Kunstwerke zum Durchblicken
Der Stein- und Holzbildhauer Uli Schwander bietet Kurse in Antas an
Von Bernhard Hampp
Manchmal macht Uli Schwander beim Sprechen Pausen. Dann sucht er das passende Wort. Nicht etwa, dass der Bildhauer, der seit 1989 mit seiner Familie in Antas lebt, die deutsche Sprache verlernt hätte. Es ist vielmehr sein Ehrgeiz, das exakt treffende Wort zu finden. Es ist wie bei einer Skulptur, wo jeder Hieb mit Hammer und Meißel sitzen muss. Ein Schlag kann alles entscheiden.
„Es ist immer ein ironisches, irritierendes Element dabei“, sagt der 49-Jährige über seine Skulpturen, die weltweit Parks und Plätze zieren. Sie sehen aus wie Zelte, Rucksäcke, Sanduhren oder Sessel und doch wieder nicht. In Novelda steht ein Schwander-Sessel aus Marmor auf dem Kopf. Ein anderer von ihm gestalteter Sessel, der auf einer Lichtung im Schwarzwald ruht, ist riesig groß.
Betrachter und Benutzer von Schwanders Skulpturen kommen selbst auf den Dreh: Wer etwa im Riesensessel Platz nimmt, fühlt sich winzig und erlebt den Stein – also die Natur – als riesig. Ohne ein Stück Natur kommen Schwanders Skulpturen ohnehin nie aus: Nie sind bei ihm Stein oder Holz so glatt geschliffen und poliert, dass die Illusion des Künstlichen aufkommt. Es sei denn, der Künstler möchte – wie bei einem Tetra-Pak, den er aus Marmor geschaffen hat –, Kommerz und Konsum selbst zum Thema machen.
Natur heißt für ihn auch: „Das Erlebnis des Widerstands, des Ringens mit dem Material deutlich machen.“ Bei Holz kann nicht gegen die Faser gearbeitet werden. Bei Stein helfen selbst moderne Hilfsmittel wie Diamantseile und Pressluftmeißel nicht, die Eigengesetzlichkeiten des Materials zu überwinden.
Auch solche Widerstände gab es: Während seiner ersten Jahre in Andalusien hatte der in Deutschland ausgebildete Bildhauer mit Klischees zu kämpfen. Bildhauer, so hieß es hierzulande, hatten Santos, also Heiligenfiguren zu schaffen, keine Gegenstände – und schon gar keine abstrakten Objekte. Das seien keine Skulpturen, sondern Rocas (Felsen), sagte ihm ein Arbeiter einmal, der eine von Schwanders Installationen abtransportierte.
Anerkennung erlangte Schwander nach und nach als Teilnehmer und später Veranstalter von internationalen Bildhauersymposien. Mittlerweile hat er nicht nur spanienweit einen Namen. Bei den gemeinsamen Treffen mit anderen Bildhauern – mittlerweile hat Schwander an 25 teilgenommen – sind viele seiner großen Lieblingsmotive geboren.
Die Rucksäcke beispielsweise. Rucksack-Skulpturen hat Schwander für Parks in Tschechien und Kuba geschaffen. „Wer einen Rucksack sieht, denkt an das Unterwegssein und den Lebensweg, aber auch daran, was man auf dem Weg mit sich trägt“, sagt er. Ist es nur das Nötigste oder viel Ballast? Einige von Schwanders Rucksack-Skulpturen haben Ausbuchtungen mit Sitzflächen. Wer darin Platz nimmt, hat Gelegenheit, über diese Frage nachzudenken.
„Gerade auf den Bildhauersymposien ist die Arbeit hart und der Zeitdruck enorm“, findet Schwander. Eine seiner Skulpturengruppen in Japan wiegt 40 Tonnen. Das Hauen, Meißeln, Bücken und Schleppen geht in die Knochen. Viele Bildhauer, weiß er, hören deshalb im Alter zwischen 40 und 50 Jahren auf.
Die Uhr läuft. Bei Schwander ist es die Sanduhr, die als immer gleiches Motiv in vielen seiner Plastiken auftaucht. Sie gleicht den Sanduhren, die als Wartesymbol auf Computerbildschirmen zu sehen sind und ist doch ein uraltes Zeichen der Balance.
Noch deutlicher hat Schwander die Erfahrung der Endlichkeit allerdings in seiner Installation „Fabula Rasa“ gestaltet. Dazu hat der Künstler totgefahrene Hunde, Katzen, Igel und Schlangen von der Straße gesammelt, in Bronze gegossen und auf einer Teerpappe platziert. Immerhin hat er sie so ein Stück weit in die Ewigkeit gerettet.
Erschienen in Costa Cálida Nachrichten, 24. August 2007