Reiten, um Demut zu lernen
Die Deutsche Sarah Schillings leitet den Reitstall „Harkaway Appaloosas“ in Balsares
Von Bernhard Hampp
Als es in Cornwall mal wieder regnete, das Pferd durch den Matsch trabte und es unter der dicken Barbour- Bekleidung unerträglich heiß wurde, wusste Sarah Schillings, die in der britischen Heimat ihrer Mutter Reitlehrerin war: „Ich brauche Sonne.“
Ortswechsel ist die vielfach ausgezeichnete Turnierreiterin Schillings, die seit zwei Jahren an der Costa Blanca wohnt, gewohnt. Geboren in Bergisch Gladbach, aufgewachsen in Hockenheim, lebte sie als Tochter eines Ingenieurs zeitweise in Libyen und Jordanien. In Spanien ist sie seit 18 Jahren zu Hause. Damals folgte sie ihrem spanischen Mann nach Kantabrien. Dort gründete sie auch erstmals einen eigenen Reitstall, gab Stunden und baute sich einen Kundenstamm auf. Ihr größtes Problem damals wie heute: Pferde in gutem Zustand bekommen. „In Spanien werden Pferde auch heute noch aus Unwissenheit schlecht behandelt“, klagt sie. Das gehe vom mangelnden Auslauf über fehlende Impfungen bis zum falschen Futter: „Viele legen sich ein Pferd wie ein Auto als Statutsymbol zu und haben keine Ahnung von artgerechter Tierhaltung“ – vom „Pferdeparadies Spanien“, das oft auf internationalen Messen beworben wird, keine Spur.
Nach ihrer Übersiedlung an die Costa Blanca hatte Schillings zunächst einen kleinen Reitstall in Muchamiel, den sie Anfang März gegen das Zentrum „Harkaway Appaloosas“ in Balsares nahe dem Flughafen von Alicante eintauschte. 30 Pferde sind dort untergestellt. Drei reinrassige Appaloosa-Zuchthengste – Westernpferde mit dem typischen Farbfleckenmuster – sind ebenso dabei wie Problempferde, die anderswo ausgemustert wurden, weil sie verängstigt waren, Menschen angriffen und bissen. Nur durch sehr aufmerksame, ruhige und entschlossene Behandlung, das wissen Schillings und ihre Auszubildende Marta Alba, können solche Pferde wieder Vertrauen zum Menschen gewinnen. Ein Teil der Schulpferde im „Harkaway Appaloosas“ kommt aus Deutschland, wie etwa die Haflinger-Stute Nea und die Appaloosa-Stute Nevada. Neben Reitstunden bietet der Stall auch Ausritte an. Schillings‘ Geschäftspartner Hugo Amador unterrichtet Schüler in der hohen Kunst der spanischen Reitweise der Doma Vaquera, bis hinauf zur Alta Escuela, dem „spanischen Tritt“ und zirkusreifen Kunststücken.
„Reiten war früher in Spanien Sache der adeligen Señoritos, jetzt entdecken es immer mehr Kinder und Erwachsene als Freizeitbeschäftigung“, sagt Sarah Schillings. Dass viele nach kurzer Zeit die Lust am Reiten wieder verlieren, schreibt sie dem unsachgemäßen Umgang mit den Pferden zu: „Ein Pferd vergisst nichts: Wenn es einmal das Vertrauen zu den Menschen verloren hat, wirft es seine Reiter ab.“ Kein Wunder also, dass viele ein 600 Kilo schweres, unberechenbares Tier als Bedrohung empfinden würden. Denn Reiten kann ein durchaus riskanter Sport sein. Auch Sarah Schillings, die „am meisten die komplizierten Pferde“ liebt, ist in ihrer Karriere nicht ohne Arm- und Beinbrüche davongekommen. Sie weiß: „Reiten ist der beste Sport, um Demut zu lernen. Denn was man mit einen Pferd kann, kann man mit dem nächsten noch lange nicht.“
Erschienen in Costa Blanca Rundschau Nr. 70, Woche 21/2006