Der nutzlose Ochse

Der nutzlose Ochse

Gedankenvertieft ruhte der schon betagte Mann in seinem Sessel. Zu eintönig schien ihm sein Leben, geradezu unnütz kam er sich vor, aber… Da klingelte es an der Tür. Der kleine Enkel von nebenan kam überraschend zu Besuch. Schwerfällig schlich der Bub in die Wohnung. Sein Großvater bemerkte den unverhohlenen Kummer in den Kinderaugen. So ließ er sich erzählen vom Spott der Spielkameraden, die den Jungen einen alten Ochsen genannt hatten, der zu nichts taugte. Traurig schaute er zum Großvater auf. „Komm“, sagte dieser und ging mit ihm zum Adventskranz. „Ich erzähle dir eine Geschichte.“ Dabei strich er dem Kind begütigend übers Haar.
 
„Es war einmal ein alter Bauer, dem die Arbeit über den Kopf gewachsen war. Weil er keine Erben hatte, verkaufte er, was er besaß: die Hühner, die Schweine, die Kühe…Ihm gehörte aber auch ein Ochse, den niemand haben wollte. Sein Herr konnte ihm nur noch das Gnadenbrot geben. So band er das Tier im Stall an, legte ihm Heu in die Krippe und füllte Wasser in die Tränke. „Du bist wie ich, alt und nicht zu gebrauchen.“, brummte der Bauer vor sich hin. Alsdann legte er sich selbst im Stroh nieder und schlief ein. Mitten in der Nacht kam Bewegung in das spärliche Quartier. Dazu schrie ein Esel. Der Bauer sah sich um: Ein junges Paar war hereingekommen. Die Frau schien ein Kind zu erwarten. Tatsächlich, es war höchste Zeit, dass sie ein Dach über dem Kopf hatten.- Als die Geburt vorüber und das Neugeborene gewickelt war, schaute die Mutter nach einem Schlafplatz für den Säugling. Es war kalt und ungemütlich in dem Stall. Da führte der Hausherr die kleine Familie samt Esel an die Futterkrippe. Die Frau legte das Kind in die Krippe hinein. Ochs und Esel standen dabei. Der Mann gab ihnen einen gutmütigen Klaps. Da blies das Vieh seinen warmen Atem in den Raum, sodass es Mutter und Kind behaglich wurde. Der Gastgeber suchte mit dem, was er hatte, alle zu bewirten. Gemeinsam hielten sie Mahl. Das erfüllte den Bauern mit Zufriedenheit. Sowohl er   wie auch sein Ochse wurden ja gebraucht.“

„Nicht wahr, Großvater, in der Krippe liegt das Christuskind.“ „Ja, und jeder ist ihm nötig, dass es leben kann: Mutter, Vater, Ochse und Esel, ebenso der alte Bauer, wie auch du und ich.
Keiner ist nutzlos.“
Auf dem Gesicht des Enkels breitete sich ein Lächeln aus. Mit dieser stillen Freude begab er sich beschwingt auf den Heimweg.

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