Die Verdampfer

Nun bestellte ich schon zum dritten mal hintereinander ein Glas Wasser. Diesmal brachte mir „Charly“, der Ober in meinem Stammkaffee, ein ganz glattes Glas, kein Muster, kein Werbeaufdruck gab irgendeinen Anhaltspunkt, wie voll, oder auch wie leer dieses Glas Wasser war. Nein, keine Angst. Nicht der philosophische Teil eines halb leeren oder halb vollen Wasserglases hatte es mir angetan, nein, einzig und alleine das ständige Verschwinden des Wassers aus dem Glas machte mir Sorgen. Ich wickelte eine Papierserviette um das Glas und drückte mit dem Daumennagel eine Markierung auf der Höhe des Wasserspiegels hinein, nachdem ich einen Schluck getrunken hatte. Was passiert da und wer steckt dahinter? Ich konnte in den letzten Tagen immer wieder beobachten, das aus Gläsern, Krügen und auch aus Flaschen sehr schnell Wasser verdampfte. Ich nannte es verdampfen, eigentlich verschwand es ohne irgendeine Spur zu hinterlassen. Auch jetzt, nur eine Minute später, war der Wasserspiegel im Glas deutlich gesunken. Daraus wurde ich einfach nicht schlau, was oder wer steckte da dahinter?

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War es wichtig genug, damit ich vom Universum den Auftrag zur Untersuchung dieser mysteriösen Wasserschwundsache bekommen werde? Ich überlegte, was ich selbst alles schon beobachtet hatte. Wasser verschwand, „verdampfte“. Und zwar immer wenn wir es trinken wollten, sei es aus einem Glas, oder aus einem Krug. Wenn aus einem Krug oder einer Flasche Wasser in ein Glas eingeschenkt war, und jemand daraus getrunken hatte, oder aus der Flasche oder dem Krug direkt getrunken hatte, verdampfte kurz darauf etwas von dem Wasser im Krug oder in der Flasche. Ich machte in den nächsten Tagen eine Testreihe. Flaschen, Krüge, Schüsseln und Gläser mit Wasser standen bei mir in großer Zahl herum, auch im Waschbecken, in der Badewanne und in einem alten Lavour war Wasser zum Händewaschen hergerichtet. Es war immer nur das Wasser, von dem getrunken wurde, das verdampfte. Ich machte die Gegenprobe und schöpfte mit einem Heferl einen Schluck aus der Wanne, und kaum hatte ich daran genippt, schon sank der Wasserspiegel in der Badewanne beträchtlich. Auch Freunde und Bekannte auf der ganzen Welt verteilt, machten die selben Beobachtungen.

Ich machte mir Sorgen, was das alles zu bedeuten hatte und reimte mir die wildesten Theorien zusammen.

Wollten geheime Mächte an unsere DNA, die sie im Trinkwasser zu finden hofften? Aber warum dann jedes mal, aus jeden Glas, das wir, das ich trank? Genügte da nicht einige wenige Proben.

Hat eine Supermacht geheime Zutaten in unser Wasser getan und überwachte nun akribisch, wie sich das im Detail auf uns auswirkte? Sollte das Zeug, das sie ins Wasser getan hatten uns nur nervös machen, so hatten sie bei mir zumindest, ihr Ziel erreicht.

Oder waren Außerirdische, auf deren Planet ihre Wasservorräte zur neige gingen, am Werk und sie wollten auf eine eigenen Übervorsichtige Art nur Wasser, das auch wir tranken? Zu viele Fragen waren offen, um etwas konkretes zu erkennen. Ich lehnte mich zurück, verdrängte all diese fragen und versuchte zu entspannen. Ganz leise hörte ich eine vertraute Stimme in meinem Kopf. „Du machst dir Sorgen über das verdampfte Wasser?“ Ich nickte zustimmend. „Untersuche es, finde es heraus und schaffe Klarheit, bevor zu viele geheime Verschwörungstheorien geschaffen werden, die die Menschheit verunsichern und aufhetzen können! Treibe diesen Auftrag mit allen Mitteln voran! Erste chemische Laborergebnisse verschiedener Wasserproben wirst du heute noch erhalten.“

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Ich hatte also den Auftrag. Genug entspannt, ich machte mich an die Arbeit. Ich wollte auch alle anderen Gesichtspunkte finden, wie man Wasser betrachten konnte, nicht nur mit Chemie. Da gab es auch die verschiedensten physikalischen Eigenschaften wie elektrische Leitfähigkeit, optische Faktoren der Lichtbrechung und Lichtdurchlässigkeit, aufgesplittet in das erweiterte Farbspektrum. Wir hatten es ja nicht mit chemisch oder technisch reinem Wasser zu tun, sondern mit natürlichem Wasser, so wie es aus den Quellen kommt, in Flüssen fließt oder in Seen und Meeren vorhanden ist. Salziges Meerwasser war nicht dabei, es ging nur um Trinkwasser unterschiedlicher Qualität und Herkunft. Meerwasser war wohl erst nach entsprechender Aufbereitung interessant.

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Ich hatte plötzlich Getränke, die alle „Wasser des Lebens“ genannt wurden, im Kopf. Also schenkte ich mir einen Whiskey ein. Das gälische „uisge - beatha“ bedeutet ja Wasser des Lebens. Mit diesem Glas, aus dem ich trinken konnte, ohne das etwas „verdampfte“, wollte ich etwas über unser Wasser philosophieren, bis die ersten Laborergebnisse fertig waren.

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Etwas später hatte ich eine Menge Daten im Posteingang meiner Mailbox. Aus dem Begleittext sah ich, das auch ein Kanadischer Wasserexperte an diesen Untersuchungen Interesse hatte. Sofort nahm ich mit ihm Kontakt auf. Es stellte sich heraus, das Steve Deepwater, genauso wie ich, immer wieder mal einen Auftrag vom Universum erhielt, um die Welt zu retten oder zumindest ein kleines bisschen besser zu machen. Also war unsere Zusammenarbeit eine beschlossene Sache. Wir beschlossen noch etwas im jeweiligen Heimatland zu recherchieren und uns anschließend persönlich zu treffen. Die chemischen Analysen ergaben keinerlei Anhaltspunkte, vielleicht halfen Test des physikalischen Verhaltens weiter. Doch ich befürchtete auch dabei keine neuen Erkenntnisse zu erlangen. Was konnte nur passieren, wenn man einen Schluck Wasser trank. Wieso unterscheidet sich Wasser von dem man einen Schluck getrunken hatte, von dem selben Wasser nur eine Minute bevor man trinkt.

Das schien der Knackpunkt zu sein. Noch hatte ich keine Ahnung wie dieses Rätsel gelöst werden konnte.

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Meine Gedanken wurden durch das Telefon unterbrochen. Eine weibliche Stimme meldete sich auf englisch und stellte sich als Miss Rere Marama aus Neuseeland vor. Auch sie war auf das „Wasserverdampfen“ gestoßen und wollte sich mit mir kurzschließen. Auf die Frage, wie sie auf mich kam, antwortete sie Wortkarg: „Die Stimme hat es mir gesagt!“

Ich dachte einen kurzen Moment nach und murmelte „ok!“. Ihre Antwort kam sofort „so ist es!“ und wir besprachen das weitere. Ich erwähnte auch meinen Kontakt zu Steve Deepwater, den sie sehr gerne kennenlernen wollte. Ich organisierte eine Videokonferenz und zu dritt versuchten wir dem Problem des „verdampfenden Wassers“ seine Geheimnisse abzuringen. Obwohl es Drei verschiedene Betrachtungsweisen gab, so waren wir doch allem neuen gegenüber offen. Als Team ergänzten wir uns sehr gut, und es entstand sofort eine wunderbar positive Arbeitsatmosphäre.

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In den nächsten Tagen bemerkten wir eine kleine Veränderung. Es schien so, als ob sich die Verdampfungsfälle nicht mehr gleichmäßig über die ganze Welt verteilten. Wir stellten unabhängig voneinander fest, das das mysteriösen Verschwinden des Wassers speziell dort verstärkt auftrat, wo besonders an der Aufklärung dieses Phänomens gearbeitet wurde. Vielleicht half es, alle Bemühungen an einem einzigen Ort zu konzentrieren, eine große internationale „Wasserkonferenz“ einzuberufen. Es musste nur noch der richtige Ort gefunden werden. Wir wollten rasch untersuchen, ob es auch Orte mit erhöhter Verdampfer-Aktivität gab, unabhängig von anderen Faktoren. Wir taten unser Bestes und, obwohl wir weitere Einflüsse nicht ausschließen konnten, fanden wir Orte mit erhöhter Wahrscheinlichkeit für die Anhäufung dieses Phänomens. Ganz Island war so ein Ort mit besonders hoher Aktivität. Seine Geysire sind wohl ein besonderes Wasserphänomen, aber auch die Küstenregionen zeigten sehr viele Verdampfungen, besonders wenn Delphin oder Wal – Schwärme vorbeizogen.

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Wir beschlossen die Konferenz in Island abzuhalten. Da Island und seine Einwohner sehr stark mit ihren Naturgeistern, den Elfen und Trollen verbunden war, erschien es sinnvoll, vorher mit Hilfe eines geeigneten Isländers mit den Naturgeistern Kontakt aufzunehmen, um den geeigneten Platz für die Konferenz zu finden. Die Zustimmung der örtlichen Geister zu unserem Vorhaben und eventuell auch deren Unterstützung konnte auf keinen Fall schaden. Geheimes altes Wissen der Elfen und Trolle konnte helfen, dieses Wassergeheimnis zu enträtseln. Kurzentschlossen setzte ich mich in ein Flugzeug nach Keflavik. Steve Deepwater und Rere Marama wollten noch am gleichen Tag dort eintreffen. Am Flughafen angekommen, wollte ich mit einem Taxi nach Reykjavik fahren um ein gutes Hotel zu suchen.

Der Fahrer des Taxis lud meinen Rucksack in den Kofferraum und reichte mir die Hand mit den Worten „Guten Tag, ich bin Eire, ein Huldufólk. Du kommst wegen dem seltsamen Wasser-Trinken?“ Ich war verblüfft. Ich konnte nur nicken. „ woher weißt du?“ Wollte ich fragen, da sprach Eire schon weiter. „Huldufólk heißt verborgenes Volk. Ich bin beauftragt, dich zu uns zu bringen, zu unserem Rat. Wir, Elfen, Zwerge, Feen und Trolle sind beunruhigt, und ihr seid es auch. Genauso wie unsere Freunde die Höfrungur. Ihr nennt sie Delfine.“ Er blickte mich mit offenem Herzen an und fragte: „Kommst du mit?“ Nach einer kurzen Pause fügte Eire hinzu „ Steve und Rere werden wir auch abholen.“ Meine Antwort war einfach. Ich stieg ins Taxi uns sagte „ja klar.“ Ich war voll Freude, ich würde Naturgeister kennenlernen. Fürs erste die ganze Geschichte mit dem Trinkwasser vergessend, bat ich Eire, mir während der Fahrt mehr über ihn und die seinen zu erzählen.

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Eire zeichnete mit seinen Erzählungen eine traumhafte Märchenwelt, voller kleiner Wunder und vielerlei bunter, umtriebiger Gestalten die auf dieser Insel mit all ihren wildromantischen Plätzen und Naturwundern zahlreicher als sonst wo auf dieser Welt in einer speziellen Symbiose mit den Menschen hier lebten. Ich hatte auch schon einige Begegnungen mit dem kleinen Volk, und lernte so manche Fee und so manchen Kobold kennen. Doch hier schien ihr sonst längst vergangenes Paradies bis heute ungetrübt weiter zu leben.

Die Ankunft beim Rat der Huldufólk war wie ein noch intensiveres Eintauchen in die verzauberte Märchenwelt aus Eire´s Erzählungen. Es ging in eine kleine Höhle, deren Eingang hinter einem Wasserfall versteckt war. Dort warteten die Mitglieder des Rates an einer runden Tafel, die mit allerlei Erfrischungen und Früchten der Natur gedeckt war. Ein kleiner Springbrunnen in der Mitte des Tisches spendete erfrischendes, kristallklares Trinkwasser. Wir gingen, allen die Hände schüttelnd, an die andere Seite der Tafel und zu meinem großen Erstaunen sah ich Steve Deepwater und eine bunt gekleidete Frau an der Seite eines weiteren Huldufólk´s im Taxilenkeroutfit eintreten. Eire zwinkerte mir zu und sprach „Ich habe ein bisschen mehr erzählt und bin ein bisschen langsamer gefahren, damit ihr alle gleichzeitig bei der Versammlungshöhle ankommt“. Sein Zwinkern verriet mir, das sie die Zeit etwas manipulieren konnten, langsamer und schneller, was gerade dienlich war.

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Nachdem wir uns alle etwas gestärkt hatten, tauschten wir unsere Trinkwasser - Erfahrungen aus. Es war immer das selbe Prinzip. Wasser aus Gefäßen, von Blättern und aus Tautropfen wurde angezapft, sobald jemand davon getrunken hatte. Bei Walen und Delphinen verdampfte das Wasser, das sie beim Auftauchen durch ihr Atemloch in die Luft bliesen. Das konnte ein Mensch in dem Sprühnebel gar nicht erkennen aber diese intelligenten Meerestiere spürten und wussten es.

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Dann besprachen wir alle Eigenschaften des Wassers, die nicht chemisch, physikalisch, optisch oder durch sonst eine Naturwissenschaft bereits überprüft und getestet wurde. Es galt den Unterschied von Wasser, verschiedenster Art und Qualität, vor und nach dem jemand trank, zu finden. Es musste einen Grund geben, warum nur Wasser, das ganz sicher zum Trinken gedacht war, eben weil es jemand schon getan hatte, zum Verdampfen gebracht wurde. Die Köpfe rauchten und wir kamen der Lösung keinen Schritt näher. Wir alle brauchten eine Pause.

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Ich bat um eine kleine Führung durch die örtlichen Naturschauspiele wie die Geysire und was es sonst noch sehenswertes mit Wasser gab. Ein Bad in den hier vorkommenden warmen Quellen sollte Entspannung und Inspiration zugleich sein, meinte Rere Marama und Steve Deepwater nickte zustimmend. Die Mitglieder des Rates der Huldufólk fanden diese Idee ebenfalls sehr gut und wir machten uns auf dem Weg. Auf den geheimen Pfaden wurden wir durch eine Märchenwelt geführt. Die Ratsmitglieder erklärten die Besonderheiten der einzelnen Attraktionen und gaben kurzweilige Anekdoten zum Besten bis wir zu einem Geysir - gespeisten Tümpel kamen und darin gemeinsam ein heißes, entspannendes Bad nahmen. Eine Elfe warf mitgebrachte Blätter ins Wasser, und sofort verbreitete sich ein zauberhafter, beruhigender lieblicher Duft. Rere, die mit geschlossenen Augen das Bad genoss, begann leise zu sprechen. „Dieser liebliche Duft ergänzt so wunderbar die Schwingungen des Wassers, die von der pulsierenden Reise aus dem inneren der Erde durch viele Ritzen und Spalten im rauen Fels erzählen.“ Ein Ratsmitglied meinte „ja, jeder Geysir erzählt durch die Schwingungen im Wasser seine ganz spezielle Geschichte.“ und Steve ergänzte „wir haben in Kanadas Seen Untersuchungen gemacht und festgestellt, das Wasser sehr viele Informationen speichern kann. Wir glauben, das man die Unterschiedlichen Informationen sogar schmecken kann.“ Rere führte eine Hand voll Wasser aus dem gerade aktiven Geysir an ihre Lippen, tauchte die Zunge ein und meinte „ich kann es nicht nur spüren, ich kann es auch schmecken.“ ein Troll kam hinzu und reichte ihr ein Glas Wasser. Sie trank einen Schluck uns sagte zu uns „Das ist nicht von einem Geysir aus der Tiefe, das Wasser ist von einem Wasserfall, ich glaube sogar“ sie nahm einen weiteren Schluck“ von dem, der den Eingang zum Ratssaal verdeckt!“ Der Troll hob beide Daumen bestätigend in die Höhe und begann zu tanzen und zu springen und verschwand so aus unserem Blickfeld. In meinem Kopf begann es zu summen. Wenn jemand, wer oder was für ein Wesen auch immer das möchte, mit Wasser einzig und alleine seinen Wissensdurst stillen möchte, und daran glaubte, das auch wir das tun, so musste Wasser, das wir tranken, so interessant wie für uns ein Buch oder eine Zeitung sein, anderes Wasser das wir nicht trinken wirkt dann mehr wie ein unbeschriebenes Blatt Papier. Ich wusste nicht, ob ich diese sehr befremdlich wirkende Theorie laut aussprechen sollte, zu skurril erschien mir der Gedankengang. Ich merkte plötzlich, das mich alle anstarrten und mich aufforderten zu sprechen. Ich spürte, das sie wussten, das ich eine Theorie hatte und sie sie hören wollten, obwohl sie sie bereits erahnten. Ich erläuterte meine Gedanken und alle saßen stumm da. Fast gleichzeitig begannen die Ratsmitglieder zu sprechen. „Es ist eine vernünftige Erklärung, nun brauchen wir noch diese sonderbaren Wesen dazu!“ Doch wie sollten wir diese uns völlig unbekannte Spezies finden. Wir beendeten den Entspannungsausflug, der uns einen Schritt weiter gebracht hatte, und gingen zurück in den Ratssaal.

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Wie sollten wir weiter vorgehen. Am besten erschien es uns eine Kontaktaufnahme zu versuchen. Die Frage war nur wie. Das einzig gemeinsame, das wir und diese fremdartigen Wesen hatten, war das Trinkwasser. Es musste also einen Weg geben über das Wasser in Kontakt zu kommen. Es war spät geworden und wir alle waren sehr müde. Der Rat der Hulufólk´s hatte Nachtlager für uns vorbereitet und wir wollten am Morgen gleich gleich wider zu arbeiten beginnen. Wir wünschten uns gegenseitig eine gute Nacht und sanken, auf saftigem Moos gebettet, rasch ins Land der Träume.

Am nächsten Morgen hatte jeder von uns neue Ideen, und das Frühstück wurde zum Arbeitsessen. Wir besprachen verschiedene Möglichkeiten wie wir zuerst Informationen ins Wasser bringen konnten und was wir wohl als mögliche Antwort erhielten. Rere Marama ging in ihrer Eigenschaft als Matakite, als Seherin, in Trance um auf diese weise empfangsbereit zu sein. Steve Deepwater hatte eine komplexe Laserlichtlampe und eine Spezialkamera aufgebaut, um Schwingungsinformationen im Wasser einer großen Schale in der Mitte des Tisches in Farben und Formen darstellen zu können. So konnten wir Veränderungen erkennen, auch wenn wir nicht wussten, welche Bedeutung diese Informationen hatten. Nach ein paar erfolglosen Versuchen stellte sich heraus, das sich Formen und Farben in Steves Aparatur deutlich änderten, wenn man Worte und Sätze durch einen Strohalm ins Wasser spricht. Es war so ähnlich, wie wenn ein Kind durch den Strohalm im Getränk blubbernde Blasen erzeugt um sich daran zu erfreuen.

So nahmen wir alle eine Strohalm und besprachen das Wasser in der Schüssel gemeinsam mit der Bitte „Gebt uns ein Zeichen“. Deutlich änderte sich das Bild der Deepwater´schen Darstellung, aber sonst passierte nichts. Noch nichts. Da sagte ich „trinkt, sie lesen unser Wasser doch erst nachdem wir getrunken haben“. Wir tranken alle durch den Strohhalm und warteten gespannt auf eine Reaktion. Nur ein paar Sekunden später senkte sich auf die bekannt gespenstische Weise der Wasserspiegel in der Schüssel und unsere Blicke sprangen zwischen Rere, die ihre Trance aufrecht hielt, und dem Bildschirm von Steve hin und her. Rere hob ihren linken Zeigefinger, als wollte sie unsere Aufmerksamkeit auf etwas lenken und wir sahen am Bildschirm ganz kleine Regenbogenkreisel im sonst ruhigen Wasserschwingungsbild des Monitors.

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Intuitiv blubberte ich ein Dankeschön durch meinen Strohhalm. Die Regenbogenkreisel machten alle einen kleinen Ruck im Uhrzeigersinn. Wir hatten so etwas wie einen Erstkontakt. Während wir uns darüber freuten, schöpfte Rere mit einem Glas etwas Wasser aus der Schüssel, Ein paar Tropfen rannen dabei in das Springbrunnenbecken und dadurch hinaus ins freie, und bald darauf ins Meer. Sie trank etwas daraus und hielt sich das Glas an die Stirne. Nach einer Weile sprach sie leise mit vibrierender Stimme. „Wie ist der Anfang, wie bildet sich festes, oder besser stoffliches, das lebt. Wie habt ihr (sie meinen Uns) im Meer begonnen, wie seid ihr entstanden, wie seid ihr gereift, gewachsen zu euren heutigen, vielfältigen Gestalten“ Rere schüttelte sich. Nach ein paar Minuten stand sie etwas unsicher auf, und wollte hinaus ins Freie. „Kommt mit, er ruft!“ Aufgeregt eilte sie mitten durch den Wasserfall, der den Eingang der Höhle verbarg, hinaus. Wir folgten ihr und eilten ihr nach auf einen nahen Felsen. Oben angekommen konnte man das Meer sehen und ein riesiger Wal blies eine mächtige Fontaine in den Himmel. Viele Delphine umkreisten ihn wie in einem wunderschön choreografiertem Wasserballett.

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Die Botschaft des mächtigen Wales konnten wir alle verstehen, fühlen, auf eine eigene Art im Rauschen der Brandung heraushören. „Die Nebelwesen wollen uraltes Wissen über die Entstehung des Lebens im Wasser des Urmeeres und die Eroberung des Wassers, der erde und der Luft als Lebensraum. Wir, die wir im Einklang mit der Natur und mit Hilfe unserer Freunde im Wasser in den tiefen des Meeres uraltes Wissen bewahrt haben, werden diese Wissen mit den Nebelwesen teilen, damit auch sie eines Tages auf ihren fernen Planeten feste Gestalt annehmen können. Sie werden ihre Fähigkeit als kosmischer Nebel durch die Galaxien zu reisen, verlieren, doch das geben sie gerne für eine feste Gestalt.“

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Weitere Wale und Delphine stießen zu der Gruppe, bliesen und peitschten das Wasser bis alle von einer riesigen Gischtwolke verhüllt waren. Plötzlich stieg eine Nebelwolke aus der Gischt auf und zog über uns hinweg. Es schien uns, als ob es ganz leicht nieseln würde, und wir fühlten alle ein Gefühl großer Dankbarkeit und Freude, das uns umhüllte. Die See beruhigte sich, die Wale drehten sich den Weiten des Meeres zu, und tauchten, mit ihren riesigen Schwanzflossen uns zuwinkend ab. Die Delphine schnatterten und pfiffen zum Abschied und schwammen rasch nach Westen.

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Ein außerordentlich beeindruckendes Naturschauspiel gigantischen Ausmaßes war zu Ende. Wir waren Teil eines intergalaktischen Wissensaustausches geworden. Voll Ehrfurcht blickten wir lange aufs Meer hinaus, bevor wir zurück in die Höhle der Huldufólk´s gingen. Dort stärkten wir uns mit allerlei Früchten der Insel Island und tranken Wasser aus dem Springbrunnen in der Mitte der Tafel. Immer wieder blickten wir unsere Gläser an, doch nichts geschah mehr, kein einziger Tropfen „verdampfte“.

Die Verdampfer, oder die Nebelwesen, wie die Wale sie nannten, waren auf dem Weg nach Hause, wo sie dank des uralten Wissens der Meeresbewohner einen neuen Schritt ihrer Entwicklung einleiten wollten.

Wir, die Kinder unserer Mutter Erde, werden wohl nach diesen Erlebnissen nie wieder geringschätzig über Wasser denken oder reden. Wir haben viel gelernt.