Vier Generationen und drei Geheimnisse
In der Rösterei „Café Jurado – Cuarta Generación“ in Agost wird Kaffee auf althergebrachte Art und Weise hergestellt
Von Bernhard Hampp
Jorge Jurado ist gerade einmal 23 Jahre alt, aber wenn es um Kaffee geht, macht ihm keiner etwas vor. Vielleicht liegt es in den Genen, denn schon sein Urgroßvater betrieb vor 100 Jahren in Alicante eine Kaffeerösterei. Mit einigen Mitgliedern seiner traditionsreichen Familie, die heute noch das große Unternehmen „Café Jurado“ betreibt, gründete Jorge vor drei Jahren in Agost den Ableger „Café Jurado – Cuarta Generación“. Anders als bei der großen Bruderfirma wird dort Kaffee auf handwerkliche Weise hergestellt – mit nur vier Beschäftigten. Mit von der Partie ist Jorges Vater Manuel Jurado. Er hat den Filius in die drei großen Kaffee-Geheimnisse eingeweiht. Geheimnis Nummer eins: die Bohnen. Oft ist Vater Manuel wochenlang unterwegs, um das richtige Rohmaterial zu finden: die hellbraun- grünen Kerne, die es in Lateinamerika, Afrika und Asien gibt.
„Auf der Welt existieren 600 Sorten“, sagt er, „und jede ist anders.“ Das beginnt schon bei der Größe: Am wertvollsten sind die großen Bohnen, zum Beispiel die mit Siebgröße 18, was 7,2 Millimetern Länge entspricht. Der Fachmann nimmt die ihm angebotene Ernte unter die Lupe und achtet darauf, dass keine bitteren, schwarzen Bohnen, keine zerbrochenen Kerne und keine Abfallstückchen darunter sind. Kolumbianischer Kaffee sei der aromatischste, meint Jurado. Er habe aber den Nachteil, dass die Kolumbianer alle ihre Bohnen in große Behälter zusammenschütten, während brasilianische Erzeuger ihre Bohnen getrennt und damit in homogenerem Zustand verkaufen. Grob teilt man Kaffee in zwei Arten ein: Arábica, der vor allem im südamerikanischen Hochland zwischen 600 und 1.300 Metern gedeiht, gilt als edlere, teurere Sorte. Robusta dagegen hat mehr Körper und entwickelt mehr aromatisches Kaffeeöl, das zum Beispiel dafür verantwortlich ist, dass der Zucker in der Tasse langsamer sinkt. Robusta wird vor allem in Afrika und Asien angebaut, weltgrößter Produzent ist Vietnam.
Rohkaffee wird an den Warenterminbörsen von New York und London gehandelt – mindestens vier Monate vorher kaufen die Jurados den Kaffee, den sie später rösten. Doch der Markt ist launisch: Kostete das Kilo Robustakaffee aus Vietnam vor einem Jahr noch 80 Cent, so sind es jetzt 1,40 Euro. In Spanien kommen die Bohnen in 18-Tonnen- Containern in den Häfen von Valencia und Barcelona an. In 60- Kilo-Säcken werden sie von Jorge in die Röstmaschine geschüttet.
Geheimnis Nummer zwei: die Röstzeit. Während die Bohnen auf über 220 Grad erhitzt werden, darf sich Jorge Jurado nicht von der Röstmaschine entfernen. Ein paar Sekunden zu lange, und der Kaffee ist bitter, ein paar zu kurz, und er wird sauer. Ob es 15 oder 25 Minuten sind, entscheidet der Experte. Fast im Sekundentakt entnimmt er ein Röhrchen mit Proben aus dem Gerät, um zu sehen, ob die Bohnen schon die richtige Farbe haben. Zu heiß darf es nicht sein, denn bei 270 Grad beginnt der Kaffee zu brennen. Wichtig ist, dass die Bohnen auch innen gleichmäßig geröstet werden. „Im Inneren sind Hunderte von natürlichen Stoffen, die das Aroma ausmachen“, sagt Jurado. Als er die Klappe öffnet, erfüllt der Duft sofort die ganze Fabrikhalle. Die nun dunkelbraunen Bohnen, die auf die doppelte Größe angewachsen sind, fallen in einen Kühlbehälter, wo der Röstvorgang gestoppt wird. In der Maschine wird schon die nächste Ladung geröstet.
Geheimnis Nummer drei: die Mischung. Für die Produkte von „Café Jurado - Cuarta Generación“ wie „Especialísimo“ oder „Orgánico“ müssen die Bohnen von verschiedenen Kontinenten ins richtige, aromatische Verhältnis gebracht werden. Als Besonderheit wird der Kaffee erst nach dem Rösten gemischt. Das hat den Vorteil, dass jede Ladung Bohnen individuell behandelt werden kann, je nach Sorte, Bohnengröße, Herkunft und Feuchtigkeit. „Großen Kaffeeherstellern ist dieses Verfahren zu aufwändig“, sagt Jurado. Die Großen, das sind in Spanien die Produzenten „Saimaza“ und „Marcilla“ sowie der Schweizer Multi Nestlé, der besonders expansiv kleine Kaffeeröstereien aufkauft. In Alicante sind in den vergangenen Jahren Kaffeemarken wie „Mocaflor“, „Costa Blanca“ und „Costa Cálida“ verschwunden, geblieben sind nur noch die beiden „Café Jurado“. Aus aufgegebenen Röstereien stammen auch die Geräte, die Jorge Jurado heute betreibt.
Wenn die Mischung fertig ist und in Geruch und Farbe den hohen Ansprüchen des Rösters genügt, wird sie in Silos gelagert, wo sie zwei Tage lang ausdampft. Erst dann wird sie vakuumverpackt und geht in den Handel oder an die Gastronomie. Hundert Tonnen Kaffee im Jahr verlassen auf diese Weise die kleine Kaffeerösterei in Agost.
Erschienen in Costa Blanca Rundschau Nr. 68, Woche 19/2006