Kleine Zusammenfassung
Sind Hartz IV-Sanktionen gerechtfertigt? - Podcast
Mi 10.02.16 12:10 | 21:14 min | Verfügbar bis 17.02.16 | kulturradio rbb
Ein Vertreter des DIW-Instituts, Karl Brenke, bemüht sich um Verharmlosung des Sachverhaltes.
Im Grundgesetz stünde nichts von »Existenzminimum«. Wer überhaupt kein Geld mehr vom Jobcenter bekäme, seien absolute Ausnahmefälle.
Dann stellt er sich dar, als Vertreter »der Gesellschaft« und fängt an, zu definieren, wie die Regeln sind.
Die Gesellschaft, der Steuerzahler könne erwarten, dass die Arbeitslosen sich bei den Behörden melden, von denen sie Geld bekommen, damit über ein Arbeitsangebot gesprochen werden könne, so der DIW-Mann.
Seine Aussagen zum Existenzminimum sind empörend, weil er damit suggeriert, was nicht niedergeschrieben ist, ist nicht gültig. - Dabei müsste jeder, der ein moralisches Empfinden hat, es als ungerecht wahrnehmen, wenn Menschen absichtlich und gezielt am Existenzminimum oder sogar darunter gehalten werden, durch den Staat. - Und das nur in den wenigsten Fällen »auf Null« sanktioniert wird, zeigt doch, dass dieses Instrumentarium angewandt wird, was eine Schande für eine Staat ist, der angeblich menschenwürdige Verhältnisse im Land will.
Aus DIW Sicht ist ein Mensch nur ein Mensch, wenn er »einen Job« hat. Wer keinen Job hat, muss dahingehend »integriert« werden.
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Sicherlich ist das Grundgesetz eine wichtige Grundlage für unser Zusammenleben, aber auf gleicher Ebene sind die Menschenrechte anzusiedeln und auch diese gelten für Deutschland. - Weiterhin haben die Vereinten Nationen (UNO) Mindeststandards für die Ausgestaltung von Nationalgesetzen erarbeitet, unter anderem Regeln für die Arbeitswelt und das »Zwangsarbeit« verboten ist.
Gegen diese Regeln verstößt Deutschland.
Es ist kein Zufall, dass ein »Instituts«-Vertreter sich hier regierungsnah äußert. Ein Großteil der Institute in Deutschland wird finanziert von Leuten, die »wissenschaftliche Untersuchungen« brauchen, um ihre Interessen besser in der Öffentlichkeit verkaufen zu können. - Unter anderem die Parteien. So haben wir zum Beispiel parteinahe Institute, oder wirtschaftsnahe Institute. - Wer in der Wirtschaft Sklaven-Material braucht, muss das ja irgendwie begründen können.
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Geschockt war ich im ersten Moment, als die Vertreterin des »Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V.«, Nora Schmidt zu Wort kam und gleich betonte, dass sie die Argumentation des DIW-Vertreters unterstützt. Hatte ich doch gedacht, sie sei auf Seiten von Inge Hannemann, die dem Gespräch zugeschaltet war und zuerst die Hartz4-Situation völlig richtig dargestellt hatte.
Dann aber habe ich gesehen, dass der »Deutsche Verein« vom Bundesfamilienministerium finanziert wird, und das sagt eigentlich alles. »Wer mich füttert, dessen Hand beiß’ ich nicht.«
Die Vereins-Vertreterin bejaht »Fördern und Fordern« und betont die Mitwirkungspflicht der Hilfebedürftigen. Und wer seine Pflichten nicht erfüllt, solle auch sanktioniert werden. - Aber Sanktionen sollen »erfüllbar« und »verhältnismäßig« sein. - Es sollen keine Sanktionen in die Leistung der Unterkunft erfolgen.
Das heißt, der »störrische Arbeitslose« sollte nach Empfehlung des Deutschen Vereins nicht in die Obdachlosigkeit sanktioniert werden. - Im Umkehrschluss heißt das aber, dass die Jobcenter genau so etwas machen!
Wenn das keine existentielle Bedrohung ist, dann weiß ich auch nicht.
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Inge Hannemann korrigiert dann den DIW-Mann, dass die Vollsanktionen tatsächlich sehr hoch seien. - »Monatlich 8000 Leistungsbezieher, die ohne Geld dastehen.«
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Der DIW-Vertreter vergleicht die Hartz4-Empfänger mit den Flüchtlingen und behauptet, diese hätten nur die Aufgabe, einen Termin beim Jobcenter wahrzunehmen, während die anderen viel größere Probleme hätten. - Das ist wieder typisch für die Vertreter der Regierungslinie. Sie bemühen sich, die scheinbar Angepassten oder noch schlechter gestellten gegen diejenigen auszuspielen, die sich unangepasst verhalten. - Durch solche Argumente sollen die störrischen Arbeitslosen unter Druck gesetzt werden, gefälligst »irgendwas« zu arbeiten. Nach dem Motto: »Wir sitzen alle in einem Boot, sind alle Sklaven, und keiner darf sich die Freiheit holen und ausbrechen«. - Ist das das deutsche Wesen?
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»Junge Menschen in den Arbeitsmarkt zu integrieren«, darum geht es nach Meinung der »Deutsche Verein« Vertreterin.
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Der DIW-Vertreter behauptet, wer keine sozialversicherungspflichtige Arbeit hat, würde auf die Dauer sein »Arbeitsvermögen« verlieren und »völlig abrutschen«. Das würde gerade bei den jungen Menschen der Fall sein. - Geht’s noch? Solche Anmaßungen und dreisten Unterstellungen über anderer Menschen Motivation und Verhalten ist unglaublich. - Und so etwas überhaupt zu wagen, in die persönliche Sphäre anderer Menschen hineinzudeuten und hineinzureden, ist übergriffig.
Wie ja die ganze Hartz4-Gesetzgebung eine Einmischung in das Leben anderer Menschen ist. - Dass diese Einmischung stattfindet, wird von den Sanktions-Befürwortern gar nicht bestritten. Sie behaupten lediglich, sie hätten ein Recht sich einzumischen, da der Bedürftige »ihr Geld« wolle.
Aber ist es denn ihr Geld? - Interessant ist, dass viele Personen, die die Regierungspolitik eher verteidigen und nur minimale »Verbesserungen« von Hartz4 für richtig halten, ihren eigenen Lebensunterhalt aus Steuergeldern bestreiten. - Also selbst auf der Gehaltsliste des Staates stehen, oder von uns, der Bevölkerung beauftragt sind, und von Steuergeldern leben, oder Arbeiten verrichten, die von öffentlichen Geldern finanziert werden. - Kurzum, die Hartz4-Befürworter sind oft Leute, die nicht selbst in der Produktion und im Service arbeiten, sondern davon »freigestellt« sind. - Es sind im Grunde Leute, die selbst bereits ein Grundeinkommen beziehen, es aber den anderen Bürgern in der Gesellschaft nicht gönnen.
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Nora Schmidt vom »Deutschen Verein« schlägt eine Reduzierung der Sanktionshärte vor, um überhaupt die jungen Arbeitslosen »begleiten« zu können. Denn sonst würden diese sich komplett zurückziehen. - Das erinnert mich an die 60er Jahre des letzten Jahrhunderts. In dieser Zeit war es nicht unüblich, dass der Lehrer einen Schüler »über’s Knie« legte und mit einem Stock diesem auf den Hintern schlug. - Das solle sich jemand einmal heute vorstellen. Undenkbar. Oder nicht?
Heute diskutieren wir, soll der Arbeitslose »bestraft« werden, wenn er nicht »irgendwas« arbeitet? Oder soll er nur ein bisschen bestraft werden, oder soll er gar nicht bestraft werden. - In 50 Jahren werden wir uns zurückerinnern und denken, ist das nicht absurd, einen erwachsenen Menschen »bestrafen« zu wollen, weil er einen Termin nicht wahrnimmt, beim Jobcenter! - Und selbstverständlich brauchen alle Menschen eine Existenzsicherung, bedingungslos.
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Inge Hannemann, »was ist der einzelne Mensch wert«. - Sind Sanktionen verhältnismäßig? - Kein Mensch hat das Recht, anderen Menschen Geld zu entziehen oder gegen diese eine Erziehungsmaßnahme durchzuführen.
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Der DIW-Vertreter sieht die Hartz4-Sanktionen als »nicht so wichtig« an. - Das ist schon starker Tobak. Aber das zeigt auch, wie hauchdünn die Grenze zwischen seriösen, würdigen und die Menschenrechte achtenden Staaten und den Unrechts-Regimen und totalitären Staaten ist. - Einen Schritt in der Gesetzgebung und schon ist man »drüben«.
Herr Brenke schaut mehr, ob die Agenturen für Arbeit »effektiv« sind und den Leuten »helfen«. Frau Schmidt will, dass die Sanktionen nicht auf die Unterkunftsleistungen ausgeweitet sind, sondern »nur« auf die Existenzsicherung. - Also der Arbeitslose soll wenigstens ein Dach über dem Kopf und Heizung haben, wenn er schon nichts zu essen hat. :-(