Und woher kommt diese Ideologie, dass der Bürger nicht »Hartz4« sein darf?
Knapp die Hälfte der Hartz IV-Bezieher ist dauerhaft auf Sozialleistungen angewiesen.
Wie viele Jahre die Bürger bei der Sicherung ihrer Existenz von der Gemeinschaft unterstützt werden, das müsste doch klipp und klar mit »ein Leben lang« beantwortet werden. Denn »wir alle« unterstützen uns gegenseitig, damit wir existieren können. Was denn sonst?
Gejammert wird doch nur von den Erfindern der Agenda2010 und von ihren Anhängern. So als ob sie aus ihrem eigenen Portemonnaie die ganze Chose zu finanzieren hätten, die Armen.
Dabei geht es gar nicht anders, als das wir uns gegenseitig die Existenzsicherung ermöglichen. Und das passiert ja auch bereits in der arbeitsteiligen Wirtschaft bei der Herstellung der Güter und Dienstleistungen. Nur bei der Verteilung der Zugriffsrechte (Geld) auf die Wertschöpfung haben wir unfaire Verhältnisse. Und dieser Bereich ist ganz klar in der Verantwortung der Gemeinschaftsverwaltung (sprich: Staat). Sie müsste hier für Gerechtigkeit sorgen. - Aber die Politiker weigern sich. Sie sind ungerechte Lobbyisten und wollen nicht zum Vorteil der Allgemeinheit dienen.
Deshalb schaffen sie Pseudowahrheiten und eine Ideologie der Arbeitswelt. Diese behauptet Parameter und Grundlagen, die so überhaupt nicht der Wirklichkeit entsprechen. Aber viele Menschen lassen sich davon blenden (»Es hat doch der Staat gesagt.«) und glauben den Unfug, statt ihn mit dem eigenen Verstand nachzuprüfen.
NZZ - Hohe Jugendarbeitslosigkeit - Politisch Unkorrektes zu Bosnien
Besonders markant wird diese Ideologie in dem Artikel in der Neue Zürcher Zeitung gepflegt, in dem über die »faulen« Bosnier palavert und deren »fehlerhaftes« Verhalten angeprangert wird. Denn es stellt sich die Frage, welches Wertesystem nimmt der Autor des Artikels als Grundlage für seine Bewertungen? Kann es sein, dass er in einer »falschen« Welt lebt, deren Orientierungspunkte schon längst ohne Bedeutung sind beziehungsweise für viele Menschen nie Bedeutung hatten?
Die Stichworte in dem Artikel gehen dann so:
Hohe Jugendarbeitslosigkeit
Vorwurf: selbst dran schuld
Verlorene Generation
Heerscharen arbeitsloser Jugendlicher
Unrühmlicher Spitzenwert
Milliardenschwere Hilfsgelder
Dünkelhafte Absolventen.
Dann wird scheinheilig [1] nach den »Ursachen der Arbeitslosigkeit« gefragt und was stellt der Autor fest? Neben der Lage am Arbeitsmarkt, ist der Arbeitslose »selbst schuld« an seiner Arbeitslosigkeit. Dabei wird von einem »politisch korrekten Konsens« ausgegangen. Wie der zustande kommt und mit welchem Recht er als Maßstab genommen wird, bleibt im Dunkeln. [2]
Stattdessen wird jetzt gegen die arbeitslosen jungen Menschen polemisiert:
Sie sind keine unschuldigen Opfer widriger Umstände.
Sie haben Mitschuld an ihrer Lage.
Sie haben zu wenig »Arbeitseifer, realistische Erwartungshaltung und Mobilitätsbereitschaft« bei der Jobsuche.
Hochschulabsolventen sind zu wenig »kompromißbereit«.
Es fehlt die richtige Einstellung und an Arbeitswillen.
Die »Arroganz« der arbeitslosen jungen Leute zitiert der Autor so:
Die Bewerbungen waren oft schludrig verfasst, in den Vorstellungsgesprächen wurden unrealistische Forderungen gestellt, und die an den Tag gelegte Arbeitsethik war alles andere als professionell.
Die »empirisch erhärteten Resultate« wurden dann der Öffentlichkeit präsentiert.
Der Schweizer Autor verknüpft dann noch diese »Daten« mit dem Gedanken, dass »die Zeiten Jugoslawiens« vorbei sind, womit angedeutet werden soll, dass das »bequeme, weil geregelte Leben« eine Konsequenz der kommunistischen Gesellschaftsordnung gewesen sei, die heute keine Gültigkeit mehr besitzt.
Aber ist die Welt, die in dem Artikel als die wirkliche beschrieben wird, diejenige die wir wollen? Wir entscheiden über die Lebenswelt, die uns umgibt.
Statt sich über die im Café sitzenden jungen Leute zu mokieren (weil wir neidisch sind?), könnten wir uns freuen, dass wenigstens diese Menschen begriffen haben, dass ein blindwütiger Arbeitseifer keine lebenswerte Gesellschaft garantiert. Wir sollten uns lieber fragen, warum nicht auch wir das Leben genießen können und entspannt in den Tag hineinschauen. Liegt es an unserer verqueren Lebenseinstellung, in der der Sinn des Lebens überhaupt nicht diskutiert wird?
Sicher müssen Güter und Dienstleistungen erstellt und erbracht werden, die wir dann in Anspruch nehmen können. Und spätestens, wenn es keine Cafés mehr gäbe, keine Kellner ihre Dienstleistungen anbieten würden, spätestens, wenn der Kaffee alle wäre und kein Kuchen in der Auslage stünde, würden sich auch die jungen Bosnier überlegen, woran es liegen könnte. - Und wer weiß, ob die Geschichte von dem Schweizer Autor richtig wiedergegeben wurde, ob diese Organisation, die den Frevel angeblich entdeckt hat, korrekt recherchierte, oder ob vielleicht doch nur wieder passende Klischees ins Bild gebracht wurden, damit auch weiterhin die olle Arbeitseifer-Ideologie zum Tragen kommt.
[1]
Weil die Ursache der Arbeitslosigkeit die Rationalisierung und der technische Fortschritt ist. Und diese Umstände sind seit vielen Jahren überall in der Welt bekannt. Bloß wollen interessierte Kreise dies nicht zur Kenntnis nehmen, damit sie auch weiterhin sich dem Wahn der »Vollbeschäftigung« hingeben können.
[2]
Der ganze Artikel könnte genauso gut ein Produkt der deutschen BLATT-Zeitung sein, die als staatstreue Hetzpostille die eruierten Daten gleich gegen die »Sozialschmarotzer« angewendet hätte.