Inclusion Handicap lehnt die Initiative für ein bedingungsloses Einkommen ab. Er hält das Modell für politisch aussichtslos und wirtschaftlich nicht tragbar. Es schwächt seiner Ansicht nach auch die Solidarität der Gesellschaft gegenüber Menschen mit Behinderung und bringt diesen nicht die erhofften Vorteile.
Politisch nicht umsetzbar ist sie [die bGE-Idee], weil eine derartige Solidarität der erwerbstätigen Bevölkerung mit dem nicht erwerbstätigen Teil der Bevölkerung nicht realistisch ist
Hier offenbart sich das Weltbild der Grundeinkommens-Gegner. - Die Gesellschaft teilt sich nach deren Vorstellung in »feindliche Lager« auf. Hier die arbeitende Bevölkerung, dort die Arbeitslosen: nichtsnutzige Faulenzer, die ohne Antrieb in den Tag leben. »Solidarität« gibt es aus dieser Sicht nicht mit den »anderen«, weil die nicht wie wir, arbeiten. Der Autor meint, in der Grundeinkommens-Gesellschaft würden die Arbeitnehmer nicht mehr arbeiten, weil sie denken, ich arbeite für »die anderen« und das will ich nicht. Deshalb lege ich meine Arbeit nieder und bin aus Protest unsolidarisch. - Aber Arbeitslose gibt es doch auch heute? Ja. Doch heute kann der Staat aktiv gegen diese potentiell und aus Sicht der Grundeinkommens-Gegner »faulen Bürger« vorgehen, mit »Integrationsmaßnahmen« oder dem »Fordern«. Beides ist eine schlecht vertuschte, vom Staat durchgesetzte Zwangsarbeit. - Mittels eines Bedingungslosen Grundeinkommens (bGE) würde diese Staatsgewalt gegen die Bürger, ausgehebelt. Und das schmeckt dem Grundeinkommens-Gegner nicht. Er phantasiert deshalb, alle Arbeitnehmer legen in einer Grundeinkommens-Gesellschaft aus Protest gegen die Aussetzung der Zwangsarbeit, die Arbeit nieder.
Aufgrund der Erfahrungen im Kampf um IV-Leistungen, wo um jede kleinste Verbesserung für Menschen mit schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen gerungen werden muss, ist Integration Handicap überzeugt, dass die Gesellschaft zu einer solchen immensen Transferleistung nicht bereit ist.
»Im Kampf um IV-Leistungen«. - Ja, aus Sicht der Gegner ist das Leben »ein Kampf«. Diesen Lebenskampf abzumildern oder gar zu beenden, muss für diese Leute ein Alptraum sein. - Zerstört er doch ihr Weltbild. Und auch die Existenz und Arbeit so mancher Sozial-Initiative wäre gefährdet, wenn die Menschen nicht mehr in Armut und Abhängigkeit gehalten sind. - Auch das droht durch ein Grundeinkommen den Vertretern der »alten Welt«.
Wirtschaftlich und finanziell nicht umsetzbar ist sie, weil sie von einem Idealbild ausgeht, wonach jeder Mensch gerne viel arbeitet, unabhängig davon, wie viel er dabei verdient.
Hier wird eine »falsche Spur« gelegt. Es wird so getan, als ob das Wichtigste für eine Gesellschaft »viel arbeiten« sei. Das passt zu der Ideologie der meisten Grundeinkommens-Gegner. Denn sie reklamieren immer für sich, »Ich arbeite viel. Aber die anderen (Arbeitslosen) sind faul«. Und auch das Schielen auf den »Verdienst« ist typisch für die Gegner. Denn der Zusammenhang von »Arbeit und Einkommen« ist für sie grundlegend.
Das heißt, sie haben hier »sich selbst« zitiert und gar nicht die Grundeinkommens-Idee. Dieses sogenannte »Idealbild« haben sie aus ihrem Denken abgeleitet.
In der Grundeinkommens-Welt wird ganz anders geschaut. - Nicht »gerne viel arbeiten« ist wichtig, und der »Verdienst«, sondern die Existenzsicherung als Erstes. Das ist das Wichtigste. Und die dafür notwendige Arbeit muss von uns allen erledigt werden. Dabei geht der Preis für die existenzsichernden Güter auf die Dauer »gegen Null«. Der »Überfluss« ist die Sicherheit, nicht existentiell gefährdet zu sein, jetzt und in Zukunft. - Da ist »viel arbeiten und verdienen« gar kein wichtiger Parameter. Er ist dann gesamt-gesellschaftlich eher unwichtig.
Der Anreiz, einer erwerblichen Arbeit nachzugehen, würde stark geschwächt und damit insgesamt die Wirtschaftsleistung erheblich beeinträchtigt. Die benötigten Mittel in zweistelliger Milliardenhöhe könnten mit Steuern kaum generiert werden.
Aus dieser Sicht hat die Gesellschaft gewisse Eckpunkte: Der Einzelne trägt nur dann zur Wirtschaftsleistung bei, wenn es für ihn einen Anreiz gibt, sich in Bewegung zu setzen. Ansonsten bleibt derjenige apathisch auf der Stelle hocken. - Dann aber würde das Geld fehlen, um ein Grundeinkommen zu finanzieren.
Das Grundeinkommen untergräbt die Arbeitsmoral, meint der Autor. - Auch hier lohnt es sich wieder, deutlich zu machen, dass das Grundeinkommen nicht »finanziert« wird. Das Grundeinkommen sind die lebensnotwendigen Güter. Unsere Aufgabe ist es, darauf zu achten, dass die »notwendige Produktion« stattfindet. Die Produktionsergebnisse müssen den Menschen ohne Hindernisse zugänglich sein. - Dass es darum geht, zeigt die aktuelle Diskussion auch international. Denn immer wieder stolpern die Grundeinkommens-Befürworter über die »Wohnkosten«.
»Wohnen« ist ein zentraler Teil des Grundeinkommens. Nicht jedoch die »Wohnkosten«. Den Menschen muss Wohnen ermöglicht werden, dann haben sie »Grundeinkommen«. - Stecken wir noch im »alten Denken«, wollen wir Wohnkosten finanzieren. In Wirklichkeit geht es darum Wohnraum zugänglich zu machen. Für alle Menschen. Dabei werden nicht die Regeln des alten Systems bedient, sondern neue Regeln geschaffen. Das Eigentum an »Grund und Boden« muss der Allgemeinheit übertragen werden. Und Privatleute können nur noch Grund und Boden pachten. Nach dem Tod des Pächters geht das Grundstück wieder in die Obhut der Allgemeinheit als Eigentümer über. Da der Grund und Boden anteilig allen Menschen der Erde gehört, weil Grund und Boden wie Luft und Wasser begrenzt ist, werden Gewinne aus der Nutzung dieses Bodens anteilig abgeschöpft und der Allgemeinheit zugeführt.
In einer Grundeinkommens-Gesellschaft, in der das Geldsystem auf »Vollgeld« umgestellt ist, werden auf »zinsunbelastetem« Boden Wohneinheiten gebaut und diese durch Wohnungsbau-Genossenschaften verwaltet, oder durch die Mieter selbst. - Während heute bis zu 70% der Mieten aus Zinsen bestehen, die die Hauseigentümer noch an ihre Banken zahlen müssen und die in den Mietpreis mit eingerechnet sind.
Hier wird es eigentlich deutlich: In einer bGE-Gesellschaft geht es um einen »leichten« Zugriff auf die existenzsichernden Güter. Am leichtesten ist er dann, wenn die Güter den niedrigsten Preis haben.
Integration Handicap erachtet es zudem als falsch, dass gesundheitlich erheblich beeinträchtigte Menschen und nicht behinderte Menschen dieselben staatlichen Leistungen erhalten sollen.
Das Grundeinkommen wird als eine Störung festgelegter und festgefahrener Denkstrukturen erlebt. Es war schon immer so: der Behinderte wendet sich mit seinen Sorgen an mich. Ich bin der Sozial-Manager, ich helfe diesem jetzt, die anderen können sich selber helfen und so weiter. - Dass zwischenzeitlich sich die ganze Welt verändert, insbesondere durch die technische Entwicklung, wird ignoriert und ausgeblendet. Es wird nur gesehen, dass die drohenden Veränderungen durch ein Grundeinkommen, die eigene Lebenswelt gefährden. Und dies wird abgewehrt.
Folgen für Ergänzungsleistungen: Die EL sind für viele Rentner heute zwingend, denn von einer IV-Rente allein kann niemand leben. Auch vom BGE werden nicht alle Menschen leben können: Sobald eine teure Miete, hohe Krankheitskosten oder gar Heimkosten anfallen, wird es auch in Zukunft Ergänzungsleistungen brauchen. Doch da stellt sich eine ganz konkrete Frage: Wer soll EL erhalten? Nur Betagte und Behinderte (wie heute) oder die gesamte Bevölkerung? Wenn es nur Betagte und Behinderte sind: Wer legt fest, wer das ist? Heute sind es einfach die Rentner... Es braucht also doch eine Invaliditätsabklärung
Da ich mich nicht mit dem Schweizer Sozialsystem auskenne, hier nur kurz dazu: Sicher hängt es auch von der Höhe des Geldbetrages ab, ob sich die Bürger für weitere Hilfen, trotz Grundeinkommen, noch an den Staat wenden werden. - Was der Autor aber vollständig verschweigt, ist die Unabhängigkeit und Freiheit des Bürgers von staatlicher Bevormundung, die er durch ein bedingungsloses Geld gewinnt. - Das ist der Punkt.
Und noch zur »Solidarität«. - Der Begriff scheint mir »altbacken« und aus einer anderen, vergangenen Welt. - Wir Menschen sind immer Einzelwesen und Gemeinschaftswesen. - Um Einzelwesen sein zu können, müssen wir zusammenarbeiten, damit jeder Einzelne sein Leben in zufriedenstellender Weise leben kann.
Im Begriff »Solidarität« steckt für mich, Abgrenzung gegen irgendwelche andere. - Das aber ist nicht Sache einer Weltbevölkerung. Es gibt keine »anderen« Menschen. Zumindest nicht auf der Ebene der existentiellen Versorgung. Auf dieser Ebene sind wir alle gleich. Warum also nicht diese weltweite Versorgung organisieren, unabhängig von »Bedingungen«, die der Einzelne erfüllen muss? - Darüber hinaus gibt es noch genügend Möglichkeiten, sich abgrenzen zu können, für die, die das brauchen. Das »Grundeinkommen« geht in Richtung dieser Versorgungs-Organisation. Wenn wir das gemeinsam tun, dann aus Einsicht in die Zusammenhänge und weil wir erkennen, dass dieser Schritt notwendig ist.