Martin Behrsing ist der Pressesprecher des »Erwerbslosen Forum Deutschland«. Allerdings ist mir noch niemand anderes als Vertreter dieses Forums aufgefallen. Es ist immer nur er, der in Erscheinung tritt.
http://www.elo-forum.org/impressum.php
http://www.500-euro-eckregelsatz.de/2009/08/18/impressum/
Bei der Internetseite »500 Euro Eckregelsatz« erscheint er auch als »Pressesprecher«.
Herr Behrsing ist ein Gegner des Bedingungslosen Grundeinkommens (bGE). - Seine eigene Meinung zu diesem Thema ist in einem größeren Zusammenhang nicht zu finden, dafür lässt er aber einen »Rainer Roth« zu Wort kommen, dessen Ansichten und Argumente offenbar deckungsgleich mit den seinen sind. Rainer Roth ist mir noch in keiner Radio- oder Fernsehsendung aufgefallen und er scheint im Internet nicht sehr aktiv zu sein..
Roth stellt insofern eine Ausnahme da, weil bei den meisten bGE-Gegnern die Kritik als »schnell zusammengefasst« daherkommt, auch wenn sie vielleicht ähnlich angelegt ist, wie bei Roth. - Das Interessante bei ihm ist, wie er seine Position aufbaut, beziehungsweise was er da für einen Ideenkomplex entwickelt hat.
Auf den ersten Blick ist es die altbekannte »marxistische Kritik« an den Verhältnissen. Das Kapital streicht den Mehrwert der Produktion ein und steckt ihn in die eigenen Taschen, während die Arbeiterklasse sich mit dem kärglichen Lohn abfinden muss. - So tönt es auch bei Roth. Doch wie baut er seine Geschichte auf.
Er macht einen zeitlichen Rückgriff. Ein Hauptteil seiner Argumentationsweise ist aufgebaut auf Geschichten, die vor 230 Jahren spielten, zu Zeiten der Französischen Revolution. Da sind für ihn die Umstände, die sich entwickelten und nach seiner Meinung noch heute wirken und Gültigkeit haben.
Die Menschenrechte
Die Entstehung der Menschenrechte verortet er bei den »bürgerlichen Revolutionären«. Damit deutet er schon an, dass das nichts Gutes für die einfachen Leute sein kann, wenn die »Bürgerlichen« etwas entwickeln. - Den »Vorteil« der Menschenrechte hat er schnell abgehandelt. Sie dienten »dem Kampf gegen feudale Verhältnisse«. Für ihn überwiegen aber die Nachteile. Denn die Menschenrechte würden in erster Linie das« Menschenrecht auf Privateigentum« bedeuten.
Die Sansculotten
Die Sansculotten (»die ohne Kniebundhosen«, den von Adel und Klerus getragenen Hosen) waren vor allem Kleinbürger, kleine Handwerker und Händler. Ziel der Sansculotten »war eine Gesellschaft der kleinen unabhängigen Produzenten, Bauern und Handwerker, die jeder ihr Feld, ihren Laden oder ihre Werkstatt besaßen und in der Lage waren, ihre Familien ohne Zuflucht zu Lohnarbeit zu ernähren. Es war ein Ideal, das den Verhältnissen Frankreichs und seines Volkes am Ende des 18. Jahrhunderts entsprach.«
Diese Gruppe von Menschen taucht bei Roth als »Ideal« auf. So stellt er sich eine funktionierende Gesellschaft vor. Alle haben »Privatbesitz«, Grund-und-Boden und können sich »selbst ernähren«. - Er stellt diesen Zustand einer Idee von einer Grundeinkommens-Gesellschaft gegenüber.
Die Ereignisse der Französische Revolution an einer Stelle seines Textes:
Die Verfassung von 1793 wurde mit 1,8 Millionen Stimmen bei 17.000 Gegenstimmen angenommen, (Markov 1989, 198) obwohl sie Einschränkungen des Menschenrechts auf Privateigentum ablehnte. Das Menschenrecht auf Privateigentum hatte sich gegen das Menschenrecht auf Existenzmittel durchgesetzt. Es entsprach den Interessen der Klassen, die die weit überwiegende Mehrheit der Bevölkerung ausmachen. Nicht nur dem Interesse der französischen Bourgeoisie, sondern auch dem Interesse der Masse der Bauern an Aufhebung der Leibeigenschaft und an Eigentum an Grund und Boden und den Interessen der kleinen Gewerbetreibenden. Es war Ausdruck des Übergangs von feudalen zu bürgerlichen Produktionsverhältnissen. Rechtsnormen entspringen nicht dem Recht und seiner politischen Festsetzung durch den Staat, sondern den ökonomischen Gegebenheiten.
Einerseits schreibt er, dass die Mehrheit der Bevölkerung diese Entwicklung so wollte, andererseits scheint durch, dass er mit dieser Entwicklung nicht einverstanden ist. - Dass sich das »Menschenrecht auf Privateigentum« gegen das »Menschenrecht auf Existenzmittel« durchgesetzt hätte, ist eine pure Behauptung und von ihm nicht belegt. Dies schreibt er aber, weil er in diesen seinen Darstellungen der Ereignisse von vor 230 Jahren seine Argumente gegen das »Grundeinkommen heute« entwickeln will. - Geht das überhaupt? :-)
Die Profitinteressen der Bourgeoisie hatten Vorrang vor einem »Recht auf Existenzmittel«. Auch Robespierre musste im Juli 1793 feststellen, dass die Revolution den Bürgern, »deren einziges Eigentum aus ihrer Arbeitskraft besteht« bisher »fast nichts« gebracht hat. (Soboul 1973, 291)
Roth belässt es in der Regel dabei, aus anderen Quellen zu zitieren, bezogen auf diese Vergangenheitssituation, um in den Zitaten seine Sicht auf unsere Gegenwart anzudeuten. - So ist er offenbar der Meinung, auch heute noch würden die Interessen der »Bourgeoisie« Vorrang haben und die Bevölkerung würde mit einem »Existenzgeld« abgespeist, wenn sie sich für ein Grundeinkommen entscheiden.
Er glaubt mit diesem geschichtlichen Rückgriff beweisen zu können, dass die Mehrheitsbevölkerung, wie damals, hereingelegt wird, wenn sie sich auf die Menschenrechte beziehen und glauben, sie würden mit einem Grundeinkommen mehr Freiheit erlangen.
Die Berufung auf Menschenrechte dient dazu, die Lohnsklaverei zu reproduzieren. Das Koalitionsverbot wurde von der “Schreckensregierung“ unter Robespierre beibehalten und vollstreckt. Am 8. November 1793 wurde auch Frauen per Gesetz jegliche politische Vereinigung verboten. Das, die Verweigerung des Wahlrechts für Frauen und die Hinrichtung von Olympe de Gouges, einer Vorkämpferin der Gleichberechtigung der Frau, beschränkte die Menschenrechte im Wesentlichen auf Männerrechte.
Da er sich bei der Diskreditierung der Menschenrechte argumentativ ausschließlich auf Ereignisse bezieht, die sich rund um die Französische Revolution ereigneten und die er, interpretiert in bestimmten Büchern, in Form von Zitaten passend wiedergibt, ergibt sich daraus ein wenig glaubhaftes Unterfangen. - Er verzichtet vollständig über die große Bedeutung der Menschenrechte heute zu sprechen, geschweige denn, andere Interpretationen der Menschenrechts-Entwicklung zu erwähnen, die es sicher auch gibt.
Menschenrechte sind Rechte des Menschen als einzelnem Menschen. ......
In der realen Produktionsweise setzt sich also der stärkste Privateigentümer, als “stärkster Mensch“ durch und unterdrückt alle anderen Menschen, seien sie schwächere Privateigentümer oder Lohnarbeiter. Menschenrechte können ihrer Natur nach in der Realität niemals universell sein.
Da er mit keinem Wort die verschiedenen Menschenrechte benennt, die es heute in der Erklärung der Menschenrechte gibt, sondern sich ausschließlich negativ auf das »Recht auf Eigentum« bezieht, läuft seine Argumentationsweise nicht Gefahr über allzu viele Widersprüche zu stolpern.
Warum können nach Roth Menschenrechte nicht universell sein? - Er sagt, das »Menschenrecht auf Privateigentum« würde einen Wettbewerb unter den Menschen hervorrufen, bei dem die Stärksten gewinnen würden. - Ja und?
Im Grundgesetz haben wir Artikel 14, der das Eigentumsrecht ausdrücklich einschränkt. Darüber spricht Roth nicht. In der Erklärung der Menschenrechte gibt es Artikel 17:
Jeder hat das Recht, sowohl allein als auch in Gemeinschaft mit anderen Eigentum innezuhaben.
Niemand darf willkürlich seines Eigentums beraubt werden.
Aber es gibt auch den Artikel 25 in der Menschenrechts-Erklärung:
Jeder hat das Recht auf einen Lebensstandard, der seine und seiner Familie Gesundheit und Wohl gewährleistet, einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztliche Versorgung und notwendige soziale Leistungen gewährleistet ..............
Würde der Artikel 17 den Ansprüchen aus Artikel 25 zuwiderlaufen, würde dieser sicherlich abgeändert. Na gut, wenn man Roths Misstrauen für berechtigt erklärt, dann müssten wir abwarten, wenn denn einmal eine solche Situation eintreten würde, zu beweisen, dass die Interessen in Artikel 25 Vorrang haben vor denen in Artikel 17. - Insofern hat Roth natürlich auch wieder recht: Die Grund-und-Boden Frage muss gelöst werden.
Die Hauptkritik Roths bezieht sich dabei auf den Besitz von Grund-und-Boden. Und er sagt: das Bedingungslose Grundeinkommen »... findet nicht eingelöste naturrechtliche Eigentumsansprüche an Grund und Boden mit Geld ab.«
Ich könnte es mir ehrlich gesagt auch nicht anders vorstellen. Denn wie sollen 7 Milliarden Menschen mit einem Stück fruchtbaren Land abgefunden werden? Auch bin ich mir nicht sicher, ob das wirklich die größte Sorge der Menschen in der Welt ist, ein Stück Land haben zu wollen. Es geht doch eher um das existentielle Versorgtsein. - Aber da sind wir schon in der Wirklichkeit von heute und die meidet Roth ja, in seiner ganzen Ableitung.
Roth behauptet, allein schon die Reihenfolge der Artikel in der Erklärung der Menschenrechte sei entlarvend, weil das Eigentumsrecht vor dem Existenzrecht aufgelistet sei. Und er schreibt:
Die Erklärung der Menschenrechte drapiert heute den Imperialismus, die Unterwerfung der ganzen Welt unter die Bedürfnisse des Kapitals der fortgeschrittensten bürgerlichen Nationen.
Wahrscheinlich ist es gar nicht möglich, zu »beweisen«, dass sein Ideengebäude wenig mit der Realität zu tun hat und wer will, kann sicherlich seine misstrauische Sicht auf die Weltkonstellation teilen.
Banken und Konzerne, Finanzkapital, Kapitalverwertung, Konkurrenz der Kapitalisten untereinander, Krisen, Lohnarbeit und Arbeitsmarkt, Rationalisierung mit dem Ziel, Arbeitskräfte überflüssig zu machen usw.: all das bleibt bestehen. Der »Systemwechsel“ besteht im Wesentlichen in einem “Politikwechsel“ auf der Grundlage der heutigen Eigentums- und Produktionsverhältnisse.
Er behauptet, die »Eigentums- und Produktionsverhältnisse«, wie er sie aus der Vergangenheit marxistisch ableitet, seien das Problem und mit einem Grundeinkommen würden diese Verhältnisse nicht abgeschafft. - Vielleicht lebt er gedanklich noch in einer anderen Zeit. In einer solchen, in der es die »Arbeiterklasse« noch gab, und »den« Unternehmer.
Das BGE erscheint als letzte staatliche Sicherheit für Lohnarbeiterlnnen und Selbständige, die vom Kapital in wachsendem Maße überflüssig gemacht und ruiniert werden. Der Schlachtruf "Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit« erstrahlt in neuem Licht. Freiheit als Unabhängigkeit vom Zwang zur Lohnarbeit und des Warenverkaufs, Gleichheit nicht mehr nur vor dem Gesetz, sondern als Gleichheit eines Grundeinkommens für jeden und Brüderlichkeit als Solidarität derjenigen, die sich nach wie vor an Lohnarbeit und Ausplünderung von »Selbstständigen« bereichern, mit den von ihnen Ausgebeuteten und Niedergedrückten.
Ihm passt die »versöhnliche« Atmosphäre nicht, die das Grundeinkommen erzeugt: Unternehmer und Arbeitnehmer gemeinsam friedlich nebeneinander, für die Gemeinschaft Waren produzierend, ohne das »Arbeitnehmer« ausgebeutet und stattdessen »am Gewinn beteiligt« werden? - Niemals! - Das passt nicht in sein Weltbild.
Sie überlassen die Produktion des zu verteilenden Reichtums dem Kapital; sie zweifeln nicht an, dass sich das Kapital durch die Ausbeutung von Lohnarbeit vermehren muss.
»Muss«, schreibt er. - Wer will aber eine dermaßen zwangsläufige Gesellschaft annehmen?
Menschenrechte gehen eben von der Emanzipation des Einzelnen aus, nicht von der Emanzipation von Klassen.
Bei den Menschenrechten geht es in erster Linie um »Gleichheit«, abgeleitet aus dem »Recht des Einzelnen«. So aber, verdreht er den Gedanken der Menschenrechte.
Wikipedia:
Als Menschenrechte werden subjektive Rechte bezeichnet, die jedem Menschen gleichermaßen zustehen. Das Konzept der Menschenrechte geht davon aus, dass alle Menschen allein aufgrund ihres Menschseins mit gleichen Rechten ausgestattet und dass diese egalitär begründeten Rechte universell, unveräußerlich und unteilbar sind.
Roth glaubt nicht an einen »sozial gerechten Kapitalismus mit bedingungslosem Grundeinkommen«.
Rainer Roths Position ist auf eine interessante Weise recht kompakt und abgeschlossen. Und in dieser Abgeschlossenheit durchaus schlüssig. Wer also will, kann sich dieses Ideengebäude als Grundlage für die eigene Weltsicht nehmen. Derjenige, der dies tut, würde aber aktiv eine große Zahl weiterer Aspekte aus dem Blickfeld heraushalten, damit keine »Wahrnehmungsstörung« eintritt. :D
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Nun könnte es ja genügen, festzustellen, Martin Behrsing ist einer der vielen Menschen, die sich auf ihre ganz eigene Art mit der Idee des Bedingungslosen Grundeinkommens auseinandersetzen und das wäre schon die ganze Geschichte. - Aber Behrsing ist nicht irgendein Forenteilnehmer im Internet, der die anderen User mit seinen »speziellen« Ideen beglückt, nein, er ist ein »Forenmacher«. Und das Forum ist ausgerechnet eines, dass sich an »arme Menschen« wendet. Das »Erwerbslosen Forum Deutschland« spricht gleichermaßen Arbeitslosengeld-I Bezieher, als auch Hartz4-Empfänger an, um ihnen eine Diskussionsplattform zu bieten, aber in erster Linie natürlich »Beratung« bezüglich ihrer Lebensumstände. Bei diesem Forum ist Behrsing als »Pressesprecher« erwähnt.
Einerseits muss es dem Forum hoch angerechnet werden, dass es sich eine Untergruppe »Grundeinkommen« leistet, aber Behrsing passt mit Argusaugen auf, dass die Gesprächsteilnehmer wissen, sie sind in »Behrsings Reich« nur geduldet. Wer sich patzig gegen Behrsings Ansichten äußert, riskiert die Stilllegung seines Teilnehmerkontos (wenn Missachtung der Forenregeln nachgewiesen wird). Behrsing mischt sich immer wieder in die Grundeinkommens-Diskussion ein, und seine Ansichten sind ganz oben in der Rubrik als »Wichtig« markiert, angepinnt.
Einer dieser »Wichtig« Texte ist auch derjenige, auf den ich mich hier bezogen habe.
Warum ich überhaupt noch einmal auf Behrsing zu sprechen komme, ist eine »Aktion« des ELO-Forums gegen die Hartz4-Verschlechterungen, auf deren Seite er im Impressum erscheint. Die Aktionen, bei denen er aktiv ist, sind im Vergleich zu den Grundeinkommen-Aktivitäten der bGE-Befürworter an Harmlosigkeit kaum zu überbieten. Vollständig »systemkonform« erscheinen diese »Proteste«, die Behrsing anleiert. - Und in was für einem Gegensatz das steht, zu seinen »radikalen« gesellschaftlichen Veränderungsforderungen, die er in den Theoriegebäuden Rainer Roths aufscheinen lässt.
Auf der Internetseite »AufRecht bestehen« steht unter Kampagne die Forderung: Zustehende Leistungen müssen zügig und ohne Wenn und Aber ausgezahlt werden!
http://www.aufrecht-bestehen.de/kampagne/2014082984.html#more-84
Wow! Wenn das nichts ist. - Dagegen fordern die bGE-Befürworter die Gesellschaft von Grund auf neu zu gestalten. - Das Grundgesetz um einen Artikel zur Existenzsicherung (bGE) zu ergänzen, die Wirtschaft neu zu definieren, als Wirtschaft für die Menschen, die die notwendigen Güter und Dienstleistungen ökologisch und nachhaltig erbringt, die wir brauchen; das Geldsystem neu zu denken, in dem Geld als reiner »Tauschhelfer« und »Rechtevermittler« gesehen wird.
Wo sind Behrsings Forderungen nach Grund-und-Boden für alle, wie er sie doch bei den Sanculotten bejaht? Wo ist Behrsings Forderung nach Entmachtung der »Kapitalisten« und der »Bourgeoisie«? - Nix da. :-/