Michaela Dane, Somellière

Von Eremiten, Nasen und sehr viel Wein

Michaela Dane hat sich einem ganz besonderen Saft verschrieben

Von Bernhard Hampp

Eine goldene Nase bekommt man nicht so mir nichts, dir nichts. Die deutsche Biologin Michaela Dane aus El Campello hat 2001 in Valencia den begehrten Weinkennerpreis „Nariz de Oro“ eingeheimst. Das verdankt sie nicht nur ihrem feinen Geschmackssinn und jahrelanger Beschäftigung mit Wein, sondern auch vielen Wegbegleitern.

Zuerst ihrem Ehemann, dem Arzt Miguel Corty, der ihre Leidenschaft für den Rebensaft teilt. Als Kind deutscher Eltern in Spanien aufgewachsen, ist er Weinkenner, so wie die meisten Spanier – auch wenn man hierzulande seine Kennerschaft niemals an die große Glocke hängt. Ihre Eltern sind ebenfalls nicht ganz unschuldig, dass es Michaela Dane bis zur geprüften Sommelière gebracht hat. Vor dem fettigen Essen ein Gläschen Wein – das war das Rezept des Vaters, um die ganze Familie beim Urlaub in Navarra vor Verdauungsproblemen zu bewahren. „Der Liter Wein kostete damals eine Mark“, schwärmt Dane, die die süffigen Lagerweine aus Navarra heute noch zu schätzen weiß.

Eine weitere entscheidende Rolle spielte ein 70-jähriger französischer Einsiedler. Er hieß Albert Masson und wohnte in den Bergen von El Campello, wo die Eltern von Michaela Dane ein Ferienhaus besaßen. Ende der 80er Jahre, als Michaela Dane und Miguel Corty in Alicante studierten, erklärte er dem Paar, woran ein guter – natürlich französischer Wein – zu erkennen ist. „Unser ganzes Geld haben wir daraufhin für eine einzige Flasche eines großen Franzosen ausgegeben“, erinnert sich Miguel Corty. Gemeinsam mit anderen Studenten gründeten die beiden die „Asociacion Valenciana de Sumilleres“. Weggefährte Nacho Coteron – ob seines ausprägten Riechorgans „die Nase“ genannt – leitet die Vereinigung mit ihren 180 Mitgliedern noch heute.

Eine goldene Nase will verwöhnt sein. Deshalb hat Dane nie geraucht: Das beeinträchtigt den Geruchs- und Geschmackssinn. Und der muss einiges mitmachen, wenn er wie beim Wettbewerb um die „Nariz de Oro“ 45 Weine voneinander unterscheiden muss. „Nach diesem Test habe ich zur Entspannung ein Bier getrunken“, gibt die Siegerin zu.

Verstaubte Wein-Machos pflegen das Vorurteil, Frauen eigneten sich nicht zu Weinkennern. Michaela Dane widerlegt es. Sogar der altehrwürdige Duque de Medinaceli aus Sevilla fragte sie um Rat, als ihm beim Weingenuss immer wieder der Magen drückte. Sie sagte dem eingefleischten Rioja-Trinker frei ins Gesicht, dass sein Hauswein ihm nicht bekommt. Lieber solle er auf Ribera de Duero umsteigen. „Er hat es getan, und seinem Magen ging es wieder gut“, sagt Dane, die daraufhin beauftragt wurde, des Herzogs Weinkeller zu sortieren.

Oft wird das Ehepaar eingeladen, um neuen Wein zu testen oder einen Jahrgang öffentlich zu beschreiben: „Alle Bodegabesitzer sitzen dann da und warten – vielleicht haben sie drei Jahre an dem Tropfen herumgedoktert und wir sagen ihnen, dass der Wein schlecht sei“.

So etwas ist hart. Das wissen die beiden. Denn sie konnten der Versuchung nicht widerstehen, selbst unter die Winzer zu gehen. Als sie vor neun Jahren bei ihrem Landhaus in Tibi die ersten Rebstöcke pflanzten, grinsten die heimischen Bauern mitleidig. „Statt die traditionellen Rebsorten Garnacha und Monstrell mit ihrem 16 Prozent Alkoholgehalt zu produzieren, wollten wir Tempranillo, die wir aus La Rioja kannten, anbauen.“ Und wirklich: Nach ein paar Jahren Anlaufphase gedeihen die Reben prächtig und ergeben 300 Liter Wein pro Jahr, genau wie die Monastrell-Trauben, die die Hobbywinzer unlängst zusätzlich gepflanzt haben.

Wenn Miguel Corty in seinen Weinkeller hinuntersteigt, dann geht er in eine Höhle im Weinberg, die einst den Faschisten im spanischen Bürgerkrieg als Versteck diente. In dem Gewölbe lagert ein kleiner Tank aus Stahl, in dem der Wein gärt, neben den alten Holzfässern, in denen er reift. Das alles garniert mit viel Staub: „Die Mikroorganismen im Schmutz verhindern Infektionen“, beteuert der Mediziner und zapft aus dem Fass die rote Flüssigkeit für die eigens einberufene Weinprobe. Er stellt eine Vielzahl von Gläsern nebeneinander auf, deren Inhalt nur darauf wartet, probiert und beurteilt zu werden. Solche Proben veranstalten die beiden Weinkenner auch bei den Seminaren zu spanischem Wein, die sie seit mehreren Jahren an der Costa Blanca anbieten.

„Die meisten Spanien-Residenten mögen Wein, aber vielen fehlen die Kenntnisse, um ihn richtig zu genießen“, sagt Michaela Dane. Bevor es beim Seminar in die Feinheiten geht, kommt das Grundlegende: Was ist überhaupt Wein? Und wo liegt der Unterschied zu einem weinhaltigen Getränk? Welcher Wein gehört in welches Glas? Wie lagere ich meine Schätze? In welcher Gegend Spaniens wird welcher Wein angebaut?

Wer mit Freunden zu Hause Wein genießt, hat doppelt soviel Spaß – meinen die beiden –, wenn er den Wein nicht nur trinkt, sondern auch fachmännisch beschreibt. Ist seine Farbe mohnrot, kirschrot oder doch granatrot? Schmeckt er nach Eukalyptus, Zeder, Gummi, Benzin, Himbeer, Lakritze, Heu oder gar Seife? Zu lernen gibt es eine Menge: Zum Beispiel, dass zur Paella ein kräftiger Rotwein, zum Ziegenkäse ein junger Weißwein passt. Dass Knoblauch, Zwiebel und Sellerie Killer des Weinaromas sind. Und dass die Bitterstoffe von Artischocken am besten mit einem halbtrockenen Weißwein neutralisiert werden.

„Sie müssen aus der Sparte des Konsumenten in die Sparte des Genießers treten“, formuliert Miguel Corty seine Philosophie. „Mit Begriffen wie Weinkenner, die sich in Deutschland und der Schweiz viele selbst verleihen, sollte man vorsichtig sein“, sekundiert seine Frau. Was, wenn ein solcher „Kenner“ Wein anbietet, der auf dem Etikett zwar ausgezeichnet, im Glas aber kaputt ist? Beim spanischen Wein haben es „Etikettentrinker“ besonders schwer, meint Michaela Dane: Während die Franzosen misslungene Weine gar nicht erst auf den Markt bringen, produzieren die Spanier auch in schlechten Jahren „Reserva“, der lange im Fass bleibt und mangels Qualität schlecht wird. Wer dann keinen ausgebildeten Geschmackssinn hat, müsste schon über jeden einzelnen Jahrgang Bescheid wissen, um nicht peinlich auf die Nase zu fallen.

Erschienen in Costa Blanca Rundschau Nr. 22/Woche 25/2005