Der letzte Sonnentag

Ich bin traurig, denn heute ist wohl der letzte warme, sonnige Tag des Jahres. Der letzte Tag, um ohne Jacke in den Garten zu gehen, um die letzten Schmetterlinge zu bewundern. Es macht mich sehr traurig, zu wissen, das dies der letzte Tag für dieses Jahr sein wird, der an den Sommer erinnert. Das Gefühl, das damit der letzte schöne Herbsttag zum Wandern in der buntgefärbten Natur anbricht, das Ende des Altweibersommers, so wie diese sonnige Zeit genannt wird, erreicht ist, erfüllt mich mit Trauer und Schmerz.

Ich werde diesen Tag der Erinnerung all der schönen Tage des Jahres widmen, ihrer gedenken. Wehmütig denke ich an die fröhlichen Schmetterlinge, die fleißigen Bienen, die bunten Blumen.

Vor Gram gebeugt, in tiefer Hoffnungslosigkeit, gehe ich ein paar schritte in den Garten. Ich kann es nicht fassen, das das alles nur mehr heute da sein wird. Das es lange, sehr lange dauern wird, bis die Herbstnebel uns nicht mehr in ihrem schaurigen Bann ziehen werden und erst Monate später Schnee und Eis überwunden sind. Erst dann, in der beginnenden Frühlingssonne wird endlich ein kleines bisschen Hoffnung durch das erste zarte Grün, das die ersten Insekten, noch steif und langsam von der Kälte, anlockt, aufflammen. Erst dann wird die Wärme und das Leben der Natur, langsam wieder in unser Leben zurückkommen.

Dieser letzte sonnige Tag des Jahres betrübt mich sehr. Mein Herz wird schwer und in meinen Augen bildet sich die erste Träne, und mein Blick sinkt zu Boden.

Da flattert ein Schmetterling mit ausgefransten Flügeln in mein Blickfeld, eine Biene setzt sich auf eines der letzten Gänseblümchen zu meinen Füßen und ein Sonnenstrahl kitzelt mich an der Nase.

Und alle sagen im Chor zu mir: „Du trauerst um uns, aber wir sind noch da! Freue dich mit uns, genieße mit uns diesen letzten Tag, der uns allen geschenkt wird! Solange dieser Tag dauert, wollen wir feiern und uns erfreuen! Erst wenn die Nebel einfallen, die Sonnenstrahlen nicht mehr zu uns durchdringen und uns die Kälte lähmt, Eis und Schnee den Atem raubt, dann ist es uns erlaubt ganz kurz zu trauern. Gerade lange genug, um zu erkennen, wie sehr uns die Hoffnung auf den Frühling hilft, diese Zeit zu überstehen!Doch nun lasst uns fröhlich sein, lasst uns frohlocken, tanzen, denn noch ist es ein schöner Tag!“

Schmetterlinge, zerfranst und vom Zahn der Zeit gezeichnet, tanzen fröhlich um mein Haupt und ich muss einfach aufstehen und selbst Teil des ausgelassenen Treibens werden. Bienen und Hummeln summen und brummen im Takt dazu, die Sonnenstrahlen funkeln und blitzen in strahlendem Glanz.

Das Gänseblümchen zu meinen Füßen, die warmen Strahlen der Sonne in der sich Schmetterlinge, Hummeln und Bienen tummeln, das alles ist pure Freude am Leben. Nun bin ich nicht mehr traurig, blicke nicht mehr zurück. Die Ehre, das alles heute erleben zu dürfen, gibt mir die Hoffnung, auf noch tausende schöne, fröhliche Tage voll Leben und Glück.

Nicht beweinen, noch bevor etwas zu Ende ist,

teilhaben und leben, so lange wir es haben,

das ist der Schlüssel zu Freude, Frieden und Glück!