Die Aktuelle Stunde – ein Redewettbewerb
In der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages heisst es, die "Aktuelle Stunde" sei eine „Aussprache“ zwischen Regierung und Parlament „über ein bestimmt bezeichnetes Thema von allgemeinem aktuellen Interesse in Kurzbeiträgen von fünf Minuten“. Das Setting sieht vor, dass die einzelnen Rednerinnen und Redner maximale Redezeit von 5 Minuten beanspruchen dürfen. Diese spezifische Anordnung einer Aktuellen Stunde führt zu einem ritualisierten Rede-Reigen, der einen Wettkampf-Charakter hat.
Die Redner
Bei der Affäre Guttenberg treten Vertreter der regierenden Parteien (CDU/CSU und FDP) und solche der oppositionellen Partien (SPD, B90/GRÜNE sowie DIE LINKE) abwechselnd auf die Rednerbühne. Der Redereigen wird von der Opposition eröffnet. Thomas Oppermann (SPD) ergreift das Wort, danach folgen Hans-Peter Friedrich (CDU/CSU) von der regierenden Union. Als Dritter tritt Jürgen Trittin (B90/GRÜNE) an die Rednerbühne, danach Stephan Thomae (FDP). Dietmar Bartsch (DIE LINKE) schliesst diese ersten fünf Fraktionsbeiträge ab. Als 6. Redner kommt der zuvor angegriffene oder verteidigte Minister Karl-Theodor zu Guttenberg (CDU/CSU) nach vorne. Seine gut vier Minuten dauernde Rede bildet den Höhepunkt des Redewettkampfes. Danach ergriffen 8 weitere Rednerinnen und Redner das Wort.
Abb.2: Ablauf der ersten "Rede-Runde"; Quelle: siehe Abbildungsverzeichnis
Live-Übertragung
Wegen des sehr grossen öffentlichen Interesses wurde die parlamentarische Debatte live in der ARD ausgestrahlt. Flankiert wurde die Live-Übertragung von Journalisten und politischen Experten, welche die Debatte kommentierend begleiteten. Ein Millionen-Publikum konnte die Rede-Schlacht der «Aktuellen Stunde» an den Bildschirmen direkt mitverfolgen.
Politische Brisanz
Viele wichtige Fragen stehen im Raum: Hat der Minister Karl-Theodor zu Guttenberg in seiner Dissertation tatsächlich bewusst betrogen oder einfach nur «schlampig» gearbeitet? Muss sein Verhalten politische Folgen haben? Muss er sein Amt niederlegen, obwohl er ein beliebter Minister ist, dessen Arbeit von vielen Seiten gelobt wird? Oder muss gar die regierungsverantwortliche Kanzlerin Angela Merkel ihren Verteidigungsminister Guttenberg entlassen, wenn er im Amt blieben will?
Merke: Bei der Analyse einer Rede muss der Kontext mitbedacht werden: In welcher (historischen) Zeit und an welchem Ort ist die Rede entstanden? Wer ist die Rednerin oder der Redner? Zu welchem Publikum spricht sie oder er?