March 15, 2003 (Rede in Kassel)
Aus dem Friedensratschlag-Webseite: "Am 15. März 2003 fand im Rahmen weltweiter Antikriegs-Proteste auch in Kassel eine Kundgebung statt, zu der das Kasseler Friedensforums, die regionale Attac-Gruppe und der nordhessische DGB aufgerufen hatten. Rund 1.000 Teilnehmer/innen waren zum Rathaus gekommen. Anschließend gingen die Demonstranten zum zentralen Königsplatz, wo sie ein großes Peace-Zeichen bildeten. Im Folgenden dokuemntieren wir die Redebeiträge von Michael Morrissey, Lektor an der Universität Kassel, und von Peter Strutynski, Sprecher des Kasseler Friedensforums und des Bundesausschusses Friedensratschlag."
Lasst es Euch ein für alle Mal sagen: Ihr in der deutschen Friedensbewegung seid es, die die wahren Freunde Amerikas ausmachen. Und ich bin froh, als Amerikaner, zusammen mit Euch allen, an diesem grossen Tag der internationalen Solidarität deutlich zu machen, das die Friedensbewegung genauso wenig antiamerikanisch ist, wie antibritisch, antispanisch, oder antiitalienisch. Sie hat nichts zu tun mit Antiamerikanismus, aber sehr viel mit Antibushismus. Mit Antibushismus, Antifaschismus, und Antibullshitismus.
Die Lage ist sehr ernst. Vor 36 Jahren hat Martin Luther King die damalige verbrecherische Regierung in Washington als den größten Gewalttäter in der Welt denunziert. Ich bin sicher, daß er heute genau das gleiche sagen würde.
George Bush steht kurz davor, ein ungeheures Kriegsverbrechen zu begehen. Leider hat er die völlig propagandisierte Hälfte der Bevölkerung noch auf seiner Seite, dank des verheerende Drucks der US-Massenmedien, die schon längst ihre journalistische Integrität und Seele verkauft haben.
Heute beweisen wir aber noch einmal, daß es eine andere Hälfte der amerikanischen Bevölkerung gibt, die nicht bereit ist, dasselbe zu tun. Und mit diesen Menschen zeigen wir heute unsere völlige Solidarität.
Anders als in anderen Ländern, wie zum Beispiel in Grossbritanien, wo Tony Blairs eigene Parteifreunde seine Irakpolitik ablehnen, hat die Politik in Amerika vollkommen versagt. Es ist was faul im diesem Staat. Das ist schon lange der Fall, mindestens seit der Ermordung von John F. Kennedy in November 1963, aber diese neuester Rechtsruck ist doch wirklich erstaunlich.
Der mutigste Mann im US-Senat ist der jetzt 85-jährige Robert Byrd, der damals Nixon und den Vietnamkrieg unterstutzt hat, wogegen Martin Luther King und am Ende zwei Drittel der Bevölkerung protestiert haben. Heute wird Robert Byrd als wilder Radikaler angesehen, weil er sich fast alleine gegen die Kriegstreiberei von George Bush ausspricht.
So weit ist es gekommen. Es gibt keine parteipolitische Opposition. Fast wie im deutschen Reichstag in 1933 haben die Politiker beider Parteien sich so gut wie selber aufgelöst, bis auf Senator Byrd und ein paar andere. "Wir verharren passiv und stumm im Senat der Vereinigten Staaten," sagt Senator Byrd, "paralysiert von unserer eigenen Unsicherheit, scheinbar betäubt durch den schieren Aufruhr der Ereignisse".
In der Bevölkerung sieht es anders aus. Als Privatperson hat sich sogar der ehemalige Präsident Jimmy Carter, der auch nicht gerade als Polit-Rebell verschrieen ist, gegen die Kriegspolitik von George Bush ausgesprochen. Es gibt viele politische Bewegungen und Aktionen in den USA, aber nicht im Kongress. Heute sehen wir das wahre Gesicht Amerikas - weil auch CNN und die restliche Propagandamaschinerie solche Menschenmassen einfach nicht ignorieren können.
So war es auch am 18. Januar und am 15. Februar, und wir werden weiter machen, bis wir die Kriminellen im Weißen Haus, die aus den Vereignigten Staaten einen Schurkenstaat gemacht haben, los sind.
Mit Regime-Änderung fängt man am besten zu Hause an! Der ehemalige US-Justizminister Ramsey Clark hat am 18. Januar für die impeachment - die Amtsenthebung - von George Bush und seine Gefolgsleute aufgerufen. Das wird nicht klappen im Congress, was noch ein eklatanter Beweis seiner Unfähigkeit und Verantwortungslosigkeit ist. Die Kongressabgeordneten haben die Welt, zusammen mit den Massenmedien während der Clinton-Amtszeit jahrelang gelangweilt mit der Studie eines Sexualaktes, aber sie weigern sich über Krieg und Frieden zu debattieren.
Wie ist es dazu gekommen? Wie konnte George Bush der Zweite uns so weit in die Brave Neue Weltordnung hineinbringen, die sein Vater schon im ersten Golfkrieg angekündigt hat? Um diese Frage zu beantworten, könnten wir zurück schauen mindestens bis November 1963, als Präsident Kennedy erschossen wurde, oder bis zum Sommer 1968, als sein Bruder Robert und Martin Luther King erschossen wurden. Sie wurden nämlich alle von den gleichen kriegstreiberischen Mächten umgebracht, die uns jetzt noch einen Krieg auferlegen wollen.
Wir können zurückgreifen auf Präsident Eisenhower, der uns schon vor der Ermordung Kennedys vor dem militärisch-industriellen Komplex gewarnt hat. Wir können zurückgreifen auf Präsident Truman, der einen Monat nach der Ermordung Kennedys die CIA als einen selbständig gewordenen Regierungsapparat beschrieb, was seinem Gründungskonzept nicht mehr entsprach.
Damals ging es um Vietnam. Heute geht es um Irak, aber die sogenannte "Logik des Krieges" ist genau die gleiche, nämlich purer Wahnsinn. Damals hiess es, die Dörfer müssen verbrannt werden, um sie zu retten. Heute heisst es, Baghdad muss bombardiert werden, um die Irakis zu befreien.
Aber wir brauchen eigentlich nicht weiter in die Geschichte zurückzugehen als November 2000, um die Lage zu erkennen. George Bush ist nur an die Macht gekommen durch die höchst undemokratische Intervention des Bundesgerichtshofes. Er wurde nicht vom Volk gewählt. Wir hätten schon damals machen sollen, was wir jetzt machen. Aber unsere Politiker haben es akzeptiert, und wir sind nicht auf die Straße gegangen. Das war ein Fehler.
Dann kam der 11. September, und jetzt haben wir den Terror-Krieg, der ewig dauern wird. Erst Afghanistan, jetzt Irak. Morgen vielleicht Iran, oder Nord Korea. Jetzt haben wir Präventivkriege: Krieg, um Krieg zu vermeiden. Jetzt haben wir Homeland Security, Total Information Awareness, Patriot Act 1, und bald Patriot Act 2, und damit das Gerüst eines vollblütige Polizeistaates. Die US-Verfassung ist nur noch eine Farce.
In einem Punkt hat George Bush Recht: Wir sind im Krieg gegen Terrorismus. Es fragt sich nur, woher der Terror kommt. Wer bedroht hier wen, mit Massenvernichtungswaffen? Wer hat angekündigt, er macht Krieg - egal was andere Nationen sagen, egal was die UNO sagt, egal was die Menschen sagen? Wer hetzt sein Volk mit Lügen auf, um sie in Kriegstimmung zu bringen?
Nichts von dem, was Bush und Powell uns vorführt hat, ist wahr. Es gibt keine Beweise, und keine Argumente, die einen Krieg gegen den Irak rechtfertigen - keine Massenvernichtungswaffen, keine Bedrohung der nationalen Sicherheit der USA oder irgendeines anderen Landes, keine Verbindung zu Terrorismus, keine Verbindung zu Al-Qaeda oder Osama Bin Laden, und keine Verbindung zum 11. September.
Jetzt schicket's!*
Lassen wir es nicht zu, dass George Bush aus den Vereignigten Staaten von Amerika die Vereignigten Schurken-Staaten von Amerika macht.
Zumindest nicht in unserem Namen.
*Nordhessische Mundart; bedeutet soviel wie: "Jetzt Reicht's!"