Wo die grausamen Mundschenken hausten
Die Ruine der Burg Schenkenstein über Aufhausen übt einen besonderen Zauber aus
Von Bernhard Hampp
Sie thront immer noch imposant auf 573 Metern auf dem Egertal: Auch wenn von der ehemaligen Burg Schenkenstein nur noch ein zylinderförmiger Turm und einige hingewürfelte Mauerreste erhalten sind – das Bauwerk gleich oberhalb des Bahnhofs von Aufhausen übt einen besonderen Zauber aus. Wer die Ruine erklimmt, folgt den Spuren verwünschten Mundschenken, die hier einst hausten, und denen kein Glück beschieden war.
Hinter den Ringmauern, Toren und Zwingern, die heute nur noch zu erahnen sind, lebten von der Mitte des 12. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts die Herren von Stein. Diese verkauften sie um 1230 an den Bischof von Augsburg, was jedoch den Grafen von Oettingen missfiel: Nach langen Streitereien konnten die Grafen die Burg 1263 selbst erwerben. Diese gaben ihren Dienstmannen, den Mundschenken von Ehringen, die Burg als Wohnsitz. Diese nannten sich fortan die Schenken von Stein.
„Der Mundschenk war ein Hofamt, das von Mitgliedern aus Niederadelsgeschlechtern, den Ministerialen, ausgeübt wurde“, sagt Hartmut Steger, Archivar, Buchautor und Kenner der Schenkenstein. Während sich die Truchsessen um den eigentlichen Haushalt kümmerten, die Kämmerer die Vermögensverwaltung besorgten und die Marschälle die militärische Ausrüstung betreuten, waren die Schenken zuständig für die herrschaftliche Küche und vor allem den Weinkeller. „Der war aber auf Schenkenstein nicht besonders groß, die dortigen Schenken waren äußerst arm“, sagt Steger.
Überhaupt soll es wenig edel auf der Burg zugegangen sein: „Ein finsterer Geist beherrschte die letzten Generationen; Mord, Nothzucht und andere Frevel wurden begangen“, heißt es in der Neresheimer Oberamtsbeschreibung aus dem 19. Jahrhundert. 1565 soll Schenk Hans V. seinen Vogt in Aufhausen erschlagen haben, 1572 ermorderte Schenk Hans VI. gar seine eigene Gattin. Die Burg hatten aufständische Bauern bereits 1525 teilweise zerstört. „Die Schenkensteiner zogen in die Städte und verkamen dort mehr und mehr“, sagt Steger.
Ein Wiederaufbau der Burg wäre nicht sinnvoll gewesen, weil die alten Burgen den mächtigen neuen Kanonen, mit denen nun Krieg geführt wurde, nicht mehr standhielte. Zudem war das Leben auf der Burg extrem schwierig. Trinkwasser war nur bei ausreichend Regen in den Zisternen, die Winter waren bitterkalt: „Die Schenkensteiner waren arme Teufel, die von ihrer Burg ins Egertal blickten, wo reiche Kaufleute durchzogen und sie selbst hatten nichts zu essen“, erzählt Hartmut Steger.
Die Reste der Burg, die nach dem Gattinnenmord von 1572 durch mehrere Hände ging, trugen Bauern aus der Umgebung ab. Die romantische Ruine, die Heimatmaler wie Friedrich Wilhelm Doppelmayr und Johannes Müller auf Zeichnungen und Gemälden verewigten, schenkte das Haus Oettingen 1931 der Gemeinde Aufhausen, die 1975 nach Bopfingen eingemeindet wurde.
Von der B29 in der Ortsmitte von Aufhausen in Richtung Oberriffingen/Michelfeld abbiegen. Nach 500 Metern links Richtung Friedhof, dort Parkmöglichkeit. Dann entlang dem jüdischen Friedhof dem Verlauf des Schwäbische-Alb-Nordrandwegs (Markierung rotes Dreieck) in den Wald bis zum Abzweig „Ruine Schenkenstein“ folgen.
Erschienen in Ipf- und Jagst-Zeitung / Aalener Nachrichten, 2011