Von Bernhard Hampp
Am Beginn der modernen Buchkunstbewegung steht ein Name, der für die Wiederbelebung des schönen Druckwerks steht: William Morris (1834–1896). Der Dichter und Gestalter verstand das Buch als Gesamtkunstwerk verstand. Gegen Ende seiner Karriere, im Jahr 1891, gründete er in Hammersmith die legendäre Kelmscott Press. Diese Handpresse sollte der industriellen Massenproduktion etwas entgegensetzen – eine Rückbesinnung auf die Kunstfertigkeit des 15. Jahrhunderts, auf Qualität, Schönheit und handwerkliche Perfektion.
Bis 1898 veröffentlichte die Kelmscott Press insgesamt 53 Bücher, jedes davon ein Meisterwerk. Die durchschnittliche Auflage betrug nur 250 Exemplare, gefertigt auf handgeschöpftem Papier aus Leinen, verziert mit reichen Illustrationen, geschaffen von Künstlern wie Walter Crane und Edward Burne-Jones. Besonders die von Morris gemeinsam mit Emery Walker entworfenen Schriften – die Golden Type, die Troy und die kleine Chaucer – prägten den Stil dieser außergewöhnlichen Bücher.
Den größten Ruhm erlangte die Kelmscott Press mit der 1896 erschienenen Ausgabe der gesammelten Werke Geoffrey Chaucers. Dieses Werk, oft als das schönste Buch aller Zeiten bezeichnet, war das letzte, das Morris noch vollenden konnte. Die Arbeit daran nahm vier Jahre in Anspruch, und schon vor dem Druck war die erste Auflage restlos vergriffen. Der Erfolg war so groß, dass Morris eigens eine dritte Albion-Presse erwarb, nur um weitere Exemplare des „Kelmscott Chaucer“ zu drucken.
Bei einer Auktion von Bonhams in New York am 17. Dezember erzielte eine vollständige Sammlung der Kelmscott-Bücher 690.000 US-Dollar. Besonders herausragend: Ein Exemplar des „Kelmscott Chaucer“ brachte 114.800 Dollar ein. Die Sammlung stammte aus dem Besitz des Unternehmers und Erfinders Joseph Mark Van Horn (1932–1983), der die Werke mit großer Leidenschaft zusammengetragen hatte.
Doch William Morris war nicht der Einzige, der sich für die Kunst des schönen Drucks einsetzte. Bereits die 1798 gegründete Chiswick Press, die einige von Morris' Werken druckte, legte großen Wert auf typografische Qualität. Auf ihn folgten weitere bedeutende Buchgestalter: Thomas J. Cobden-Sanderson und Emery Walker führten die Tradition mit ihrer Doves Press fort.
Auch in Deutschland entfaltete sich die Handpressenbewegung. 1907 gründeten der Verleger Carl Ernst Poeschel (1874–1944) und der Maler, Schriftentwerfer und Buchgestalter Walter Tiemann (1876–1951) in Leipzig die Janus-Presse. Wenige Jahre später, 1911, rief Willy Wiegand die Bremer Presse ins Leben – sie galt bald als die „Königin der Pressen“ und zog später nach Bad Tölz um. Schließlich gründete Harry Graf Kessler 1913 die Cranach-Presse im Haus des Druckers Mardersteig in Weimar.