Abfahrt von der Autobahn

In meiner ersten Firma nach der Ausbildung fing ich schon sehr früh an. Das war nicht nach meinem Geschmack, aber damals so üblich. Diese Firma lag an der Südautobahn, gleich nach einem kleinen Autobahnparkplatz an dem etwas tiefer ein Feldweg vorbeiführte, der in die Straße mündete, an der das Firmengebäude lag. Leider musste man noch etwa 3km weiter bis zur nächsten Ausfahrt weiterfahren, dann eine kleines Industriegebiet umrunden ehe man zurück zur Firmenstraße fahren konnte an deren Ende das Gebäude lag, in dem ich arbeitete. Also ein irrer Umweg, in meinem extrem knappen Zeitplan frühmorgens.

Obwohl ich speziell im Sommer mit dem Motorrad nicht langsam unterwegs war, so kam ich immer erst auf den allerletzten Drücker am Portier vorbei, der die Aufgabe hatte, zu spät kommende zu notieren und den jeweiligen Abteilungsleitern zu melden. Waren es zwei oder drei, die erst zwei oder drei Minuten nach Punkt die Empfangshalle betraten, gelang es mir oft, mich schnell vorbei zu stehlen und im Stiegenhaus zu verschwinden. Den Lift nahm ich dann immer erst im ersten Stock. Ich war sicher führend bei den „zu spät kommen“ Einträgen, die zehntel Stunde, so wurde die zeit abgerechnet, brachte ich zwar immer gleich ein, aber das regelmäßige zu spät kommen ließ mich in einem schlechten Licht erscheinen.

Eines Donnerstages, ich war diese Woche schon dreimal um einige Minuten zu spät gekommen, flog ich auf meiner sieben - fünfziger Norton auf den kleinen Parkplatz zu, etwa drei Minuten vor Punkt. Über die Ausfahrt, um das Industriezentrum und zurück in die Firmenstrasse war ich grob gerechnet etwa fünf Minuten hinter der Sollzeit. Ich wollte nicht vier mal in dieser Woche zu spät kommen, also lenkte ich kurz entschlossen auf den Parkplatz, bremste stark ab, fuhr über ein Stück Wiese, auf dem Hinterrad die Böschung hinab auf den Feldweg. Sehr eng an dem Traktor eines Bauern vorbei, der mir mit der Faust drohte, und ohne mich nochmals zu ihm umzudrehen hinein in den Firmenparkplatz. Flott geparkt, rasch hineingelaufen, den Helm erst auf den Stiegen hinauf zur Eingangshalle abgenommen und sofort auf die große Uhr geblickt: eine Minute vor Punkt!

Ich hatte es geschafft! Ich ging zum Lift, wo ich eine Gruppe Mitarbeiter traf, alle aus dem „Lada Taiga Club“ die sich mit ihren Lada Taiga´s, dem damals absolut billigstem Geländeauto, sehr oft am Wochenende trafen um in nahegelegenen Schottergruben und alten Müllhalden die Geländetauglichkeit ihrer Taiga´s im Wettstreit gegeneinander auslebten. Ich hörte, wie sie darüber sprachen, das ich mir mindestens 10 Minuten erspart hätte, weil ich, wie sie selbst sahen, ja vom Parkplatz aus über die Wiese und den Feldweg gekommen bin.

Am nächsten Morgen wollte ich bewusst früher fahren, damit ich nicht doch die vier mal zu spät in einer Woche Marke knackte. Wieder über den Feldweg wollte ich nicht, vielleicht hat der erzürnte Bauer eine Falle aufgebaut, oder sonst eine Gemeinheit vorbereitet. Ich erreichte also völlig locker Sechs vor Punkt mein Büro und blickte aus dem Fenster in Richtung des Feldweges, der zum Autobahnparkplatz führte. Hinter einem Busch sah ich ein Auto der Gendarmerie (so hieß die Polizei außerhalb von Wien damals) und mitten auf dem Feldweg drei Lada Taiga stehen, deren Lenker gerade von den Gendarmen kontrolliert wurden. Später erfuhr ich, das sie mit einer Anzeige rechnen mussten, weil man nicht frei über Wiese und Böschung die Autobahn verlassen darf!

Ich war sehr froh, das mich mein Instinkt rechtzeitig gewarnt hatte und lachte mir ein klein wenig ins Fäustchen!