Strukturierte Redeanalyse
Karl-Theodor ergreift nun das Wort. Er hat eine schwierige Redeaufgabe zu lösen. Seine Integrität als Person ist angeschlagen und sein Amt als Minister in Frage gestellt. Er ist gefordert, eine überzeugende Verteidigungsrede zu halten. Kann er seine Angreifer entkräften? Wird es ihm gelingen, sich als Person glaubwürdig erscheinen zu lassen? Kann er seine Position überzeugend vertreten?
Aufgabe 15
Welches Selbstbild erzeugt Guttenberg? Wie versucht er, seine angegriffene Integrität und Person zu rehabilitieren? Passt Ihrer Meinung nach seine Körpersprache zu seinen Aussagen?
Hinweis: Dieser Auftritt wird teilweise (wohl aus PR-Gründen) auf youtube gesperrt. Falls es nicht funktioniert, können Sie sich Guttenbergs kurze Rede auf der offiziellen Medienseite des Deutschen Bundestags anschauen:
Vertiefungsaufgabe
Stellen Sie eine umfassende Redeanalyse her. Am besten in einem ausformulierten Text. Gehen Sie strukturiert vor.
1. Beschreibung und Interpretation: Beschreiben und interpretieren Sie zunächst, was vor sich geht: Auf der Ebene des Inhaltes, des Stimmlichen und des Körpersprachlichen.
2. Beurteilung: Gehen Sie nach der Beschreibung der Dinge zu einer Beurteilung über. Wie ist der Redeauftritt von Guttenberg zu interpretieren? Und wie ist die Qualität seiner Rede zu beurteilen?
3. Stellungnahme: Nach der Redeanalyse – der Beschreibung, Interpretation und Beurteilung der Rede – nehmen Sie eine allgemeine Einschätzung des Plagiats-Falles Guttenberg vor. Muss Karl-Theodor zu Guttenberg als Minister zurücktreten oder kann er im Amt bleiben? Begründen Sie Ihre Position.
Hilfestellung: Sie können für die Redeanalyse die untenstehende Übersicht zu den drei Dimensionen eines Redeauftrittes – das Verbale, das Paraverbale und das Nonverbale – zu Hilfe nehmen.
STRUKTURIERTE REDEANALYSE: BEOBACHTUNGPUNKTE
REDEINHALT – DAS VERBALE/DAS GESPROCHENE
Vorbereitung: Wirkt der Redeinhalt spontan entwickelt oder bis ins Detail vorbereitet?
Memorierung: Welche Erinnerungs-Technik wird angewandt? Wird die Rede auswendig vorgetragen oder abgelesen?
Redeziel: Worin besteht das übergeordnete bzw. grundlegende Ziel der Rede? Wird dieses Ziel offen genannt oder nicht?
Informationsgehalt: Ist die Rede insgesamt informativ oder eher gehaltlos? Will die Rede zahlreiche Gedanken entwickeln oder wenige Botschaften platzieren?
Redestil: Was für ein Redestil wird gewählt? Wird eher umgangssprachlich, schnörkellos gesprochen oder in einer gehobenen, kunstvollen Sprache?
Redeaufbau: Wie ist die Rede strukturiert? Hat sie einen erkennbaren Aufbau, dem man gut folgen kann? Macht die redende Person deutliche Gliederungssignale?
Gedankenentwicklung: Werden die Gedanken klar entwickelt und folgerichtig miteinander verknüpft? Ist die Rede gut verständlich oder gibt es sprunghafte Stellen, abrupte Themenwechsel, inhaltlich dunkle oder wenig präzise Stellen?
Kernaussagen und Argumentation: Welches sind die zentralen Kernaussagen und wie werden sie begründet? Werden diese Kernaussagen und Argumente nur einmal oder wiederholt vorgetragen?
Argumentations-Typ: Welche Argumentationstypen werden verwendet?
Erfahrungsargument, Faktenargument, Beispielargument, Gefühls-Argument, Analogie-Argument
Autoritätsargument (Verweis auf Autoritäten (Personen, Texte, Institutionen, Traditionen)
Normatives Argument (Verweis auf Normen, anerkannte Regeln)
Induktion (Schlussfolgerung vom Einzelnen auf das Allgemeine)
Deduktion (Schlussfolgerung vom Allgemeinen auf das Besondere)
Umkehrschluss (die eigene These durch das Falsifizieren des Gegenteils stärken)
Bilanzierung nach Gegenüberstellung der Pro- und Kontraargumente
Emotionalisierung: Wird versucht, an die Gefühle des Publikums zu appellieren?
Welche Emotionen werden in welcher Weise «bewirtschaftet»?
Rhetorische Stilmittel: Wird Sprache gezielt in auffälliger Weise eingesetzt? Bei einzelnen Ausdrücken, Sätzen? Im Bereich der Wortwahl, des Satzbaus? Wird mit Wiederholungen, Betonungen, Sprachbildern, Vergleichen, Gegensätzen, Ironie usw. gearbeitet?
Timing: Wirkt die Rede zu kurz, zu lang oder gut getimt? Gibt es Redeteile, die gekürzt oder ausgebaut werden sollten?
Publikums-Kontakt und Interaktion: In welcher Beziehung steht die redende Person zum Publikum? Wird der Kontakt und die Interaktion mit dem Publikum gesucht und gefördert? Wird ein «Dialog» mit dem Publikum gestaltet? Wird es als «Potential» gesehen? Wie werden Publikumsreaktionen in die Rede eingebaut?
DIE STIMME – DAS PARAVERBALE
Stimmlage: Wird mit hoher oder tiefer Stimme gesprochen?
Lautstärke: Wird laut oder leise gesprochen?
Klang: Wirkt die Stimme dünn oder voluminös.
Artikulation: Wird deutlich oder undeutlich gesprochen?
Geschwindigkeit: Wird langsam oder schnell gesprochen?
Tempowechsel: Werden gezielt Tempowechsel vorgenommen?
Pausen: Wird der Redefluss gezielt unterbrochen und kürzere oder längere Pausen eingesetzt.
MIMIK, GESTIK, KÖRPERBEWEGUNG – DAS NONVERBALE
Redeplatz einnehmen: Nimmt sich der Redende genügend Zeit, um sich vor dem Publikum zu platzieren? Wählt der Redner einen guten Stand und eine gute Redeposition ein? Nimmt der Redner Blickkontakt mit dem Publikum auf? Wirkt der Redner «bereit» und «fokussiert»?
Nutzung des Raums: Wird während des Redevortrages der Bühnenraum genutzt? Welche Bewegungen im Raum sind festzustellen?
Redeplatz verlassen: Wie wird die Rede beendet und die Rednerbühne verlassen?
Blickkontakt und Blickrichtung: Wird der Blickkontakt zum Publikum gesucht und wer wird angeschaut?
Körperhaltung: Welche Körperhaltung wird am Rednerpult eingenommen? Wo befinden sich die Arme? Wird der Oberkörper wenig oder stark bewegt?
Mimik: Gibt es Auffälligkeiten im Bereich der Mimik? (Gesichtsbewegungen, Gesichtsausdruck)
Gestik: Gibt es Auffälligkeiten im Bereich der Gestik? (Pose, Kopfhaltung, Kopf-, Hand-, Fuss-, Bein-Bewegung)
Körpersprache: Passt die Körpersprache insgesamt zur Stimmführung und zum Gesagten? Begleiten die Mimik und Gestik in stimmiger Weise das Gesprochene oder das Stimmliche?
GESAMTURTEIL
Gesamturteil: Hat Sie die Rede überzeugt? Ist die Rede gelungen oder nicht? Welche Aspekte der Rede finden Sie besonders stark oder schwach? Begründen Sie Ihr Urteil.
Merke: Nach einer sorgfältigen Analyse der einzelnen Faktoren können wir ein Gesamturteil fällen.