Liebermann - Vortrag zum bGE

Sascha Liebermann in Frankfurt am Main zum Bedingungslosen Grundeinkommen. (30.09.2014)

Herr Liebermann orientiert sich stark am »Bürgerstatus« [1], um zu erklären, wie wir ein Bedingungsloses Grundeinkommen (bGE) erreichen könnten. Der Bürger ist der Souverän im Staat. Ihm obliegt es, die Bedingungen zu schaffen, die ein Gemeinwesen ausmachen. Dies wird dann in seinem Auftrag von den Verwaltungskräften in Gesetze umgesetzt. Wenn wir uns dann den »Regeln des Zusammenlebens« fügen, tun wir es aus Zustimmung heraus. - Und bezogen auf die jetzige Lage ist die Frage, wie stehe ich zu den Entscheidungen, wie sie heute getroffen werden. Will ich daran mitwirken, dass sich die Dinge ändern. - Dabei ist die Basis für die gesellschaftliche Ordnung die individuelle Sicht auf die eigene Lage und das Wissen darum, was für einen selbst das Beste und Sinnvollste ist.

Der Referent betonte die »starke Stellung des Bürgers« in der Gesellschaft, so wie sie sich zum Beispiel in der Schweiz vorteilhaft abzeichnet. Der Bürger als Souverän würde mit einem bGE eine Befreiung erfahren, aber es würde auch die »Autonomieforderung« mit einem bGE verstärkt, sodass es notwendig ist, »die Individualentwicklung« besser zu fördern.

In der anschließenden Diskussion tauchte die Frage auf, wie »Macht und Kontrolle« durch ein bGE beeinflusst würde. Zum Beispiel »staatliche Macht«. Darauf meinte Liebermann, stattliche Macht würde wirkungslos verpuffen, wenn wir uns nicht dieser unterwerfen und »loyal« sein würden. Die eigentlich Mächtigen seien die Bürger, nur würden sie sich dessen zu wenig bewusst sein.

Oft wird das Bundesverfassungsgericht als die »höchste Instanz« beschrieben, dabei sei sie nur die höchste »juristische« Instanz. Die höchste Instanz im Staat ist der Bürger selbst. Das sieht man auch daran, dass das Bundesverfassungsgericht keine Gesetze erlässt, sondern nur beanstandete Gesetze wieder an die Exekutive zurückverweist. Die Bürger bestimmen die Regeln des Zusammenlebens, so könnten sie sich auch für ein Grundeinkommen entscheiden. - Eine bGE-Gesellschaft bedeutet sich von vertrauten Vorstellungen zu verabschieden.

Allerdings meint Liebermann, das bGE wäre heute unrealistisch auf EU-Ebene, weil die Staaten viel zu unterschiedlich organisiert und geführt seien und es würde in dieser Hinsicht keine Einigung herzustellen sein. - Ich muss zugeben, dass ich das nicht so pessimistisch sehe. :-)

Er betonte, dass das BIP auf »Leistungsbereitschaft« basiert, was entscheidend für ein bGE sei, und nicht die Frage so gestellt werden könnte, »können wir uns ein bGE leisten, bei diesem BIP.«

Neben der Hervorhebung der individuellen Entscheidungsfähigkeit, die im Kontext eines bGE noch an Bedeutung gewinnen würde, betonte er die Fähigkeit, sich als Teil eines Gemeinwesens zu erkennen und entsprechend aktiv zu werden. Am Arbeitsplatz ist der Mensch ersetzbar, nicht aber in der Familie und im Gemeinwesen. - Da die Einbindung in Traditionen am Schwinden ist, müssen die Individuen sich selbst stärken, um leben zu können. Hier hat das bGE seine Aufgabe.

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Was bei mir hängen blieb, bei dem Vortrag von Sascha Liebermann, war die Einsicht, dass die mit dem Grundeinkommen beschäftigten Menschen eine eigene Herangehensweise an das Thema haben, selbst bestimmen, welche Schwerpunkte sie bei der Beschreibung des bGE setzen und welche Perspektiven sie eröffnen. - Insofern ist das Bedingungslose Grundeinkommen kein »Schulfach«, dass es auswendig zu lernen gilt und bei dem die Eckpunkte abzuhaken wären. Es setzt vielmehr als »Kulturimpuls« in jedem von uns ganz unterschiedliche Überlegungen in Gang und hat auf uns als Individuen, auf unser Denken einen Effekt und Einfluss.

Bei jeder Beschreibung und bei jedem Bericht über das bGE ist etwas Neues zu erfahren, je nach dem wer gerade über das Thema ansetzt. Der Eine hat ein kleines Kind und berichtet über die heutige katastrophale politische Handhabung und Gesetzgebung bezüglich dieser Lebenswirklichkeit und ein anderer ist vielleicht von Hartz4 betroffen und macht dies zu seinem Ausgangspunkt der Betrachtung, um das Grundeinkommen zu erklären und seine Notwendigkeit abzuleiten. - Das bGE ist ein Projekt einzelner Subjekte. Diese können ihre Erkenntnisse so zusammenzuführen, dass daraus die Umsetzung der Idee sich ergibt. :D

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er sagte auch »Bürgerethos«.

Ethos (Wikipedia):

Der Ausdruck Ethos (griech. ἔθος „Gewohnheit, Sitte, Brauch“; ἦθος „Charakter, Sinnesart, Brauch, Sitte, Gewohnheit“)[1] bezeichnet bildungssprachlich die sittliche Gesinnung einer Person, einer Gemeinschaft oder speziellen sozialen Gruppe (Berufsgruppe, Schule etc.).[2] Der Duden definiert das Ethos als eine „vom Bewusstsein sittlicher Werte geprägte Gesinnung“ oder „Gesamthaltung“; als „ethisches Bewusstsein“ oder auch als Ethik im Sinne der Gesamtheit sittlicher Normen und Maximen, die einer (verantwortungsbewussten) Einstellung zugrunde liegen.