Natürlich nimmt man gerne alle Neuerungen an, die Erleichterung und Hilfe versprechen, hofft auf den Segen der Technik, und doch, sehr oft, ist es auch ein Fluch.
Bei meinen Einsätzen im Auftrag des Universums lief es in letzter Zeit nicht so rund. Mit viel Eifer versuchte ich mithilfe immer umfangreicherer Recherchen, diesen Umstand Wett zu machen. Ich vertraute immer weniger auf meinen Instinkt, mein Bauchgefühl, der mich früher sehr oft mit großen Schritten weiter getragen hat und versank oft in den Weisheiten des Internets.
Hand in Hand greift dieses Verhalten in alle meine Lebensbereiche über. Durch die moderne Technik ist man ja ständig und überall mit der „Allwissenden Müllhalde“, wie ich die großmächtige Such- und Antwortmaschine des World Wide Web gerne nenne, verbunden. Man kann jederzeit vielerlei Informationen abrufen. Und es geht immer mehr unter, woher diese Infos stammen, wie vertrauenswürdig sie sind und welche Wahrheit sie wiedergeben. Ist es eine eher objektive Wahrheit oder doch nur der billige Abklatsch des aktuellen „Mainstreams“ der von der Gesellschaft akzeptiert wird, und von einzelnen Gruppen, durch Mode, Werbung, und all die modernen „Gurus“ unserer Zeit, die Stars und Promi´s, die Politiker, oft auch nur deren Medienberater aus dem Hintergrund, in die Welt gesetzt wird. Diese, oft als das non plus ultra unserer Zeit hochgejubelten Lebensweisheiten, sind aber sehr oft von den objektiven Wahrheiten viel weiter entfernt als wir alle gerne glauben wollen.
Im privaten beginnt das bei so einfachen Dingen wie dem „biologischem“ Fußabdruck, der ja immer wichtiger wird, um den Treibhauseffekt zu stoppen, und den einzig wahren „Bio“ Lebensmitteln. Je nach Lust und Laune der Großen wird halt einmal das „Bio“ der Lebensmittelproduktion hoch gelobt und dafür verschwiegen, das die Ware per Flugzeug quer über die Kontinente geflogen wird, oder man lobt die Nähe der Produktion, zum Beispiel von Verkaufsständen an der Straße, neben den „Bio“-Feldern, aber mit Waren, die über dunkle Kanäle kommen und sehr fragwürdig in Billigländern mit viel Chemie produziert werden.
Es gibt so viele Ratgeber, die alle ganz genau wissen was das einzig Wahre ist, das man sich gar nicht entscheiden kann. Gut, das dann ein Hollywood Schauspieler oder ein Prominenter, den man kennt, man sieht ihn ja oft im Fernsehen, mit seinem Namen dafür bürgt, egal ob der dann überhaupt weiß, was ihm der Texter für seinen Werbespot eigentlich in den Mund legt. Aber es muss stimmen, muss alles seine Richtigkeit haben, denn es machen ja alle so!
Auch im Schlafzimmer ist der „Mainstream“ eingezogen. Heute genügt es nicht mehr, sich auf sein Gefühl zu verlassen, ob der Partner mit einem zufrieden ist, man findet vielfältige Messmöglichkeiten, Vorgaben, was im Schlafzimmer unter verschiedenen Umständen „normal, wenig oder überdurchschnittlich“ ist. Da gebe ich aber zu bedenken, das bei den Angaben die man in diesem Bereich findet, sehr oft, der Wunsch der Vater der Aussage ist und das hier sehr oft ein hoher Prozentsatz „Angeberitis“ als Aufschlag dabei ist.
Niemand soll doch seine Erwartung nach den gesammelten Wünschen des „Mainstreams“ ausrichten und auch seine eigenen Aktivitäten nach den Kriterien der Werbebranche für Potenzmittel beurteilen. Das schafft doch nur unerfüllbaren Leistungsdruck, so als ob man mit einem modernen Familienvan bei diversen Motorsportklassen wie DTM, Formel 3 oder sogar Formel 1 mitfahren möchte.
Das alles ist leicht gesagt und erkannt, wenn man in Ruhe darüber nachdenkt, und doch verfällt man immer mehr diesem Wissens- und Meinungs- Moloch, und verliert langsam seine eigene Intuition und die Gabe, komplexe Situationen rasch und gut zu durchschauen, wenn der Stresspegel steigt.
Ich war überraschend und konnte zuerst gar nicht richtig einschätzen worum es ging, als ich den Brief vom Universum, Abteilung Fortbildung, vorfand, so richtig auf Papier, im gefalteten Kuvert, im blechernen Briefkasten. Keine em@il, keine elektronische Datenübertragung.
Mein Bauchgefühl verschafft sich sofort vehement Gehör und meldet „sehr gut, das wird sehr gut“.
Nun bin ich auf dem Weg, genauso wie im Brief verlangt. Kleines Gepäck, kein Handy, kein Navi, kein Tablett, ein paar Straßenkarten, Wanderkarten vom Zielgebiet, eine kleine „Survival – Ausrüstung“, ein paar Klamotten für schönes und schlechtes Wetter. Alles in einem Rucksack, während ich auf der empfohlenen 350 Enduro sitze und die ersten 150km Autobahn abspule, um dann so manch schlechte Straßen und Feldwege in Angriff zu nehmen, damit ich zum beschriebenen Treffpunkt auf einer Lichtung mitten im Wald komme. Nach der Autobahn werde ich nachtanken, und noch ein paar haltbare Lebensmittel einkaufen. Ein erdiges Gefühl von Abenteuerlust und Naturverbundenheit steigt in mir hoch. Dieses Gefühl habe ich schon lange vermisst. Ich habe keine Ahnung , was mich erwarten wird, und doch gewinnt eine freudige Erregung die Oberhand über vorsichtige Neugier. Insgeheim hoffe ich ein paar alte Freunde und Freundinnen aus vergangenen Abenteuern wieder zu treffen. So fahre ich zügig dahin.
Pünktlich bei Sonnenuntergang, wie im Brief geschrieben, stelle ich am Rand der Lichtung meine Maschine ab und gehe auf das Lagerfeuer in der Mitte zu. Ich erkenne einige Silhouetten und rufe ihnen ein freudiges „Hallo“ entgegen. Ein Mann steht auf und ich erkenne sein Gesicht. Es ist Sepp Hinterbauer, ein alter Naturbursche, den ich bei meinem Abenteuer mit den Wölfen kennengelernt hatte. Sepp stellt sich als Tagungsleiter vor und wir begrüßen gemeinsam die anderen Teilnehmer.
Kyllikki ist aus Finnland gekommen, ich habe mit ihr einen Betrug um eine Sumpfwiese aufgeklärt, eine faszinierende kleine Frau. Neben ihr steht Rere Marama, eine ‚Heilerin und Seherin aus Neuseeland. Auch zwei, mir noch nicht bekannte Männer sitzen am Feuer und Sepp stellt uns vor. Paddy O´Malley, ein Ire und Dimitrios Athos aus Griechenland, beide sind universelle Aktivisten für Mutter Erde, so wie ich auch.
Am nächsten Morgen haben wir auch Besuch von Sindi Froh, in ihrer Begleitung, anfangs noch sehr zurückhaltend, sind zwei Wölfe. Freudig begrüßen wir uns und auch die Wölfe beschnuppern mich, ich war ja dabei, als sie hierher zurückkehrten.
Die erste Tagesaufgabe war einfach. Miteinander die Zeit zu verbringen, miteinander zu leben, kochen, essen, und uns gegenseitig unsere Geschichten zu erzählen. wir diskutieren dann auch, wo jeder von uns besondere Fallen vermutet und wie sich jeder selbst verhalten würde, um den jeweiligen Fall zu lösen. Wir lachen viel, suchen im Wald nach Beeren und Pilzen und beginnen langsam den Segen der Technik zu vergessen, den wir hier nicht haben. Immer wieder reden wir auch darüber, wo wir den Segen der Technik benutzt haben, die Wirrnisse des WWW entwirrt haben und uns vor dem süchtig machenden „Mainstreamen“ in acht genommen haben oder doch in die eine oder andere Falle getappt sind.
Eine fröhliche Runde, die sich gegenseitig hilft die natürliche Kraft jedes Einzelnen zu beleben und zu aktivieren, ist auf dem besten weg „Back to the Roots“ ihr Selbstbewusstsein zu stärken und sich immer besser gegen das manipuliert werden zu schützen.
Langsam erkennt jeder von uns, seine Aufgabe und seine Stärke in dieser Runde, aber auch die eigenen Schwächen an denen man mit Hilfe der anderen arbeiten wird treten hervor.
Am Abend setzt sich Kyllikki zu mir und beginnt ein Gespräch. Wir waren uns nach dem Streit um Funde alter Moorleichen sehr nahe gekommen. Zaghaft erinnert sie mich daran und bittet mich um ehrliche Antworten auf ihre Fragen. „Du hast mich ja schon als buntes, ausgeflipptes Mädel, die immer auf der Suche nach Abenteuer und Leben ist, kennengelernt, schließe bitte die Augen und sag mir, wie du mich siehst, wie du empfindest, was ich wirklich bin.“ Und plötzlich sehe ich ein kleines, sehr verletzbares Persönchen, das ihre Ängste, ihre Unsicherheiten durch ihr ausgeflipptes Gehabe sehr gut verstecken kann. Ich sage ihr das während sie sich an meine Schulter lehnt, und wir sprechen fast die ganze Nacht über Gott und die Welt. Als die Sonne frühmorgens aufgeht, fühlen wir uns sehr vertraut und gestärkt. So schön kann „nur reden“ sein, obwohl das im Internet sicher nicht recherchierbar ist.
Am nächsten Tag üben wir mit den Wölfen intuitives Verstehen, Wenn du einem freilebenden Tier Aug in Aug gegenüber sitzt, dann zählt nicht, was alle anderen dir erzählen. Du kannst nicht bei der „erhabenen Müllhalde“ nachfragen, was der Wolf meint, wenn der den Kopf so oder so hält, du musst es einfach spüren. Spüren, fühlen ist etwas so einfaches, natürliches, das die Schwierigkeit darin besteht, sich nicht durch allerlei obergescheit und wichtig Erscheinendes, das man schon von so manchen „Wildnisflüsterer“ oder „Naturguru“ gehört oder gelesen hat, ablenken lässt. Man muss seine Aufmerksamkeit und Kraft dem Augenblick schenken und nicht der eigenen Selbstinszenierung, nur um andere von sich selbst zu beeindrucken.
Dann zeigt und lehrt uns Rere Marama eindrucksvoll, das es nicht richtig ist das selbsternannte Führungspersönlichkeiten, Heiler und Wunderwuzzis den anderen etwas vorschreiben, wozu sie selber in ihrem Leben zu faul oder zu feige sind. Egal ob in diesen Dingen auch ein Körnchen Wahrheit steckt oder nicht. Es ist wieder sehr beliebt heute, Wasser zu predigen und Wein zu trinken!
„Warum soll ich mich nicht durch andere Verwirklichen, wenn ich denen sage, wo es langgeht, und mir dadurch viel Mühe, Entbehrung und Willenskraft erspare“, scheint man sich heute immer öfters zu denken.
Paddy, Dimitrios, Sepp und ich fahren dann auf unseren Enduro Maschinen zu einer nahen Motocross Strecke. Sepp sagt uns, wie wir fahren sollen, fährt uns nach und schreit ständig Anweisungen, was wir alles falsch machen, was wir nicht tun sollen. Dann sagt er, „so, jetzt habt ihr sicher den modernen Zeitgeist gespürt, denn es scheint ja viel wichtiger zu sein, genau zu wissen, was alles falsch läuft, was alles verkehrt ist, was man nicht tun soll. Denn nur so hat man viel Aufmerksamkeit, kann vor den Anderen gut dastehen und sich von der Gesellschaft als kompetenter Politiker, Chef, Lehrer, oder Wunderwuzzi vom Dienst feiern lassen!“ Sepp startet sein Bike wieder und ruft uns zu, das wir ihm einfach nach fahren sollen, er zeigt uns jetzt was er meint. Während drei Runden schon, ist alles klar, lernen wir die Lektion, die uns Sepp über diesen Kurs beibringt, denn wir spüren einfach und direkt beim nachfahren, das seine Linie die er vor uns fährt, gut ist, weil wir mühe haben, ihm zu folgen, und andere Variationen, die wir versuchen, nicht zum aufholen geeignet sind.
So lernt man gut, fühlt sich dabei wohl, während bei der „du bist so dumm, denn du machst ja so viele Fehler“ - Methode nur Frust und Ärger entsteht.
Sepp zeigt und vertieft das auf eindrucksvolle Weise, was uns vorher Rere Marama in einigen anderen Lebensbereichen nahegebracht hat.
Dann taucht wieder mal die Frage auf, ob man nicht sehr genau prüfen muss, was man tun will, bevor man beginnt zu handeln.
Sepp lacht und sagt zu uns „wenn du auf der Motocross Strecke spürst, das dein Hinterrad wegrutscht, hast du dann Zeit, zu schauen ob es auf einem Ölfleck oder auf losem Schotter ist, hast du Zeit, nachzulesen, zu recherchieren, jemanden zu fragen was du dagegen am besten tun kannst? Nein, denn wenn du nicht sofort handelst, küsst du den Boden, haut es dich auf die Schnauze! Egal was du tust, es muss nicht das allerbeste sein, vielleicht genügt auch das zweit-, dritt-, oder sogar zehnt-, oder zwanzigst - beste, was du tun kannst um nicht schwer zu stürzen und dich zu verletzen!“
Alle geben Sepp spontan recht, jeder von uns hatte schon tagelange Diskussionen, ob man genau das Allein - Richtige getan hatte. Experten streiten oft im Nachhinein, ob eine Handlung, die man sofort, oft in wenigen Sekunden setzen musste, oft ohne alle wichtigen Hintergrundinformationen zu kennen, die beste gewesen ist.
Ich kann nur sagen, das eine Entscheidung, die man in der zur Verfügung stehenden Zeit, mit den zur Verfügung stehenden Informationen und vor allem mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten getroffen und durchgeführt hat, auf jeden Fall besser ist, als alles abwarten, zögern, zu wenig oder nichts zu tun!
Wir haben nun am Ende unseres Fortbildungsworkshops eine Entscheidung getroffen. Es gibt so einiges, das in der heutigen Zeit aus dem Ruder läuft, so einiges, das langsam vergessen wird. Wir wollen das nicht nur für uns selbst verbessern, sondern auch der Gesellschaft aufzeigen. Jeder auf seine Art, so wie er es am besten tun kann.
Sepp macht daraus ein „Back to the Roots“ Erlebnisseminar, das er anbieten wird.
Rere Maramar verbindet die Ereignisse unseres Worshops mit dazu passenden Meditationen, die sie immer wieder im Kreise Interessierter abhalten wird.
Sindi schreibt ein Märchen für Kinder, wie sich die Wölfe wundern, weil bei uns Menschen alles so kompliziert ist.
Kyllikki dichtet ein Epos im altnordischen Stiel darüber, während Paddy und Dimitrios einen Song schreiben, der „Auf dem rechten Weg“ heißen soll.
Und ich, nun, ich schreibe einfach die Geschichte nieder und gebe sie zu meiner Sammlung „Erlebnisse als Supertyp“ dazu.
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