die in diesem Sommer vor den Küsten Mallorcas für sauberes Wasser sorgen. Sie ist 9 Tonnen schwer, 10,5 Meter lang und 6 Knoten schnell. Ricardo und Carlos haben ihr Revier vor Palma, das heißt vom Cap Enderrocat bis Portals Vells. Von Juni bis September fahren sie täglich vier Seemeilen hinaus. 4 Millionen Euro lassen sich das balearische Umweltministerium und das Tourismusministerium die Säuberungsaktion kosten. Sie wissen um die fatalen Folgen, die angeschwemmter Plastikmüll an einem der 272 Strände der Balearen hätte: verärgerte Urlauber, erboste Hoteliers, leere Kassen.
Ricardo und Carlos sind erst seit ein paar Wochen unterwegs, aber sie wissen schon, wo sie fündig werden. Bei Südwind wird der Müll eher an die Playa de Palma getrieben, bei Nordwind Richtung Cala Major. Es sind immer die gleichen Stellen, an denen es etwas zu fischen gibt. Zum Beispiel die Kanalabfl üsse vor Cala Gamba und dem östlichen Ende von Arenal. „Jetzt nähern wir uns wieder einer solchen Stelle“, sagt Carlos und deutet auf sein GPS-Gerät. Besonders mittags treibt das Plastik oben. Jetzt ist es noch früh, das Wasser kalt. Aber Ricardo hat ja seine Spezialbrille. Da hat wieder ein rücksichtsloser Yachtkapitän seinen Abfalleimer einfach ins Wasser geleert. Wenn es zu viel Müll für Carlos‘ Kescher ist, senkt Ricardo den Bug ab, öffnet ihn wie eine Zange 5 Meter weit. Der Abfall wird dann eingesaugt.
Alle Müll-Boote, die im Einsatz sind, werden von einem Kontrollzentrum im balearischen Umweltministerium überwacht. Die Behörde hat auch ein eigenes Kleinfl ugzeug, das an den Küsten Patrouille fl iegt. Wenn der Pilot eine größere Müllansammlung entdeckt, schickt die Zentrale ein Boot los.
Für den Hafen und die Strände ist in Palma ein Deutscher zuständig: Winfried Kleefisch hat ein winziges Boot und zwei Netze, mit denen er den „Kleinkram“ aus den Hafenbecken fischt. Er entfernt sich nie mehr als zwei Meilen von der Küste. Dafür sind Ricardo und Carlos zuständig. Carlos (35) ist neu auf Mallorca. Er stammt aus Santander und ist schon länger mit der „Pelican“ unterwegs. Vor zwei Jahren fi schte er auf ihr nach dem „Prestige“- Unglück vor Galicien Ölreste aus dem Meer. Ricardo (40) ist eigentlich auf Frachtschiffen und Fähren zu Hause. Er darf Schiffe mit bis zu 5.000 Tonnen Gewicht lenken.
Die beiden lassen es ruhig angehen. Bevor sie auf Müllfang gehen, treffen sich die beiden Nachbarn aus der Calle Aragón zum Frühstücken. Um halb sieben stechen sie von der Fischermole aus in See, Feierabend ist um drei. Manchmal erwischen sie auch einen Müllsünder auf frischer Tat. Zum Beispiel einen Fischer, der einen Eisbeutel ins Wasser wirft. Und dann? „Ich ermahne ihn. Ich sage, mach das bloß nicht mehr“, lacht Ricardo. Mehr nicht? „Nein. Wir sind doch nicht die Polizei."
Erschienen in Mallorca Zeitung Nr. 214, 7. Juli 2004