Die verstaubten Modelle frisch gemacht?
Der Beitrag gibt vor, sich um eine »Fitnesskur für das Sozialsystem« zu bemühen. [20]
http://www.romanherzoginstitut.de/publikationen/detail/bedingungsloses-grundeinkommen.html
Es soll dabei um eine »größere Akzeptanz des Sozialversicherungs- und Grundsicherungssystems« gehen. Und die Schwächen »der aktuellen Gestaltung der sozialen Marktwirtschaft« sollen beseitigt werden. - Der Autor arbeitet unter anderem für das Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V.. [24]
https://de.wikipedia.org/wiki/Institut_der_deutschen_Wirtschaft
Ihm geht es darum, dass die in Anwendung gebrachten Konzepte »marktkonform« ausgestaltet sind. [21] - Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet er sowohl das Bedingungslose Grundeinkommen, als auch unser aktuelles Sozialsystem.
D. Enste stellt seine eigene Sicht auf die Gesellschaft als die normale, richtige und »rationale« dar. Die er sogar ganz offen als »pessimistisch« bezeichnet. [12, 21] - Während »die anderen«, also zum Beispiel die Grundeinkommens-Befürworter aus seiner Sicht, Träumer und emotionale Menschen sind, die »realitätsfern-optimistisch« den Menschen wahrnehmen und von »Sehnsüchten« getrieben, sich ein »sorgenfreies« Leben sich vorstellen. [3, 14]
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Das sprachliche Repertoire des Autors als »Wirtschaftsvertreter«, zeigt, wie sich die Unternehmerschaft die Gesellschaft vorstellt. Die Stichworte dabei sind: Arbeitsanreize, Bedürftigkeitsprüfung, Subsidiaritätsprinzip, Eigenverantwortung, Wettbewerb, weniger Staat [2,3,4], und »drakonische Strafen ... bei Leistungsmissbrauch«. [18] - Der Mensch ist aus seiner Sicht ein »Eigennutzmaximierer«. [12] - »Egoist« wäre wahrscheinlich der treffendere Begriff.
Auf Seite 4 beschreibt Enste die »Probleme des Sozialstaates«. - Weder an dieser Stelle, noch sonstwo im Text erwähnt er die Hartz4-Sanktionen, die den Arbeitslosen in Deutschland de facto zur Zwangsarbeit nötigen, wenn er nicht mittellos auf der Straße stehen will. - Außerdem »vergisst« er die »Billiglohn-Jobs« als ein Problem der Wirtschaft, des Arbeitsmarktes und Sozialstaates darzustellen. - Beide Themen werden in seinem Aufsatz überhaupt nicht angesprochen, was seinen Beitrag »in Gänze« disqualifiziert und »unrealistisch« macht. - Sein Text bildet die Wirklichkeit nicht ab. Was darauf hinweist, dass er selbst einem ideologischen Konstrukt der Weltbeschreibung anhängt.
Er behauptet, zur »Sozialen Marktwirtschaft« würde es nach dem Untergang des Sozialismus »keine Alternativen« mehr geben. [5] - Genau diese Alternative ist ja die Grundeinkommens-Gesellschaft!
In seinen Schaubildern wird der Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Bürger als natürlicher Vorgang kommentarlos eingefügt. So steht in seinem Schaubild auf Seite 9 der Begriff »Mitwirkungspflicht«. Auf Seite 10 und 11 steht in den Schaubildern »Streichung der Ansprüche auf ALG II«, oder »Absenkung des Regelsatzes bei Arbeitsverweigerung«, oder »Senkung der Anspruchslöhne«. - Bei den »intensiv diskutierten Simulationsmodellen« kommt es mir so vor, als ob die »beteiligten Wissenschaftler« sich über Kaninchen im Versuchsstall unterhalten, und nicht über selbständige Individuen mit einer gewissen Würde, denen Achtung entgegengebracht werden müsste. [12]
Sein von ihm propagiertes Menschenbild, RREEMM-Modell, setzt er in Bezug zu einer Knappheits-Gesellschaft. [14] Dies ist unrealistisch. Wir leben schon lange in einer Überflussgesellschaft. - Er spricht davon, wie können Menschen »motiviert werden«. - Auf andere einwirken, sie »anreizen«, ist das nicht ein Angriff, ein Eingriff in den Persönlichkeitsraum der Mitmenschen. - Also eine unverschämte Anmaßung? Er unterstellt den Bürgerinnen und Bürgern eine »Vorliebe für möglichst viel Freizeit« und die meisten würden sich mit einem Grundeinkommen zufriedengeben.
Das jetzige Sozialstaatskonzept lässt die Menschen erst einmal in Freiheit selbst für sich sorgen. Hier missbraucht er den Freiheitsbegriff, um die Leute sich selbst zu überlassen. Ja, der Obdachlose ist »frei«. Toll. - Oder nicht?
Im Falle eines bedingungslosen Grundeinkommens für Jedermann sind dagegen alle Menschen – unabhängig von ihrer konkreten Bedürftigkeit – in der staatlichen Fürsorge gefangen und müssen sich aktiv aus dieser Bevormundung befreien.[15]
An dieser Stelle »verdreht« er die Situation. Es ist genau umgekehrt. Heute sind die Menschen »in der staatlichen Fürsorge gefangen«, während sie in einer Grundeinkommens-Gesellschaft »frei«, im Sinne von abgesichert, wären. Heute müssen wir uns aktiv aus der Bevormundung durch den Staat und seiner Bediensteten befreien, indem die Existenzsicherung nicht mehr »Fürsorge«, sondern gemeinsam und gegenseitig gewährtes Dasein bedeutet.
Was der Autor ebenfalls völlig außer Acht lässt, und in seiner Betrachtung überhaupt keine Erwähnung findet, ist die Digitalisierung und Automation, die zu einem ständigen Arbeitsplatz-Abbau führt. Auch stellt er die Kopplung von Arbeit und Einkommen an keiner Stelle in Frage. - Man könnte auch sagen, sein Beitrag ist gänzlich den Interessen der Unternehmerschaft gewidmet. Was dieser und ihren Ausbeutungsabsichten zupasskommt, wird erwähnt und diesbezüglich »ungünstige« Realitäten werden einfach verschwiegen. Auch der Begriff der »Soziale Marktwirtschaft« hat mit den Äußerungen Enstes überhaupt nichts zu tun. Ludwig Erhard würde sich im Grab herumdrehen, wüsste er von dem Kontext, in den der Autor Erhards Lebenswerk stellt. - Wer Erhards Schrift »Wohlstand für alle« gelesen hat, kann dort keine niederträchtigen Menschenbetrachtungen finden.
Enstens Bezugnahme auf den »Arbeitsethos« ist scheinheilig. [17] Er behauptet, ein Grundeinkommen würde die Arbeitsmotivation lähmen. Dabei verschweigt er die Billiglohn-Jobs und die Hartz4-Zwangsarbeit. Denn wer für zu wenig Geld und bei schlechten Arbeitsbedingungen sich einem Unternehmer »andienen« soll, gemäß der Vorgaben der Jobcenter, und sonst mit Sanktionen bedroht wird, hat heute wenig Motivation sich diesem Prozedere zu beugen. - In einer Grundeinkommens-Gesellschaft hingegen würde der Arbeitslose selbst bestimmen, welchen Themen er sich zuwendet. - Niemand »zwingt« ihn.
Da der Autor sich auf mehrere Grundeinkommens-Modelle bezieht, kann er sich immer jeweils die für die bGE-Perspektive nachteiligen Betrachtungen herauspicken und dann so tun, als ob das Grundeinkommen insgesamt »problematisch« sei. - So betrifft sein Hinweis auf die mögliche »Schwarzarbeit« in einer Grundeinkommens-Gesellschaft nur solche Modelle, die mit einer Einkommenssteuer arbeiten, aber zum Beispiel das Götz-Werner-Modell ist davon nicht betroffen, weil es von einem konsumsteuer-finanzierten Grundeinkommen ausgeht. [17] - In einer Gesellschaft mit reiner Mehrwertsteuer gibt es keine »Schwarzarbeit«. Schwarzarbeit bedeutet ja, Einkommenssteuer zu hinterziehen. Und wenn es die nicht gibt, kann sie auch nicht »hinterzogen« werden.
Wie sollte der Staat im Falle von dringender Bedürftigkeit handeln, wenn beispielsweise ein Grundeinkommensempfänger zur Mitte des Monats über keinerlei Ressourcen mehr verfügt, entweder weil er bestohlen wurde oder einfach nicht mit Geld umgehen kann, und damit dringend auf Lebensmittel und Ähnliches angewiesen ist.[17]
Bereits heute gibt es Menschen, die »betreut« werden, weil sie nicht (mehr) mit Geld umgehen, oder ihren Haushalt nicht bewältigen können. - Dieser Aufgabenbereich würde auch in einer Grundeinkommens-Gesellschaft weiter bestehen.
Die Existenzsicherung kann niemandem »gestohlen« werden. Sie ist jedem Bürger individuell zugeordnet. Was der Autor hier anspricht, ist die Ausgestaltung der Grundeinkommens-Sicherung. Es muss gewährleistet sein, dass jeder Mensch Zugriff auf die lebensnotwendigen Güter hat. Dies wird so geschehen, dass die Grundlagen einer bGE-Gesellschaft nicht ausgehebelt oder in Frage gestellt werden können.
Welche Lösungen gibt es – angesichts des Dilemmas zwischen Gefühl/Sehnsucht einerseits und Vernunft/Rationalität andererseits – für die Absicherung existenzieller Lebensrisiken?[21]
Institute haben die Aufgabe, ihren Auftraggebern passende Expertisen, Reporte und Untersuchungen abzuliefern. - Niemand würde Institutsmitarbeiter bezahlen, wenn sie nicht gemäß den Vereinbarungen arbeiten.
Solcherlei Parteilichkeit wird dann »reingewaschen«, wenn anschließend die Ergebnisse über die Medien, öffentlicher Rundfunk, als »neutrale, wissenschaftliche« und gesellschaftlich relevante Fakten verbreitet werden.
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Das Abgelieferte ist keine sachliche Betrachtung. Wissenschaftlich Arbeiten sieht anders aus. Zu grob sind die Schnitzer, Auslassungen. - Ein seriös wirkendes Schreiben, gegen das Grundeinkommen, das die Positionen der Unternehmer stärken soll und deren Weltbild Geltung verschafft.