Durch den Spiegel

Ein einfacher Spiegel

zeigt uns nicht die Wahrheit, nicht das was wirklich ist. Es ist „spiegelverkehrt“, er dreht die Seiten um. Aus Links wird Rechts, meine Hand, auf der ich die Uhr trage ist meine linke Hand, aber sie kommt im Spiegel aus der Schulter die ich als meine rechte sehe! Verwirrend, doch was passiert da im Hintergrund noch alles, wenn die Seiten getauscht werden? Aus Recht wird es „link“, Jemanden linken, heißt doch, ihn täuschen, betrügen, es ihm nicht „recht“ machen. Das ist eine „linke“ Sache sagt man, wenn man meint, das nicht alles mit rechten Dingen zugeht.

Auch wenn der Spiegel nicht vor mir steht, sondern seitlich, sagen wir rechts von mir, dann muss ich meinen Kopf nach rechts drehen um hinein zu schauen, aber ich sehe einen Mann der nach links blickt. Der Spiegel auf der linken Seite wirkt ähnlich Kopf drehend. Man ändert seine Blickrichtung, wendet sich der anderen Seite zu. Ist eine Seite verrucht, verwerflich, böse, verdorben, kriminell, und finster aber die andere erstrebenswert, annehmbar, gut, menschlich, regelkonform, hell und freundlich?

Steht der Spiegel hinter mir, so brauche ich wohl noch eine Spiegel, um in den Spiegel zu sehen. Brauche ich eine Wendung, die alles umdreht um es dann im rechten Licht wieder Richtig erscheinen zu lassen? Wird das Recht, wenn ich es linke, und abermals linke, schlussendlich zu neu geschaffenem Recht?

Aber wie ist es mit oben oder unten? Hier tut sich nichts Sichtbares? Warum wohl, welches Geheimnis steckt dahinter? Oben ist oben wo mein Kopf ist, und unten sind meine Füße.

Aber was passiert wenn ich den Spiegel auf den Boden lege und zu Boden blicke, dann sehe ich den Himmel! Muss ich, um den Himmel zu erblicken zuerst am Boden beginnen? Oder legt mir der Spiegel den Himmel zu Füßen, wenn ich ihn auf den Boden werfe? Heißt das, das die, auf die ich mit Leichtigkeit mit meinen Füßen treten könnte, mir am besten den Himmel auf Erden bringen könnten.

Auch wenn der Spiegel über mir ist, und ich den Blick hinein werfe, dann sehe ich als erstes meinen Kopf, und alles andere unter mir. Soll mir das meine Stellung in der Gesellschaft zeigen. Soll ich so gut es geht die Spiegel der anderen zerstören, damit sie mich nicht zu ihren Füßen sehen wollen, damit ich nicht ihnen den Himmel auf die Erde holen muss?

So viele Geheimnisse, Mysterien, rund um den Spiegel.

Ist es Recht oder linkt uns der Spiegel, wenn wir hineinsehen?

Mir völlig egal, denn ich kann durch den Spiegel gehen.

Ich schlüpfe hindurch und schon ist alles umgedreht, geändert, so wie es mir gerade in den Sinn kommt. Wird mir etwas zu heiß, zu unbequem, zu verwerflich, so gehe ich durch den Spiegel und bin wieder cool, habe es bequem und alles ist annehmbar für mich.

Natürlich geht es auch andersrum. Steht mir der Sinn nach einem verruchtem Abenteuer, etwas, das nicht Rechtens ist, so passiere ich den Spiegel, bin befreit von den Zwängen des Rechts, von den Zwängen des Anstandes und der guten Sitten, lebe meine Abenteuer ganz nach meinem Geschmack aus, und kehre dann durch den Spiegel zurück in den Schoß der Gesellschaft, geachtet und gerne gesehen in der Mitte meiner Bekannten.

Manches Mal, denke ich, ich könne jemanden mitnehmen, auf meine Reisen durch den Spiegel, doch wie werden die Anderen damit umgehen können, die Seiten zu wechseln, den Kopf zu drehen, wie es gerade passt, böse und gut, verdorben und liebevoll, hell und dunkel so rasch miteinander auszutauschen.

Vielleicht schafft es dann ein Gast von mir nicht, damit zurecht zu kommen, und wird wegen mir hängen bleiben im Verdorbenen, Linken, außerhalb der gesellschaftlichen Regeln und Ansichten. Durch meine Schuld würde dann eine Seele ins Verderben laufen, sich soweit verstricken, das sie nie wieder zurück findet. Das will ich nicht! Gut, wenn das passiert, müsste ich einfach nur selbst nochmals durch den Spiegel schlüpfen, und für mich wäre alles ok. Die arme Seele wäre selber schuld, ich könnte ihr sowieso nicht helfen, auf ihrem selbstgewähltem Weg in die Dunkelheit. Aber das will ich nicht.

Es sei denn, ….. ,nein, dafür will ich nicht durch den Spiegel gehen!

Es gibt genug Abenteuer mit denen, die selbst durch den Spiegel ziehen. Die will ich hinter den Spiegeln treffen, mit ihnen spielen, Abenteuer bestehen, und dann getrennt zurück durch unsere eigenen Spiegel wieder nach Hause gehen.

Nach Hause, auf welcher Seite des Spiegels das immer auch ist. Oft ist es sonnenklar, doch gibt es manchmal Zeiten, wo es im dichten Nebel gut verborgen ist.

Ein verbogener Spiegel

verzerrt die Wahrheit, macht aus klein ganz groß, aus dick macht er dünn und für alles was man sich nur vorstellen kann, wird es auch einen Spiegel geben, der es genauso ändern kann.

Wer kennt nicht diese alten Jahrmarkt Spiegel, die Besucher mit dickem Kopf auf plumpen Oberkörper, aber mit langen spindeldürren Beinen zeigen oder einen langgezogenen Eierkopf auf einem wirklich dicken Körper mit extrem kurzen Beinen.

Besonders beliebt sind natürlich die sanfteren Verbiegungen durch diese Spiegel. Sie machen schlank ohne jede Diät, zeigen wohlgestaltete Rundungen dort, wo vorher fast keine zu sehen waren. Mit dem richtig geformten Spiegel kann man alles gerade rücken, was einem nicht gefällt, der Bauch geht weg, ohne Training, die Schultern werden breiter, alles ist möglich. Gehst du durch diese Spiegel, so bist du plötzlich schön, athletisch, wohlgeformt, attraktiv und begehrt. Viele lieben es durch diese Spiegel zu gehen, und fast keiner will wieder zurück, aber das ist nicht so einfach. Diese Spiegel haben eine ungeliebte Eigenschaft. Je weniger man sie zum Spaß benutzt, mit ihnen nur kurzweilige Unterhaltung für seine Freunde schaffen will, umso schneller werfen einen die Spiegel wieder zurück. Zurück auf den harten Boden der Realität, brutal, ohne Schönfärberei, wo man wieder unattraktiv ist, unglücklicher den je, denn man hat sich ja so wohl gefühlt, auf der anderen Seite dieser Spiegel.

Durch teures Zubehör wurde immer schon versucht, die Wirkung der Spiegel nur für die eigene Sucht nach falscher Attraktivität, zu verlängern. Verhindern, das einem der Spiegel wieder ausspuckt, zurück in den durch die eigene Unzufriedenheit mit sich Selbst erschaffenen Sumpf der wahren Realität, kann man nicht. Bloß es immer wieder, immer teurer, immer riskanter hinauszögern, bis man umso tiefer, umso schmerzhafter fällt, das kann man versuchen.

Solch Zubehör funktioniert einfach nicht wirklich, obwohl man es sich so sehr wünscht, so sehr daran glaubt.

Für den Mann im besten Alter, der sich bedenklich dem alt werden nähert, hilft ein Porsche natürlich um die Blicke der attraktiven Ladys weiter in seine Richtung zu lenken, aber kann er sich sicher sein, das die Blicke nicht dem schnittigen Sportwagen gelten, hinter dessen getönten Scheiben er sich verbirgt? Nein, er ist sich sicher, das diese verheißungsvollen Blicke der Damen alleine ihm gelten. Und doch will er es nicht riskieren, seine Selbstsicherheit aufzugeben, die er auf dem Fahrersitz seines Luxussportwagen hat, nur um eine der Ladys anzusprechen. Wird ihn der Spiegel ausspucken, wenn er den Schutz seines Porsches verlässt? Wird ihn die Dame auch nur eines Blickes würdigen, wenn sie ihn ohne seine schützende Haut, seinem Porsche sieht?

Auch die alternde Diva, ihrer betörenden Schönheit bewusst, braucht immer länger, ehe sie das Badezimmer verlässt und hinein in den Alltag geht. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie mit ihren Tiegeln und Dosen, Salben und Cremes nicht mehr auskommt und einen Schönheitschirurgen zu Rate zieht, der ihr dabei hilft, morgens und abends im Bad so manche wertvolle Stunde zu sparen. Doch diese Stunden der Ersparnis holt sich der Spiegel durch Tage und Wochen des Versteckens, bis die Operationsnarben abgeheilt sind leicht wieder zurück. Und dann, eines Tages, wenn die vielen Korrekturen und Aufspritzungen das Gesicht der Diva gezeichnet haben, ihr Ausdruck gefühllos und versteinert ist, spuckt sie der Spiegel aus, direkt auf das Parkett der gesellschaftlichen Lächerlichkeit, das die Diva nicht wahrnehmen will und von einem Fettnäpfchen ins nächste stolpert, und nur noch ein einziger älterer Gentleman ihr anbietet, sie nach Hause zu bringen, in seinem alten, etwas rostigen Skoda, denn seinen Porsche hat er erst neulich verschrottet, als er beim Angeben zu schnell durch eine Kurve wollte.

Durch diese Spiegel kann man nur sehr schwer wieder zurückgehen, wenn man sich erst einmal verbogen hat und glaubt, nun erst sei man gerade geworden. Man sieht ein seltsam verbogenes Loch, das man nicht mehr als sein eigenes erkennt. Doch der Spiegel spuckt einem aus, unweigerlich, wenn man sich wehrt, ihn an seiner falschen Seite kratzt.

Ein farbiger Spiegel

verfälscht die Farbe der Wahrheit, wie eine Brille, die alles rosarot färbt. Wie das Orange einer Brille, das uns den Nebel, den Dunst besser durchdringen lässt. Wie eine dunkle Brille, verspiegelt, die nur unsere coolen Gedanken an die Außenwelt durch lässt. Eine Brille, vielleicht sogar mit Wechelgläserrn, unterstützt und hilft, wir nehmen das, was wir gerade brauchen.

Doch ein farbiger Spiegel färbt uns schlussendlich als Ganzes ein. Die Brille nehme ich ab, doch wie wasche ich mich von den vielen Farben wieder völlig rein. Zeige ich mich anderen in bunten Farben, Farben die nicht die meinen sind, auch durch vieles Waschen nur unvollkommen abgegangen sind, so sehen mich die anderen als den bunten Hund, der fröhlich durch das Leben geht. Sie sehen nicht das Grau darunter, sehen nicht die Traurigkeit, die mich begleitet, dann und wann. Sie sehen mich dann kaum mehr richtig, und langsam gehen wir auseinander, unsere Wege trennen sich schon bald.

Um das Ganze für mich zu verbessern, denke ich, ich sollte wieder durch einen dieser Spiegel gehen. Vielleicht wird´s diesmal gar eine Wasserfläche, die mich spiegelt, so klar und rein. Stürze ich mich dann mitten in mein Spiegelbild hinein, zerrinnt das Bild, die Illusionen, die ich von mir habe, alles löst sich in den Wellenkreisen auf. Nach einer Weile eingetaucht im dem reinen klaren Wasser, tauche ich am Ufer wieder auf, geh zu einem Baum, ziehe meine nassen Kleider aus.

Nun bin ich wieder ganz der Alte, so wie ich früher auch schon war. Gewinne langsam wieder, was ich so oft zurückgelassen habe.

Was bleibt, sind die Geschichten, die Abenteuer, von denen ich erzählen kann. Und von dem Glück das ich sehr schätze, das ich zurückgekehrt auf die richtige Seite, euch allen davon nun erzählen kann.