Schnell ist eine Hand ab
Zwei Froschmänner machen sich nass
Von Bernhard Hampp
Da haben sich die zwei richtigen gefunden. Der eine hat im Jugoslawienkrieg Unterwasserminen gesprengt, der andere in der Karibik nach Hurrikans Yachten und Flugzeuge aus dem Meer gezogen. Die Deutschen Andreas Schweimler (29) und Thomas Heise (33) sind Mallorcas begehrteste Froschmänner. Für fast 100 Firmen, darunter Werften, Chartergesellschaften, Yachthändler und Versicherungen, steigen sie ins Wasser. Und das sechs Stunden täglich, sieben Tage in der Woche. Manchmal müssen sie auch nachts auf Tauchstation gehen. So wie vor kurzem, als gegen 24 Uhr ein Anruf von der Mega-Yacht „Lady Moura“ in Palmas Club de Mar kam. Irgendetwas klemmte. Schweimler und Heise fanden es heraus: Es waren die Propeller – und das bedeutet Arbeit für die beiden.
Die weiß-blaue Alpha-Flagge, die am nächsten Morgen im Nieselregen flattert, zeigt an, dass Taucher unter Wasser sind. Der Kapitän des Luxusbootes hat den Motoranlasser vorsichtshalber mit rotem Band abgeklebt. Schweimler wuchtet die Sauerstoffflasche auf den Rücken, streift Handschuhe und Brille über. Platsch – er verschwindet im trüben Hafenwasser. Mit einem selbst gebastelten Spezialgerät macht er sich daran, die Propeller zu reinigen. Derweil steht Heise am Kompressor und wacht darüber, dass genügend Druck im Reinigungsschlauch herrscht: Diese Methode funktioniert nur bis zu einer Tiefe von 15 Metern, danach ist der Druckverlust zu hoch.
Ein Vergnügen ist das nicht, der Untergrund ist schlammig, die Sicht trübe. „Man muss sich eben gut im Dunkeln mit den Fingern zurecht fi nden“, meint Schweimler, „das mögen dann auch die Frauen!“ Seemannsgarn. Darin sind die beiden gut. „Es gibt Yachtbesitzerinnen, die uns Taucher nur dafür bezahlen, dass wir an Bord kommen und die Taucherklamotten anziehen“. Ja, ja.
Schweimler spricht fließend Spanisch, Englisch und Französisch. Er ist mit der Bundeswehr in ganz Europa herumgekommen und hat einen Abschluss der Industrie- und Handelskammer als Offshore- Taucher. Für seine Firma „Ocean Diving“ in Arenal suchte er lange vergeblich nach einem Mitstreiter mit ähnlich hohen Qualifi kationen. Bis Heise kam. Der war zuerst in Frankreich Feuerwehrtaucher und Leiter einer Tauchschule und arbeitete dann mehrere Jahre in der Karibik und für US-Firmen. Er zeigt Fotos von Supertankern, an denen er in den karibischen Gewässern herumschraubte. Nach Europa ist er wegen der Familie zurückgekommen und weil er den Winter vermisst hat.
Die beiden reinigen Schiffe, tauschen in den Häfen die Moorings aus und übernehmen bisweilen heikle Aufgaben wie das Auswechseln von Stabilisatoren und Bugstrahlrudern. Manchmal – wie vergangenes Jahr vor Pollença – müssen sie auch abgestürzte Flugzeuge aus dem Meer bergen. „Das Schöne ist, dass man weiß, dass man gebraucht wird“, sagt Schweimler. Und dass man bezahlt wird. 70 bis 120 Euro die Stunde verlangen die beiden, manchmal noch Zusatzkosten. Das Geld fließt wieder in die Firma, zum Beispiel für die nagelneue Unterwasserkamera. Ein Großteil der Taucherausrüstung ist made in Germany, so wie die Scheinwerfer und der Trockentaucheranzug.
Für dieses Jahr haben sich die beiden Deutschen vorgenommen, Aufträge für die ganz großen Kähne an Land zu ziehen: Containerschiffe, Fähren und Kreuzfahrtschiffe. Sie müssen die Reeder nur noch davon überzeugen, dass selbst ein Supertanker zwei Knoten schneller fährt, wenn er richtig gereinigt ist.
Manchmal ist der Job auch gefährlich. Wenn zum Beispiel ein Anker direkt neben dem Taucher einschlägt, Schweimler und Heise ist das schon „ein paar Mal“ passiert. Oder wenn ein Schlepper vorbeikommt und ordentlich Gas gibt: „Die saugen dich fast in den Propeller.“ Einmal konnte sich Schweimler gerade noch an einem Tau festhalten. Oder wenn sie unter Zeitdruck an scharfen Schiffsteilen hantieren: „Schnell kann eine Hand ab sein.“
Spaß macht es aber trotzdem. Auch wenn die beiden in ihrer Freizeit keine Lust mehr zum Tauchen habe, „Wenn ich mir überlege“, sagte Heise und rollt die Augen, „dass ich früher einmal Geld bezahlt habe, um Tauchen gehen zu dürfen …“
Erschienen in Mallorca Zeitung Nr 204, Woche 14/2004