Der Wert der Arbeit

Dorothee Spannagel:

Im Modell von Götz Werner, Gründer der Drogeriemarkt-Kette dm, und einigen anderen Modellen ist zudem eine Konsumsteuer vorgesehen. Diese ähnelt einer erhöhten Mehrwertsteuer und würde vor allem niedrigere Einkommensschichten stärker belasten.

http://www.hna.de/politik/interview-grundeinkommen-der-druck-waere-weg-5942752.html

Interessant sind solche Aussagen aus zwei Gründen. - Sie werden immer von Gegnern einer Konsumsteuer genannt, und sie sind immer falsch.

Warum die Aussage falsch ist, ist banal. - Die Konsumsteuer wäre tatsächlich die heutige Mehrwertsteuer. - Und schon heute bietet diese Steuer die Möglichkeit, für jedes einzelne Produkt oder für Produktgruppen, die Steuer fein zu justieren.

Der Konsumsteuer-Gegner hat ein Interesse, diesen Sachverhalt zu verschweigen, weil seine Argumente gegen die Konsumsteuer sonst nicht glaubwürdig sind.

In einer Grundeinkommens-Gesellschaft ist es somit möglich, mit einer einzigen Steuer, der Konsumsteuer, gerechte Steuerverhältnisse zu schaffen. Dann könnte die Politik zum Beispiel alle Produktgruppen, die für die Existenzsicherung von großer Bedeutung sind, mit dem geringstmöglichen Steuerbetrag belasten. Das wären dann Nahrungsmittel, Grundnahrungsmittel, Standardkleidung, aber auch die Energiesteuer sollte für eine existenzsichernde Menge Strom oder Heizenergie, sehr niedrig angesetzt werden. - Während sie bei anderen Produktgruppen, Luxusartikel, den höchsten Steuersatz verlangt.

Und umgekehrt ist die heutige Einkommenssteuer ungerecht, weil sie die Arbeit besteuert, und damit die Arbeitsanreize senkt. - Das Gegenteil wäre aber wünschenswert. Nämlich das es einen Anreiz gibt, dass Menschen aktiv sind.

Und es kommt noch etwas weiteres hinzu. Durch die Rationalisierung werden wir Menschen mittels intelligenter Maschinen und Software von Arbeit entlastet, aber wir brauchen weiterhin Güter und Dienstleistungen, um unser Leben zu gestalten.

Dadurch verschiebt sich der Fokus in unserer Lebenswelt. - Bei den Arbeitsideologen dreht sich alles um Arbeit=Einkommen. Aber die Zukunft, die ja schon längst begonnen hat, und zu der das Bedingungslose Grundeinkommen gehört, wird den Bereich Einkommen=Lebensgestaltung mehr im Blick haben. - Und dann macht es auch Sinn, wenn die Gemeinschaft bei der Steuererhebung auch dorthin schaut.

Es bedeutet, dass wir erkennen, nicht mehr die Arbeit ist Grundlage für unser Leben, sondern das Einkommen. Und der Staat schafft die gesetzlichen Rahmenbedingungen, damit jeder Mensch von Beginn seiner Existenz dieses »Startguthaben« hat. Mit diesem als sicheren Untergrund, lässt sich die Welt gestalten und das eigene Leben entwickeln.

Spannagel:

Das Grundeinkommen kann auch das Lohngefüge verändern - wer würde dann noch bei der Müllabfuhr arbeiten? Die Arbeit müsste dann nach dem gesellschaftlichen Wert entlohnt werden. Ein Risiko ist, dass Arbeitgeber dann die Löhne senken, weil die Grundexistenz ja da ist.

Hier hat die Autorin einen Widerspruch eingepackt.

Entweder die Arbeit wird nach ihrem gesellschaftlichen Wert entlohnt ODER die Arbeitgeber senken die Löhne, »weil die Grundexistenz ja da ist«. - Das Problem, dass sie hier beschreibt, ist hochinteressant und wird uns weiterhin beschäftigen.

Wer bestimmt denn den »gesellschaftlichen Wert« einer Arbeit?

An diese Frage kann man sich auch erst einmal nur herantasten. In unserer Gesellschaft und gerade aus der Position der Gewerkschaften ist es nicht selten so:

Der, der die Arbeit macht, bestimmt den Wert seiner Arbeit.

In der Praxis bedeutet das, dass die Gewerkschaften für die von ihnen vertretenen Arbeitnehmer, »höhere Löhne« verlangen und/oder »bessere Arbeitsbedingungen«. - Wenn der Arbeitgeber nicht mitzieht, wird sein Unternehmen bestreikt. Dies bedeutet, die Arbeitsleistung wird nicht erbracht, wodurch nicht unbedingt der Arbeitgeber, aber zum Beispiel die »Allgemeinheit« geschädigt wird und ein Druck auf diese entsteht, den Arbeitgeber zu überzeugen, er solle die Forderungen der Gewerkschaften erfüllen.

Wer bestimmt nun den »gesellschaftlichen Wert« einer Arbeit? Einmal diejenigen, die die Arbeit machen. - Aber doch sicherlich nicht nur die allein. Weiterhin kann genannt werden:

Der, der die Arbeit bezahlt, bestimmt den Wert der gemachten Arbeit. Und weiterhin ....

Der, der das Arbeitsergebnis erhält, bestimmt den Wert der Arbeit.

Somit haben wir drei Gruppen, die den gesellschaftlichen Wert von Arbeit bestimmen:

Die Arbeitsleister

Die Zahler

Die Arbeitsempfänger

In einer Grundeinkommens-Gesellschaft würde sich die Situation so auflösen:

Arbeitsleister sind wir alle. - Ich arbeite aber nur das, was mir wichtig und bedeutend ist, in einem Team, in dem ich mich wohlfühle, zu Bedingungen, die ich akzeptiere. - Ist dies nicht gegeben, lebe ich vom Grundeinkommen.

Zahler. - Der Typ des »Unternehmer«, wie wir ihn viele Jahrzehnte kannten, wird verschwinden. - Als Gründer, aktiver Mensch, mit neuen Ideen, schaffe ich stattdessen Projekte, die mir Spaß machen, mir wichtig sind, die mir aber auch wichtig für die Gemeinschaft, für die Allgemeinheit erscheinen. Dort stecke ich viel Energie hinein, weil mich die Aufgabe erfüllt. Und ich suche Mitmenschen, die sich von meinem Projekt begeistern lassen und mir helfen, die Idee zu verwirklichen.

In einer Grundeinkommens-Gesellschaft ist es nicht mehr möglich, Menschen durch Arbeit auszubeuten! - Darüber sollten wir uns ganz klar sein. Wer solche Arbeitseinkommen nicht mehr braucht, ist wirklich »frei«. - Erfolgreiche Unternehmer in einer Grundeinkommens-Gesellschaft müssen deshalb von vornherein alle Teammitglieder gerecht an dem Projekterfolg beteiligen. Dabei spielt »Transparenz« eine ganz große Rolle. Datenschutz und Transparenz sind zwei Seiten eines Instruments. - Wir müssen immer im Einzelfall entscheiden, wie dieses Instrument angewandt wird. Der Unternehmenserfolg, nennen wir es einmal »Gewinn«, muss den Teammitgliedern bekannt sein. Dann muss im gemeinsamen Gespräch »Bedarf« angemeldet werden und es wird gemeinsam entschieden, wie viel jeder von dem Gewinn bekommt.

Arbeitsempfänger. - Der Gesundheitsbereich ist ein ganz spezieller. Und ich kann ihn mir noch nicht so richtig in einer Grundeinkommens-Gesellschaft vorstellen. - Wie sieht es heute aus.

Sicherlich sind die Einschätzungen subjektiv. Unterschiedliche Blickwinkel ergeben ein Gesamtbild. - Der Patient ist heute schlechter dran, als noch vor einiger Zeit. Damals wurden Brillengestelle von der Kasse bezahlt, und mehr oder weniger die gesamte Zahnbehandlung. - Heute sind schon für Standardarzneimittel Zuzahlungen fällig. - Der Routinebesuch beim vertrauten Facharzt muss ein halbes Jahr vorher angemeldet werden. Aber selbst bei Notfällen muss sich der »kranke« Patient zu einem Arzt durchkämpfen. - Eigentlich untragbare Zustände. Wie kam es dazu?

Spannagel:

Momentan funktionieren Rente und Krankenversicherung nach solidarischem System.

Die Gesundheitsreform ist eine Absprache zwischen Politik und den starken Lobbygruppen. Diese sind die »Arbeitsleister« und die »Zahler«, sprich Versicherungen. - Gar nicht vertreten, oder am schwächsten vertreten, ist die Gruppe der »Patienten«. - Deshalb wirkt sich die »Gesundheitsreform« auch zu Lasten der Patienten aus. Wirklich krass ist das Ganze auch deshalb, weil ja in Wirklichkeit nicht die Krankenversicherungen die »Zahler« sind, sondern die Arbeitsempfänger, die mit ihren Krankenkassenbeiträgen das Ganze finanzieren. - Ist dieses System »solidarisch«?

Dennoch bin ich überzeugt, dass das Grundeinkommen auch auf den Gesundheitsbereich eine »heilende« Wirkung haben wird. - Einmal dadurch, dass die Bürgerinnen und Bürger gesünder leben, wenn sie nicht mehr durch den Staat zur Arbeit gezwungen werden und sie ihr Leben in Freiheit gestalten können. Und wenn weiterhin die zu große Arbeitsbelastung für die Beschäftigten im Gesundheitsbereich dann abnimmt, wenn diese nicht mehr dem Erwerbszwang ausgeliefert sind. Statt in zwei oder drei Schichten arbeiten zu müssen, können es sich die Menschen erlauben, den Arbeitsumfang selber zu dosieren. - Davon werden auch die Patienten profitieren.

Lohn, gemäß »Wert der Arbeit«, oder Lohnsenkung, weil ein Grundeinkommen vorhanden ist?

In der heutigen Welt wird »der gesellschaftliche Wert von Arbeit« nicht selten von den Gewerkschaften bestimmt und gegen die Arbeitgeber, aber letztlich auch gegenüber allen Bürgerinnen und Bürgern mit Gewalt durchgesetzt (Streik, Arbeitsblockierung). - Wer nicht zahlt, bekommt kein Arbeitsergebnis.

In einer Grundeinkommens-Gesellschaft würde diese nicht unbeträchtliche Deutungshoheit der Gewerkschaften, was »gesellschaftlichen Wert von Arbeit« betrifft, deutlich geschwächt. Das behagt diesen Organisationen nicht. Um ihre Machtposition zu erhalten, nehmen sie es heute in Kauf, dass der Arbeitslose zur Arbeit gezwungen wird, durch die Hartz4-Sanktionen, aber sie ihre starke Stellung im »alten System« behalten.

In einer Grundeinkommens-Gesellschaft entscheiden mehr die einzelnen Individuen über den »Wert von Arbeit«, statt die gewerkschaftlichen Machtorganisationen. Der einzelne Mensch entscheidet selbst, an welcher Arbeit er sich beteiligen will. Nicht mehr der »Lohn« ist das Wichtigste, sondern die Werte, die dem Einzelnen wichtig sind, die ihn dann letztlich bewegen, seine Energie in eine Unternehmung zu stecken. - In einer Grundeinkommens-Gesellschaft werden Arbeitsblockaden schwer durchsetzbar sein, wenn die Bürger erkennen, dass das Arbeitsergebnis wichtiger ist als der Lohn.

Und um bei dem Beispiel von Dorothee Spannagel zu bleiben: Über den »Wert der Müllabfuhr« entscheiden die Bürger und jeder Einzelne von uns. Wer ein Grundeinkommen besitzt, bestimmt selbst, welchen Wert diese Arbeit für ihn hat.

Niemand muss in einer bGE-Gesellschaft bei der Müllabfuhr arbeiten! Aber jemand kann der Meinung sein, diese Arbeit ist wichtig, wichtig für mich und wichtig für uns alle. Und jemand kann sich aus diesem und anderen persönlichen Gründen entscheiden, bei der Müllabfuhr zu arbeiten. Und selbstverständlich müssen die Arbeitsbedingungen in diesem, wie überhaupt in allen Bereichen, gut sein. Sonst werden wir Menschen dort nicht arbeiten wollen.

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Frau Spannagel vertritt sicherlich Gewerkschaftsinteressen und sie beschreibt die gewerkschaftstypischen Bedenken. - Unter diesem Gesichtspunkt ist ihr Beitrag erfrischend freundlich gegenüber dem Grundeinkommen abgehalten.