Festschrauben

Ich war dabei, einen widerspenstigen dicken Eisendraht an der Außenmauer zu verlegen. Mit der einen Hand versuchte ich den starken Draht zu bändigen, damit er an der Stelle blieb, an dem ich ihn mit Schelle und Akkuschrauber fixieren wollte.

Hatte ich den Draht in Position gebracht, so verrutschte mir die Schelle, die ich dann wieder neu ausrichten musste, ohne dabei den Akkuschrauber aus der Hand zu legen, denn wenn ich den Schrauber neu aufnehmen musste, verrutschte sicher irgendwas und die Geschichte begann von vorne.

Ich denke das Geheimnis handwerklichen Geschicks besteht darin, Tätigkeiten für die man drei oder mehr Hände benötigt, um sie ordentlich auszuführen, einfach mit seinen eigenen zwei Händen und etwas Fingerfertigkeit, Intuition, Improvisation und einer guten Portion Glück rasch und wie von Zauberhand auszuführen.

Doch bei diesem dicken Eisendraht ließen mich meine Fingerfertigkeit und meine Intuition im Stich. Die Bohrmaschine rutschte mir aus den Fingern, fiel mit dem spitzen Schraubeinsatz voran zu Boden, nur ganz knapp verfolgt von meiner Hand, die sie festhalten wollte.

Sie fiel auf jenen Boden, auf dem ich, mit Gartenclogs an den Füßen, stand. Ich spürte plötzlich Druck, ja einen Schlag auf meinem rechten Vorderfuß, verbunden mit dem metallischem Geräusch des aufschlagenden Bithalters und seinem Schraubeinsatz.

Der Akkuschrauber stoppte und somit holte ihn meine Hand ein und hielt ihn fest. Doch da war dieser Schlag auf meinem rechten Vorderfuß.

Ich schloss die Augen, biss die Zähne zusammen und wartete auf den kurzen Moment, an dem ich an meinen Zehen Wärme verspüren würde, durch das aus der Wunde austretende Blut. Gleich darauf gefolgt von eisiger, lähmender Kälte, die ich empfinden würde, wenn mein Körper, zu meinem eigenen Schutz einen Teil meines Körpers einfach kurzzeitig ausschalten würde, damit ich vor dem abergroßen Schmerz eines zertrümmerten Zehenknochens oder einer durchtrennten Sehne mit offener, stark blutender Wunde geschützt war und nicht ohnmächtig werden musste. Langsam begannen meine Gedanken zu kreisen, ob ich den Schraubeinsatz der Bohrmaschine aus meinem Fuß, aus meiner Zehe, welche immer auch getroffen war, herausziehen sollte oder nicht.

Natürlich war ein Entfernen unumgänglich, da ich immer noch auf die Wärme meines Blutes wartete, dachte ich, das der Einsatz die Wunde verschloss und ich erst nach dem Herausziehen umso stärker bluten könnte. So gesehen war es wohl besser den Einsatz im freien herauszuziehen und nicht ins Haus zu laufen, was mit einem Akkuschrauber am Fuß sowieso kein leichtes Unterfangen wäre.

Auf jeden Fall sollte ich mich zusammenreißen, meine Augen öffnen und hinsehen, was genau passiert war und mit dem Zähneknirschen aufhören, damit ich notfalls in der Lage war, ein befreiendes, weithin zu hörendes und stark schmerzlinderndes „so ein Schaaaaaas“ hinauszuschreien.

In Erwartung einer Blutlache öffnete ich die Augen, sah das mehrere Zentimeter des spitzen Schraubeinsatzes in meinem rechten Gartenclog verschwunden waren, löste langsam und vorsichtig meinen Zeigefinger vom Auslöser des Akkuschraubers, damit ich nicht durch ein unabsichtliches Einschalten der Bohrmaschine alles noch schlimmer machen konnte. Ich zog langsam, immer auf pulsierendes Blut, plötzlich einsetzenden höllischen Schmerz, und was immer ich mir in Panik sonst noch alles ausmalte wartend, an dem Akkuschrauber.

Langsam kam der Schraubeinsatz mit der Spitze für Kreuzschlitzschrauben aus dem frischen Loch meines Gartenschuhs heraus. Als ich die Spitze komplett sehen konnte, war sie immer noch metallisch glänzend ohne Blutspuren. Langsam legte ich das Werkzeug beiseite und zog meinen Fuß vorsichtig aus dem Schlapfen.

Ich sah ein Loch in meinem Socken und erkannte, das mich an diesem Tage zwar mein Geschick kurz verlassen hatte, aber mein Glück, glücklicherweise bei mir blieb und über mich wachte. Das Loch in meiner Socke zeigte mir, das die gefährliche Spitze des Werkzeuges genau zwischen der großer Zehe und der nächsten, also an jener Stelle, an der man bei Flip Flops den Zehentrenner hat, durch die Sohle bis hinunter auf den Betonboden durchgeschlagen hatte.

Ich konnte mich also auf mein über mich wachendes Glück verlassen und mit frischem Mut war der widerspenstige Eisendraht rasch an Ort und Stelle fixiert.

Beim Aufräumen des Werkzeuges viel mir kurz das Sprichwort „Schwein muss man haben“ ein, verwarf aber den Gedanken an ein süßes rosa Glücksschweinchen sofort wieder und dankte statt dessen meinem tollen Schutzengel.