Jan. 15, 1991 (Leserbrief an HNA)
George Bush hat in seinem Brief an Saddam Hussein davor gewarnt, Meinungsvielfalt in der amerikanischen Demokratie mit Uneinigkeit zu verwechseln. Das wird Hussein bestimmt nicht tun. Er weiss, dass wir uneinig sind, und er hat Recht. Gott sei dank. Wenn es um Krieg geht, lang lebe die Uneinigkeit.
Als Amerikaner bin ich mit George Bush nicht nur uneinig, ich bin empört, dass mein so-genannter "demokratischer" Kongress am Samstag gestimmt hat, auf seine verfassungsmässigen Rechte und Pflichten zu verzichten. Jetzt darf Bush Krieg machen, wie er will. Das ist nicht Demokratie, das ist Faschismus!
Ich stehe keineswegs allein da. Immerhin haben 45% des Kongresses sich geweigert, dem Willen des Führers so leicht nachzugeben. Ich bin auch sicher, dass die grosse Mehrheit des amerikanischen Volkes die Kriegspläne der Regierung nicht unterstützt. Die Umfragen sagen etwa 50/50 pro und contra Krieg, aber wir wissen, dass Umfragen genau so leicht zu manipulieren sind wie die Medien. Auch wenn sie stimmen, manches kann verdeckt bleiben, z.B. dass 66% der schwarzen Amerikanern, und 60% der amerikanischen Frauen, gegen ein militärisches Vorgehen sind--wie es am Wochenende im International Herald Tribune stand.
Im gleichen Artikel lesen wir, dass viele eher konservative Organisationen, z.B. 9 grosse Gewerkschaften und jede grössere Konfession in Amerika, inklusive der katholische Kirche, gegen einen Krieg im Golf sind. Solche Leute sind nicht unbedingt Pazivisten; sie waren nicht unter den ersten, die sich gegen den Vietnamkrieg ausgesprochen hatten. Aber sie sind gegen diesen Krieg!
George Bush sagt, dass Saddam Hussein wahnsinning ist, ein Hitler, aber dabei hat er--George Bush--uns in die Lage gebracht, wo Krieg oder Frieden angeblich von der Entscheidung dieses Wahnsinnigen abhängt. Wer ist denn hier wahnsinning, und wer spielt Hitler? Wer bietet uns Krieg als "Lösung" an, gerade jetzt, wenn alle Voraussetzungen endlich mal da sind, einen Konflikt ohne Krieg zu lösen?
George Bush hat kein Recht, uns in den Krieg zu stürzen, egal wie die feige Mehrheit des US-Kongresses stimmt. Sie haben in 1964 in der gleichen Weise Johnsons Krieg in Vietnam zugestimmt. Sie haben nichts gelernt.
Aber ich denke, wir haben was gelernt! Hören wir nicht die Stimmen der Verstümmelten, der Toten, die trotz allem nicht glauben wollen, dass sie umsonst gelitten haben?
Bush sagt, der Golfkrieg wird kein zweites Vietnam sein. Da kann er Recht haben: er wird noch schlimmer sein.
Vielen fragen sich in diesen Tagen, was genau zu tun ist. Ich weiss es, und ich sage es Ihnen:
Die Truppen sollen nach Hause gehen. Überlassen wir das Kuwait-Problem der UNO und den Ländern der Region. Die ganze Welt weiss, dass die USA die allerletzten sind, die sich als Verteidiger der kleinen Nationen und Menschenrechten ausgeben können.
Üben wir ein bisschen Demokratie aus: Fuck George Bush!