Plenarvortrag
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Plenarvortrag
Plenarvortrag:
Sprachen- und Bildungspolitik in Lateinamerika: Indigene Sprachen für Indigene, Fremdsprachen für Eliten oder interkulturelle mehrsprachige Erziehung für alle?
In meinem Vortrag werden als theoretische Grundlage zunächst kurz die Konzepte Sprachenpolitik und -planung mit Fokus auf dem Bildungssektor erörtert und vor dem Hintergrund der Entwicklung der Interkulturellen Zweisprachigen Erziehung (EIB) seit ihrer sukzessiven Implementierung als Folge der Wende von einer monoglossischen zu einer pluriglossischen Sprachenpolitik ab den 1970er Jahren in den hispanoamerikanischen Staaten diskutiert. Richtete sich die EIB zunächst an indigene Kinder in ländlichen Gebieten, kam Ende der 1990er Jahre die Debatte auf, dass Interkulturalität in der Bildung alle, also auch die nicht-indigene Bevölkerung, einschließen sollte. Trotz Fortschritten in der EIB, deren Ausmaß je nach Land und Region divergieren, steht die EIB noch vor vielen Herausforderungen, die im Beitrag aufgezeigt werden, illustriert mit Beispielen aus verschiedenen – insbesondere andinen – Ländern.
Eine der Herausforderungen steht in Zusammenhang mit der wachsenden Globalisierung, die mit dem steigenden Bedarf am Erlernen von modernen Fremdsprachen einhergeht. In diesem Zusammenhang ist herauszustellen, dass in Lateinamerika bestehende Modelle bilingualer Schulbildung das, was jeweils darunter verstanden wird, beträchtlich voneinander divergiert, sowohl in Hinsicht auf den Anteil der beiden Sprachen im Unterricht als auch um welche Sprachen es sich handelt. Geht es bei einem Modell (EIB) um die Integration und Förderung indigener Sprachen, bezieht sich das andere auf Spanisch und eine Fremdsprache wie Englisch oder Deutsch. Sind die Adressaten der EIB (immer noch) vor allem Kinder indigener Herkunft, werden die i.d.R. privaten Schulen des anderen Modells vor allem von nicht-indigenen Angehörigen der Mittel- und Oberschicht besucht und sind damit ökonomisch besser gestellten Schichten vorbehalten. Die soziale Ungleichheit widerspiegelt sich damit sowohl im Ungleichgewicht der Bildungschancen als auch im Prestigegefälle der unterrichteten Sprachen. Dieses äußert sich u.a. darin, dass auch unter Indigenen dem Erlernen einer Fremdsprache häufig der Vorzug gegenüber der indigenen Sprache im Unterricht gegeben wird, nicht zuletzt auch deshalb, weil damit sozialer Aufstieg und bessere Berufschancen verbunden werden. Aber treten die Sprachen notwendigerweise in Konkurrenz miteinander? Im Sinne der Umsetzung einer mehrsprachigen interkulturellen Bildung für alle wird im Vortrag dafür plädiert, sowohl indigene als auch Fremdsprachen in den Bildungseinrichtungen zu berücksichtigen – wie dies z.B. im baskischen Schulsystem der Fall ist –, um zum einen der mehrsprachigen Realität und ihrer Förderung und zum anderen den Anforderungen einer zunehmend globalisierten Welt gerecht zu werden.
Vita
ist Professorin für Iberoromanische Sprachwissenschaft mit dem Schwerpunkt Spanisch an der Europa-Universität Flensburg, Deutschland. Ihre Forschungsschwerpunkte sind: Migrationslinguistik, Mehrsprachigkeit, Sprachkontakt, Sprachvariation, Sprachenpolitik und Revitalisierung von Minderheitensprachen, mit Fokus auf den indigenen Sprachen Lateinamerikas und den territorial ko-offiziellen Sprachen Spaniens. Insbesondere führte sie migrationslinguistische Studien zu Quechua-Sprecher:innen in Peru und Galicier:innen in Argentinien durch. Ihr jüngstes Forschungsinteresse gilt dem Rap in indigenen Sprachen Lateinamerikas (rap originario) sowie der Interkulturellen zweisprachigen Erziehung.
https://www.uni-flensburg.de/romanisches-seminar/wer-wir-sind/lehrende/prof-dr-eva-gugenberger