Der verlorene Koffer

Die Geschichte vom verlorenen Koffer

Marie hatte sich lange auf diese Reise gefreut. Jeden übrigen Euro hatte sie dafür zurückgelegt. Nun traf sie also auf die Reisegruppe, mit der sie die nächsten 14 Tage verbringen sollte. Gespannt näherte sie sich dem Treffpunkt, doch sie spürte sofort: Was ihr da entgegenschlug, war nicht Offenheit und Interesse, sondern ängstliche Zurückhaltung. Die ganze Busfahrt über herrschte eisiges Schweigen. Nur die Ansagen von Anton, dem Reiseleiter, unterbrachen kurzfristig die unangenehme Stille. In Marie stiegen bange Zweifel auf angesichts solcher Freudlosigkeit.

Am Zielort angelangt, bekamen vor dem Hotel alle ihr Gepäck. Einzig Maries Koffer blieb bis zuletzt unauffindbar. Ja, es entpuppte sich als Tatsache: Der Koffer war nicht da! Er musste beim Einladen abhandengekommen sein. So ein Pech! Marie war am Rande der Verzweiflung. Der Urlaub, den sie sich so schön ausgemalt hatte, schien ein Fiasko zu werden.
In diesem Moment vernahm sie Antons Stimme.  Er rief die Reisenden in der Eingangshalle zusammen und berichtete ihnen von dem Missgeschick. Daraufhin geschah etwas Unvorhergesehenes: Ein älteres Ehepaar, das bisher kaum aufgefallen war, öffnete spontan seine Gepäckstücke; es suchte gemeinsam einige passende Utensilien heraus und gab sie Marie.
Von der hilfreichen Geste überrascht und beeindruckt, taten es ihnen die übrigen nach. Der Hotel-Service staunte über so viel Zusammenhalt in der Gruppe und steuerte eine große Reisetasche bei, die ein ehemaliger Gast stehengelassen hatte.
Marie war freudig überwältigt. Sie bedankte sich bei allen mit bewegten Worten, was das Eis vollends brach. Jeder kam mit jedem ins Gespräch. Es wurde viel und herzlich miteinander gelacht. Diese Stimmung verwandelte die Fahrt in ein besonders gelungenes Gemeinschaftserlebnis.

Wieder zu Hause dachte Marie schließlich: „Wie gut, dass der Koffer verlorengegangen ist!“

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