PEIRA Matinee Das bedingungslose Grundeinkommen
...... der Grundeinkommens-Debatte neue Impulse verleihen. - Gespräch mit Elmar Altvater über das Bedingungslose Grundeinkommen (bGE).
Der Diskussionsleiter setzt den Beginn der Auseinandersetzung mit dem Thema bGE »seit den 20er Jahren« an, und es ging darum, wie er sagt: »soziale Gerechtigkeit herzustellen.«
Humanistische und ökonomische Perspektive
....... auf die Geschichte des bGE blicken. ...............
Altvater:
Wie kann man die Unsicherheiten, die Märkte nun einmal mit sich bringen, einigermaßen auffangen.
Die Ware »Arbeitskraft« wird ungeschützt im Produktionsprozess vernutzt.
05:00
Das Einkommen, über die Märkte erzielt, reicht nicht aus um ein würdiges Leben führen zu können.
Einkommen von der Arbeit trennen, weil diese Arbeit Ausbeutung impliziert und nicht unter menschenwürdigen Bedingungen geleistet werden kann. Zu gesundheitlichen Schäden führt.
Einkommen muss von Arbeit getrennt werden.
Grundeinkommen hat etwas mit Gesellschaftskonzeption zu tun. Wie verstehe ich überhaupt Arbeit. Die Umsetzung eines bGEs muss organisiert werden. Ist das eine kollektive Aufgabe oder wird das individuell erreicht.
Man diskutiert über das Geld. Aber das Geld bedeutet absolut nichts. Es geht um Güter und Dienstleistungen und welche sind es, die benötigt werden.
Welche Rolle haben öffentliche Güter und Dienstleistungen.
Betrifft das bGE nur Güter, die auf dem Markt gekauft werden können, oder auch zum Beispiel Gesundheitsversorgung.
Die Systemfrage stellen.
Altvater:
Das Bedingungslose Grundeinkommen ist gar nicht bedingungslos. Die Bedingung, dass das Bedingungslose Grundeinkommen ein würdiges Leben ermöglicht ist, das einige arbeiten.
Hier hätte Altvater natürlich im Sinne des bGE eine Erklärung anfügen müssen. Er sagt aber nur, es würden dann die Arbeiten ausgeführt, die »mit intrinsischer Motivation« verknüpft für die Menschen akzeptabel sind. - Das ist natürlich eine Darstellung, bei der Altvaters Ferne zum bGE deutlich wird. - Denn darüber ist die Diskussion schon längst drüber hinweg. Er unterstellt mit dieser Sicht, die bGE-Befürworter würden sagen, was nicht in meinen Lebensplan passt, mache ich nicht.
Aber wenn wir es andersherum sehen, ist es viel glaubwürdiger: Es werden die Arbeiten gemacht, die als sinnvoll erkannt werden. Und da können wir es uns durchaus erlauben, dass wir dabei unterschiedlicher Meinung sind. Und es gibt uns Menschen die Möglichkeit, unsere Lebenswelt zu begreifen und zu durchschauen, oder einfach nur aus einem Gefühl heraus, die Mitarbeit bei einem Projekt zu verweigern. Denken wir nur einmal an Militärdienste, Atomkraft, Zigarettenindustrie, Waffenproduktion, Finanzspekulation, Naturausbeutung, ökologischer Raubbau, tierquälende Fleischproduktion. - Wenn wir uns diesen Arbeitsplätzen verweigern, brauchen wir nicht »intrinsischer Motivation« zu folgen, es genügt gesunder Menschenverstand oder ein Instinkt, der das Verwerfliche solcher Aktivitäten für sich wahrnimmt. - Altvater misstraut den Menschen und ihren Fähigkeiten. - Das ist kein guter Berater bei der Betrachtung der Grundeinkommens-Idee.
24:00
Im Götz-Werner-Konzept seien »Zwangsmechanismen« enthalten. Altvater benennt sie aber nicht. - Abstrus sind solche Ansichten dann, wenn wir bedenken, im selben Moment existiert eine »Zwangsarbeitsgesellschaft« in Deutschland mit den Hartz4-Sanktionen. - Ist das in Ordnung? - Über das Hartz4-System, wer es eingeführt hat und wie wir es wieder loswerden, darüber ist von ihm nichts zu hören.
Schwierig ist die »Debatte«, wie es hier heißt, wenn erkennbar wird, dass die Beteiligten irgendwie gar keinen Bock haben, auf Grundeinkommen. Bei dem müden »Talk« fällt auf, dass es immer wieder die Kritikpunkte am bGE sind, um die sich die Diskussion dreht und die Herrschaften dann so ratlos wirken, wenn sie ihnen widersprechen sollen. - Also doch »die Grundeinkommens-Skeptiker beim Plausch«? :D
Altvater erweckt den Eindruck, dass das bGE nicht realisierbar sei, solange wir nicht die »Systemfrage« stellen. Da er sich als »Linker« sieht, bedeutet das, dass der Kapitalismus »beendet« werden müsste. - Aber was dann? Doch hoffentlich nicht wieder dieser unsägliche »Sozialismus«, von dem sich erst vor kurzem einige Millionen Ostdeutsche befreit hatten. :-|
NRW-Abgeordneter:
bGE wird immer in Bezug auf die Systemfrage oder den Humanismus diskutiert. Dabei wäre es besser, den liberalen Aspekt des bGE hervorzuheben.
Dass das Grundeinkommen als liberale Idee interpretiert werden kann, findet Altvater eher bedenklich und unterstellt, dass sich daraus Benachteiligungen für die Bevölkerung ergeben.
Altvater vermischt versicherungsrechtliche Fragen (»bin ich mit einem bGE noch abgesichert, wenn ich eine komplizierte Krankheit habe«) mit dem Grundeinkommen. - Das Bedingungslose Grundeinkommen soll das »tagtägliche Leben« ermöglichen und bezieht sich eben nicht auf »Sonderfälle« des Daseins. - Sonderfälle würden sicherlich weiterhin als solche berücksichtigt werden müssen. Das heißt, private Absicherung, Sparen, oder weiterhin zusätzliche Leistungen der Gemeinschaft.
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Er sagt, durch die Modelle von zum Beispiel Götz Werner »verlieren auch Leute« mit einem Grundeinkommen. Werners Grundeinkommen sei ein »Ersatz für sozialstaatliche Leistungen«.
31:00
Altvater:
Anstelle der sozialstaatlichen Leistungen kommt dann das bGE. Das ist dann doch zu einfach.
Joooh. Schön das wir mal drüber geredet haben. :-/
Auch Altvater erzählt wieder das Märchen, dass zu wenig Geld da sei. - Er zieht diese Geschichte anhand des Militärhaushaltes auf, den wir erstmal kürzen müssten, sonst »brauchen wir gar nicht über das bGE zu sprechen«, meint er.
Mit dem Grundeinkommen sind weltpolitische und gesamtgesellschaftliche Fragen verknüpft.
41:00
Elmar Altvater sagt, die bGE-Bezieher würden am Markt etwas nachfragen, was sie selbst nicht produzieren. Damit deutet er wieder das an, was die Kritiker immer wieder vorbringen, nämlich das »andere« für die Grundeinkommens-Bezieher arbeiten und für diese die Produkte bereitstellen.
Diese Darstellung ist natürlich nicht vollständig und von den bGE-Kritikern wird sie so hingebogen, dass es gut geeignet ist, zur Denunzierung der Arbeitslosen. - Aber ist es nicht so, dass der Großteil der Produkte und Dienstleistungen, die wir in Anspruch nehmen, nicht von uns bereitgestellt wird, und alle Bürger, sowohl die Menschen, die nicht arbeiten, als auch die die arbeiten, immer nur einen kleinen Teil der Produkte selbst herstellen, die von allen gebraucht werden? - Und wenn ich hier die Arbeitslosen als »Arbeitende« mit einbeziehe, dann deshalb, weil alle Menschen etwas zur Selbsterhaltung der Menschen beitragen, auch dann, wenn sie versuchen nur »selbst« zu überleben. - Dass so jemand dies »auf Kosten« der Mitmenschen macht, ist ein Schimäre. Es gibt kein Beispiel, bezogen auf unsere heutige Gegenwart, welches belegen könnte, dass ein Arbeitsloser, ein Hartz4-Empfänger die physische Existenz eines Mitmenschen durch seine Situation gefährdet. Das sind alles Phantasien und Unterstellungen von Personen, die an einer Sklavenhalter-Mentalität festhalten wollen, in einer Zeit, in der das genaue Gegenteil möglich ist, nämlich individuelle Freiheit für jeden und autonome Lebensgestaltung in einem nie gekannten Ausmaß.
Aber es kommt bei ihm noch ein Aspekt hinzu, der sich in seinem Hinweis abbildet, nämlich die rein marxistische Sicht. - Denn dass die bGE-Bezieher von der Bereitstellung der Waren durch die Kapitalisten abhängig sind, ist eine Kernkritik der Linken am bGE (so auch bei Rainer Roth. Hier zitiert von Martin Behrsing, einem weiteren Kritiker des bGE, der sich für Erwerbslose einsetzt). Sie wünschen sich eine Bürgerschaft (Werktätige, kleine Selbständige), die Grund-und-Boden ihr Eigentum nennen und sich größtenteils selbst versorgen können und von der »Bourgeoisie« und den »Kapitalisten« wirtschaftlich unabhängig sind. Stichwort: Eigentum an Produktionsmitteln. - Das ist dann die »Systemfrage«. - Hier denke ich, sind wir bei der Weltanschauung angelangt. Wer will, soll das so sehen können. Ich denke, eine andere Sicht auf die Gesellschaft, ohne die Klassenbegriffe und das marxistische Vokabular, bringt uns eher weiter. Auch wenn ich die Kritik an den frühkapitalistischen Zuständen und der heutigen Ausbeutung von Arbeitenden berechtigt sehe, so sind doch diese Kritiker irgendwie inkonsequent. Denn bei der »Ausbeutung der Arbeitslosen« durch die »Zwangsarbeit der Jobcenter« sind diese Leute nicht so engagiert, als wenn es gegen die Kapitalisten geht. Woher kommt das? Ja, da müssten sie die Parteibonzen angreifen und das ist oftmals die eigene Gruppe und das eigene ideologische Umfeld.
Was mich auch eher stört, an der »linken Welt«, ist das Negative. Die Beziehungen der Menschen werden als ein Gegeneinander , als »Klassenkampf« dargestellt. Die Menschen sind einander feind, in diesem Szenario. - Ich halte von einer solchen Sichtweise nichts. Ich finde es zutreffender, zu sagen, wir Menschen bemühen uns in der Welt, angemessen uns zu verhalten und wir haben letztlich alle die Absicht und den Wunsch »im Guten« miteinander zu sein. - Diese positive Weltbetrachtung finde ich in der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens und in dem damit verknüpften Menschenbild.
1:04:22
Altvater: Was ist Produktivität: ein Substitutionsprozess. - Altvater leitet die Produktivität ab aus den fossilen Energieträgern, deren Verwendung aber zu einem Klimakollaps führen wird. - Das ist die Gegenwart, die aber in die Zukunft weist. Die fossilen Energieträger werden »aus der Erdkruste« herausgeholt, von Kapital finanziert, das auf den Märkten geholt wird. Bei einem Preisverfall müssen solche Kapitalien wieder abgeschrieben werden und die nächste Finanzkrise taucht auf.
Altvaters erläuternde Argumentationen deuten mehr an, als er selbst tatsächlich sagt. Dazu muss vielleicht auf die Wikipediaseite über ihn verwiesen werden. - Wo die Weltsicht eines jeden zur Ideologie wird, muss ein jeder selbst beurteilen.
Er erwähnt mit keinem Wort die »erneuerbaren Energien«, die einen enormen Anteil an der Energieproduktion bereits haben.
Altvater meint, dass diese Diskussion (die er konstruiert und sich bestimmt mit Vielem deckt, was attac so äußert) nicht genug mit der bGE-Diskussion verknüpft sei, was aber geleistet werden müsste. - Ja klar. Aber doch nur, wenn man solchen Überlegungen überhaupt folgen mag. :-)
1:12:00
Er spricht von Genossenschaften und solidarischer Ökonomie. Eine andere Organisation von Leben und Arbeit, die nicht nur über den Markt vermittelt ist. - Da finde ich, hat er recht. Die bGE-Güter, so sehe ich das, sollten aus dem Markt genommen werden und zur »Verteilung« bereitstehen. - Er behauptet, dass bGE sei immer nur über den Markt vermittelt. - Ja, das sieht er so, weil er sich gar nicht wirklich mit diesem »Kulturimpuls« dauerhaft beschäftigt. Dann wüsste er, dass solche Überlegungen schon längst diskutiert werden.
Altvater wirkt aber bei der ganzen Diskussion um das bGE irgendwie wie ein Außenstehender, als ob ihn das »Feuer« dieser Idee nicht erreicht hätte. - Er verortet sich eben als Linker und kommt aus der Position nicht raus (wahrscheinlich will er das auch nicht).
1:20:00
Er konstruiert die Idee, der bGE-Bürger müsse sich »am Markt« seine existenzsichernden Güter besorgen, und wenn der profitgierige Anbieter im Kapitalismus »nur« seinen Vorteil im Blick hat und die Finanzmärkte da mitmischen, würde dies zum Nachteil der bGE-Bezieher sich entwickeln. - Na klar! Aber doch nur, wenn sich die Menschen einer solchen Sicht und Denkweise, wie sie Altvater da zusammenstellt, anschließt.
Was ist über Altvater bei Wikipedia zu lesen: Er ist Mitglied der »Linken« und engagiert sich bei attac. - Er wird dort, bei diesen Gruppen nur bestehen können, wenn er sich in seinem Denken als »kompatibel« mit den Weltbildern dieser Organisationen erweist. - Was ist aber dann von ihm zu erwarten, wenn er über das bGE spricht. Dass er unideologisch und unvoreingenommen vorgeht? - Er spricht über »Modelle« beim bGE, dabei ist sein Denken doch auch nichts anderes als ein »Modell«, und sei es das marxistische.
Nichtsdestotrotz sind seine Überlegungen aber auch eine Inspiration für alle, die sich mit dem bGE auseinandersetzen.
Pirat:
Wir haben genug Wohlstand, dass wir uns jetzt hier ein bGE leisten können, und haben einen sehr hohen Lebensstandard. - Dieser baut nicht ausschließlich auf Leistungen hier in diesem Land auf, sondern auch auf Ausbeutung in anderen Ländern. - Heute machen sich die oberen 10 Tausend schuldig, würde sich nicht die ganze Gesellschaft schuldig machen, wenn sie ein bGE für sich einführt, auf Kosten der Dritten Welt.
Darauf antwortet Altvater, dass die anderen Länder einen Entwicklungsbedarf haben, der bei uns vielfach schon gedeckt ist. Wir also uns solidarisch gegenüber diesen Ländern zeigen sollten, etwa in dem wir unseren CO2-Ausstoß zuallererst reduzieren.
Ich würde ergänzen, dass es bei dem bGE nicht um eine »Luxussanierung« unserer Gesellschaft geht, sondern um eine Existenzsicherung auf einem »bescheidenen, aber menschenwürdigen Niveau«. - Und diese muss allen Menschen auf der Erde zustehen, also auch uns.
Altvater weist noch darauf hin, das Bedingungslose Grundeinkommen ist in den Parteien immer nur ein Teilaspekt »unter anderen«. Er sagt, dass weitere Politikbereiche in das Thema mit eingreifen, wie zum Beispiel »Energiepolitik«. - Ja, das ist bekannt. Das ganze gesellschaftliche Leben ist bei der bGE-Diskussion involviert: Wirtschaft, Geldsystem, Energie, Rechtswesen, politische Beteiligung der Bürger, Grund-und-Boden, Care-Arbeit, Ökologie, Arbeitswelt, öffentliche Infrastruktur und so weiter.