In den Höhen der spanischen Pyrenäen

Erstmals hat eine „Abordnung“ des SGV Welver die Grenzen der heimischen Wanderregionen für mehrere Tage verlassen, um im fernen Ausland dem gemeinschaftlichen Wandern zu frönen. Ziel in der Zeit vom 15.10. bis 20.10.2015 waren die spanischen Pyrenäen, genauer gesagt ging es nach Figols, einem kleinen Ort rund 130 km nördlich von Barcelona.

Geografisch betrachtet befinden wir uns in Katalonien und somit im Osten der 430 km langen Gebirgskette, die sich vom Atlantischen Ozean bis zum Mittelmeer erstreckt und die iberische Halbinsel vom restlichen Europa trennt.

Die Vorfreude in Erwartung unbekannter gebirgiger Landschaften und nicht alltäglicher Wandertouren war groß, dass sich jedoch bereits die Anreise zum Flughafen gleich zu Beginn als das Aufregenste erweisen sollte, hatten wir nicht erwartet. So war die „Bezwingung“ des Leverkusener Kreuzes und des Kölner Rings auf dem Weg zum Köln/Bonner Airport aufgrund des hohen Verkehrsaufkommens und einzelner Unfälle mit so viel Zeitverlust verbunden, dass unser Flieger die Reise nach Barcelona fast ohne uns unternommen hätte. Wir konnten praktisch vom Auto nach dem Abstellen im Parkhaus direkt ins Flugzeug steigen.

Die vereinzelt bei den Mitreisenden aufgetretenen Schweißtropfen waren kein Indiz für evtl. Flugangst, sondern waren eher der Angst geschuldet, den Flug zu verpassen. „Punktlandung“ umschreibt die Anreise treffend. Rückblickend muss man sagen, dass es wirklich schade im Hinblick auf die verpassten schönen Tage vor Ort gewesen wäre…… aber, es ist ja noch einmal alles gut gegangen.

Foto: Angekommen: Zwölf Wanderer im "Höhenlager"

Nach Flug und Taxibus-Transfer erreichten wir schließlich planmäßig zu nächtlicher Stunde unser Quartier für die kommenden Tage in den katalonischen Bergen. Erst am nächsten Morgen konnten wir uns im Hellen - und vor allem bei blauem wolkenlosem Himmel - von der herrlichen Lage und der gebirgigen Umgebung ein erstes Bild machen. Unser kleines Hotel mit dem wohlklingenden Namen „Cal Barbut“ gehört zwar zum bereits erwähnten Ort Figols, befindet sich aber weit ab der Siedlung in Alleinlage auf über 1.400 m.

Cal Barbut soll so viel heißen wie „Haus des Bärtigen“, wobei die Namensgebung schon einige Zeit zurückliegen und historischen Ursprung haben muss, denn als Gastgeberin empfing uns herzlich die zum bartlosen Geschlecht zählende Charlotte. Unser Vorsitzender Reinhold hatte in den letzten Jahren in Charlottes Hotel bereits einige Urlaubstage verbracht und dann - für uns zum Glück - die glorreiche Idee, eine Gruppenreise hierhin ins SGV-Jahresprogramm aufzunehmen. Sicher wären gerne noch mehr mitgefahren, aber die insgesamt vorhandenen Betten begrenzte die maximale Teilnehmerzahl auf zwölf. Ihre sechs-Zimmer große Herberge war somit allein durch uns ausgebucht, so dass wir in den kommenden Tagen in den Genuss der ungeteilten Fürsorge der Hotelchefin Charlotte kamen.

Foto: Unser Standortquartier "Cal Barbut" vor beeindruckender Felswand

Nach dem ersten gemeinsamen Frühstück stand eine kleine Halbtagestour zur Erkundung der näheren Umgebung und zur Akklimatisierung auf dem Programm. Am Nachmittag wurde das sonnige Wetter auf der terrassenartigen Wiese unserer Unterkunft genossen. Im Rücken eine steil aufragende Felswand und vor uns der freie Blick nach Süden auf die Erhebungen und Täler der katalanischen Pyrenäen, wobei die Bäume schon damit begonnen hatten, ihre Blätter in herbstliche Farben zu wechseln.

Der Ort lebt von einem erfrischenden Mangel an Zivilisationslärm und fehlenden Störfaktoren, die benachbarte Siedlungen und infrastrukturelle Einrichtungen ansonsten so mit sich bringen. Eine ideale Oase zur Entschleunigung und Erholung für gesellschaftsmüde Zeitgenossen. Kein Fernsehen und keine Zeitung, lediglich das W-LAN sorgt für eine ständige Erreichbarkeit – wer es denn will – und für Informationen aus dem Rest der Welt. Fairerweise muss erwähnt werden, dass sich die Ruhe in der Nähe von zwölf lustigen Wanderern nicht immer einstellt J; aber dennoch, wer die Ruhe sucht, wird sie hier finden.

Auf der „Wellness-Wiese“ versorgte uns Charlotte zudem auf Wunsch mit kalten und warmen Getränken und am Abend mit einem leckeren Drei-Gänge-Menu.

Foto: "Wellness-Terrasse" mit Pyrenäen-Blick

Tag 2: Sonnenaufgang auf 1.400 m um 8.13 Uhr. Unter uns die Wolken, über uns der blaue Himmel. Frisch ist es noch, aber die Sonne beginnt ihre Arbeit, um uns im Laufe des Tages mit zweistelligen Werten knapp unter 20° zu versorgen. Ideales Wanderwetter. Unser Tourguide Reinhold will uns heute über schöne Gebirgswege runter nach Berga führen, die mit etwas mehr als 16.000 Einwohnern nächstgrößere Stadt der Region.

Charlottes Shuttle-Service bringt uns zunächst mit dem Auto noch etwas höher ins Gelände, wo wir dann an einer wasserreichen Quelle über wellige Wege den fußläufigen Abstieg beginnen. Das schöne Wetter trägt sicher seinen Teil zum Naturempfinden bei, aber dennoch, allein die „Architektur“ der Landschaft begeistert wetterunabhängig.

Die Farben der Bäume, die Wechselhaftigkeit der Kulisse, mal breitere Gebirgswege, dann wieder schmale Pfade mit steinigem und wurzeligem Untergrund. Unsere Route führt wenig rauf, viel mehr runter. Durch eine Furt, einen in den Fels gehauenen (Fußgänger-) Tunnel, an der bewaldeten Hangkante entlang mit herrlichen Ausblicken auf die gegenüberliegenden Gipfel und Felswände und schließlich eine österreichisch-bayrisch anmutende Hochweide mit Kuhglockengeläut und unerwarteter Weitläufigkeit. Ein für uns idealer Ort für eine ausgiebige Rast.

Nach weiterem Abstieg über stufenartige Pfade erreichen wir eine kleine Ortschaft und nach sechs Stunden schließlich den Stadtrand von Berga.

Foto: Abstieg nach BergaAm Ende der Tagestour liegen anstrengende 17 km Strecke und neben einigen Metern aufwärts immerhin etwas mehr als 1.000 Höhenmeter abwärts hinter uns. In gemütlicher Runde genießen wir in einem Café im Zentrum der Stadt das Belohnungs-Cerveza…. bzw. „totes“ Wasser sowie koffeinhaltige Heißgetränke und gönnen unseren strapazierten Füßen – und vor allem Knien – eine wohlverdiente Pause. Später geht es dann bequem mit dem uns schon bekannten Taxibus von Berga wieder hoch nach Cal Barbut, wo wir an diesem Abend noch in den Genuss von Charlottes Barbecue-Menu kommen.

Um nicht Gefahr zu laufen, den unbeteiligten Leser unnötig mit aufgeblähten Wegbeschreibungen zu langweilen, daher nachfolgend verkürzt die Eckdaten der weiteren Erlebnisse:

Der attraktive Reiz der gebirgigen Landschaft entfaltete sich auch auf den noch anstehenden Touren. Z.B. auf dem Weg nach Sant Corneli. Dabei ging es zunächst über einen Pfad die Felswand hoch, wo uns dann oben der Wanderweg entlang der Steilkante herrliche Weitblicke bescherte. Die Wege waren auch von nicht ganz schwindelfreien Wanderern gut zu begehen. Wie nah man sich der der Abbruchkante nähert, konnte letztendlich jeder für sich entscheiden.

Foto: Wanderweg entlang der Felskante

Ziel in Sant Corneli war das dortige Minenmuseum einschließlich kurzer Fahrt mit der Minenbahn in einen Museumsstollen. Die beim Abstieg nach Sant Corneli „verlorenen“ Höhenmeter mussten auf der zweiten Hälfte der Tagestour nun wieder erklommen werden. Dabei ging es auch durch das kleine „Ortszentrum“ von Figols mit anschließendem einstündigem Schlussanstieg zurück zum „Haus des Bärtigen“. Eine weitere Wanderung führte dann über den zuvor bereits beschriebenen Pfad entlang der Felskante diesmal weiter ins Hinterland zum Ort Vallcebre. Dabei ging es über kuppenartige Berggipfel, durch waldreiche Passagen und über kleine malerische Steinbrücken.

Foto: Steinbrücke kurz vor dem Zwischenziel "Valcebre"

Während der allabendlichen Drei-Gänge-Menus wurde uns der erlesene Rioja-Rotwein serviert, wobei Monikas offenkundige Begeisterung hinsichtlich des edlen Tropfens ihr den inoffiziellen Titel der „SGV-Weinkönigin 2015“ einbrachte. J Nicht ganz geklärt werden konnte, ob die vereinzelt aufgetretenen Magenverstimmungen durch den spanischen Kräuterlikör „Orujo“ bekämpft oder vielmehr verursacht wurden.

Wurde im Vorfeld noch die Berücksichtigung eines Ruhetages und Müßiggang als Teil der Reise diskutiert, führten letztendlich die landschaftlichen Qualitäten einhergehend mit prächtigem Herbstwetter dazu, dass wir jeden Tag gewandert sind. Zusammengekommen sind beiläufig rund 55 km Wegstrecke. Ausgedrückt in bewältigte Höhenmeter können für die Statistik mehr als 2.400 m abwärts und 1.600 m aufwärts verbucht werden. Aber es war schon im Vorfeld klar, dass aufgrund des Geländeprofils eine gewisse Grundkondition seitens der Teilnehmer mitgebracht werden sollte.

Foto: "Gipfelstürmer"

Mit einer zufriedenen Erschöpftheit bleibt zu resümieren, dass wir eine abwechslungsreiche Zeit, geprägt von Wanderungen auf attraktiven Wegen durch eine bemerkenswerte Landschaft mit herrlichen Aussichten verlebt haben.

Ein herzlicher Dank geht an Charlotte für ihre Gastlichkeit und ihre perfekte Fürsorge. Ein ganz besonderer Dank geht aber auch an Reinhold für die Organisation und Durchführung der Tour, im Wissen, wie viel Aufwand die Vorbereitung einer solchen „Veranstaltung“ mit sich bringt.

Text: D. Große