Ziel & Motto 

Dass es beim 4. Andinen Deutschlehrendenkongress (oder "Andenkongress" wie er meist genannt wird) in Bolivien (auch) um DaF im Kontext von indigenen Sprachen gehen würde, stand schon lange fest, schließlich ist Bolivien ein plurinationaler Staat. Direkt in Artikel 1 der neuen Verfassung von 2009 steht die kulturelle und sprachliche Vielfalt richtungsweisend festgeschrieben und so haben neben dem Spanischen nun auch 36 indigene Sprachen offiziellen Status in Bolivien.

Es erschien offensichtlich, dass wir bei einem Kongress in Bolivien nicht anders können, als über DaF im Bezug zu anderen Sprachen - in Lateinamerika eben auch zu indigenen Sprachen - und damit im Kontext von Mehrsprachigkeit zu beleuchten.

Mehrsprachigkeit ist aber auch in anderer Perspektive seit Jahren Gesprächsthema bei Konferenzen weltweit - teils als Diskussion im deutschsprachigen Raum: DaF - DaZ, SuS mit verschiedenen L1 im Klassenraum etc. Mehrsprachigkeit interessiert also nicht nur in Bolivien.

Ein Motto zu finden, ist dennoch keine einfache Sache - auch wenn das Konferenzthema schon längst feststeht. Nicht zu lang darf es sein, nicht zu weit gefasst, nicht zu sehr einengen und es soll bitteschön im Gedächtnis bleiben. Gute Beispiele sind sicherlich die IDTs 

Wer sich noch an die IDT 2022 in Wien erinnert, hat wohl auch das Motto vor Augen, das inhaltlich wie typographisch leicht in Erinnerung blieb: *mit.sprache.teil.haben 

IDT-Fans wissen natürlich schon längst, dass die IDT-Reise uns beim nächsten Stopp 2025 in den hohen Norden Deutschlands, nach Lübeck führen wird. Auch hier wird es um vielfältige Sprache und sprachliche Vielfalt gehen:

Vielfalt wagen - mit Deutsch 


Der 4. Andine Deutschlehrendenkongress liegt nicht nur chronologisch zwischen diesen beiden wichtigen Tagungen, sondern versteht sich auch inhaltlich als Fortführung und Brücke (womit wir das sprichwörtliche Brückenbauen der IDT 2017 in Fribourg aufgreifen), sodass wir unser Motto nicht als Kopie oder Abklatsch, sondern als Weiterdenken verstanden wissen möchten:

mehr_Sprache(n)_wagen

Bei der Eröffnung er IDT 2022 in Wien machte Hannes Schweiger in seiner Rede sehr deutlich, was hinter dem Tagungsmotto steckte: eine Vielfalt an Wortkombinationen, die auf verschiedene aktuell relevante Themen verweisen und sich in ihrer Bandbreite auch im Sektionsangebot der Tagung wiederfanden. 

Auch das Motto des 4. "Andenkongresses" soll eine solche Vielfalt an Auslegungen möglich machen:

mehr Sprache

Ein Plädoyer für eine größere Wertschätzung von Sprache(n), also jeglicher Erst-, Zweit- ... und Fremdsprachen egal ob im individuellen, familiären, schulischen, wissenschaftlichen oder gesamtgesellschaftlichen Umfeld.

mehr Sprachen

Für Bolivien seit der Verfassungsänderung 2009 schon Realität: die regional jeweils meist gesprochene indigene Sprache ist Teil der Lehrpläne. Daraus entstehen Fragen zu möglichen "Mehr-Sprachen-Curricula" im Schul- und Bildungskontext.

mehr wagen

Aktuell stellen KI und XR Wagnisse dar, auf die auch wir als Lehrkräfte uns einlassen sollten und werden müssen.  Aber auch Migrations zu Studien- oder Arbeitszwecken stellt oft ein großes aber auch vielversprechendes Wagnis dar.

Sprache wagen

Für DLVen ist es teils ein Wagnis, sich sprachenpolitisch einzumischen und für ein Mehr an FSU einzutreten.

Sprachen wagen

Im Herzen eines Kontinents, auf dem gefühlt bzw. oberflächlich hörbar nur zwei Sprachen gesprochen werden, sind die Gesamtbedingungen für das Erlernen von Fremdsprachen andere als beispielsweise in Europa mit seiner kleinteiligen Nationalstaatlichkeit. Fremdsprache(n) sollte aber kein Wagnis sein, sondern Normalität.

mehr Sprache wagen

Für Bolivien eine Auswahloptionen für die verpflichtende "ausländische Fremdsprache" und/oder die Möglichkeit einer dritten Fremdsprache im öffentlichen Schulsystem.

mehr Sprachen wagen

Sprachen, also andere Sprachen als die Zielsprache im FSU zuzulassen und Mehrsprachigkeit in jeglicher Form willkommen zu heißen und zu nutzen sollte Ziel für uns alle sein.

Dies sind aber nur einige Kombinations- und Interpretationsmöglichkeiten des Kongressmottos mehr_Sprache(n)_wagen, an die soweit möglich auch das fachliche Tagungsprogramm und die Gestaltung der Sektionen angelehnt sein sollen. 

Auch das kulturelle Rahmenprogramm des Kongresses soll einen Eindruck der sprachlichen, kulturellen und folkloristischen Vielfalt Boliviens aufzeigen und einen Eindruck des und der Deutschen* geben, schließlich ist nach dem letzten Zensus von 2012 Deutsch die nach Spanisch, Quechua und Aymara am häufigsten in der Kindheit erworbene Sprache. Wir sind gespannt auf die Ergebnisse des Zensus 2024, die hoffentlich bis Oktober veröffentlicht werden.

*Ein Beitrag im 2021 erschienenen Sammelband "Germanistik in Lateinamerika: Entwicklungen und Tendenzen" (Voerkel, Paul / Uphoff, Dörthe / Gruhn, Dorit Heike, Göttingen: Universitätsverlag) beschäftigt sich speziell mit dieser Situation: "Das Deutsche und die Deutschen in Bolivien".