The poet Konstantinos Kavafis writes in his poem "Ithaka":
Ithaka gave you the beauteous journey.
Without her you wouldn't have set out.
She has nothing more to give you.
It is an eerie journey: Ithaka has nothing more to give; being the destination of the journey she withdraws from any claim for providing some sort of meaning in the sense of a guiding star, of accomplishment and fullfillment. The lecture will attempt to explore the nature of such journeys, journeys without "why?" and "what for?" and their relevance for our life and death.
Starting point is Hieronymus Bosch's painting "Ship of Fools". A characteristic feature of this painting is what psychiatrists call "asyndesis" - a Greek word meaning "a sequence of unrelated or only remotely related ideas": In the painting there is no common cause for crew and passengers, for example the journey. Moreover the ship doesn't seem to move at all. Despite this, or perhaps for this very reason, the whole scenery radiates a peculiar calmness. One could almost speak of a mirthful asyndesis, or a friendly asyndesis.
Asyndesis emanates where there are no conjunctions establishing a causal, final etc. network of interrelations between the participants involved. The participants are simply co-present, their co-presence being harmonized in the tonality of the mere AND. The commitment to this mirthful and friendly co-being constitutes the "Ethics of AND".
Asyndesis has been observed almost 200 years ago by a German classical scholar in the homeric epics. He named it "Parataxis" - a Greek word again meaning "the placing of clauses or phrases one after another without coordinating or subordinating connectives".
Asyndesis and parataxis are not just psychiatric or philological terms. They denote a latent but primordial way of living. It is the difference between connection (syndesis) and coexistence (asyndesis). This other way of living (and dying) will be elaborated upon with examples from poetry, everyday life and psychotherapy.
In einem berühmten Gedicht des griechischen Dichters Konstantinos Kavafis mit dem Titel "Ithaka" stehen folgende Verse:
Ithaka gab dir die schöne Reise.
Ohne Ithaka wärest du nicht aufgebrochen.
Nun hat es dir nichts mehr zu geben.
Ithaka gibt, schenkt die Reise. Sie gibt die Reise und hat "nichts mehr zu geben". Was hätte es sonst geben können? Als Bestimmung und Ende der Reise hätte es der Reise Sinn und Abschluss gewähren können. Es hat nichts dergleichen zu geben. Selbst dort, wo Ithaka für das Ende im Sinne des Todes steht und das Leben in den düsteren Sinn der Sinnlosigkeit stürzt, selbst diesen umgekehrten Sinn gibt es nicht.
Ithaka entzieht sich in jeder Hinsicht. Es überlässt die Reise sich selbst - ohne "wozu" und ohne "warum". Und trotzdem ist es, sagt der Dichter, eine "schöne Reise". Der Dichter spricht nicht Odysseus an, sondern jeden von uns. Er verweist auf unsere Lebensreisen im kleinen Partikularen und im grossen Ganzen.
Wie sehen solche Lebensreisen aus? Wie sind sie erfahrbar? Ohne "wozu" und ohne "warum"?
Das Bild richtet sich erdwärts. Der Himmel ist leer, das Licht steht in keinem Bezug zur Sonne, sondern es ist bloss die Farbe des Sonnenlichts, das den Himmel fast gleichmässig färbt. Wiese (oder doch Meer?) und Berghang sind matt, blass, unirdisch. Es ragt das Laub. Der ungewöhnlich lange und schmale Stamm sieht zerbrechlich aus. Ohnehin ist er an einer Stelle schon gebrochen, er könnte leicht auseinanderfallen. Inmitten des Laubes sitzt ein Kopf, eine dunkle, konsternierte Gestalt, etwas zwischen Totenkopf und Eule. Gleich darunter am Stamm ist ein Banner gefestigt, die Farbe etwas dunkler als der Himmel, schmal und übermässgig lang, drauf ein blasser Halbmond in der Farbe des Himmels, der in einem Wind flattert, der nur für ihn zu wehen scheint.
Gleich darunter, eventuell zusammen am Stamm angebunden, ein Blumenstrauss und eine gebratene Gans. Aus dem Busch tritt ein Junge mit einem grossen Messer hervor, der mit Mühe an das Band heranreicht, das die Gans festhält. Aus dem Busch kommt noch ein Kopf zum Vorschein, ebenfalls dunkel, der diesmal dem Kopf einer alten Frau mit Kopftuch ähnelt. Man könnte fast sagen, die zwei Köpfe seien Baum- und Buschgöttinen, die jedoch nichts von der Anmut einer Nymphe oder einer Dryade haben. Sie scheinen verstört, wie wenn ihnen etwas Böses da unten passierte, wie wenn die Harmonie der Natur durcheinander geraten wäre.
Unter Gans und Strauss setzen zwei Seilen an, sie sind dünn und zerbrechlich, wie aneinandergereihte Perlen und enden an den Rändern von einem kleinen Schiff: Stagen. Der Stamm - sein Mast. Vom Achterstag aus läuft ein weiteres Seil nach unten. An seinem Ende hängt eine Art Pfannkuchen und darunter ein Tisch und rund herum Menschen, und all dies in einem Schiff, das auf einem Flüsschen schwimmt. In dem Fluss sind noch zwei Menschen, nackt. Sie verlängern die Bewegung des Bildes erdwärts unter der Erd- und Wasseroberfläche.
Die Erde scheint auf alles eine Anziehungskraft auszuüben und an sich festzumachen. Wenn wir in Betracht ziehen, dass in jenen Jahren die obwaltende Richtung nach oben zeigte, nach dem Hohen, dem Geistigen, dem Göttlichen, dem Transzendenten, dann würde die Narrheit gerade in die gegenteilige Richtung zeigen: nach dem Materiellen, dem Erdigen, dem Immanenten.
Das Schiffchen selbst strahlt eine kindliche Zärtlichkeit aus. Es sieht eher als ein Spielzeug aus. Drauf und drum herum sind 12 Menschen. Zwei Dinge fallen ins Auge. Erstens, niemand achtet auf die Reise, auf die Schiffsfahrt. Es ist sowieso eine Frage, ob das Schiff sich überhaupt bewegt. Schon weil der Baum, der als Mast figuriert, eher auf das Verwurzeltsein in der Erde als auf das freie Segeln auf den Wassern verweist. Auf jeden Fall scheint es, dass es niemand interessiert. Das einzige, das von einer derartigen Rolle Zeugnis ablegt, ist einer, der etwas in der Hand hält, das wie ein Paddel, oder ein Ruder aussieht. In Wahrheit aber ist es ein riesiger Löffel, und dieser Mann selbst, der, nennen wir ihn, Steuermann, ist mit anderen Dingen beschäftigt.
Das zwete, das auffällt, ist, dass die 12 Menschen, einzeln oder in Gruppen, gehen 6 verschiedenen Tätigkeiten nach, die nichts miteinander zu tun haben. Wir haben den ersten gesehen, der nach der an dem Stamm-Mast angebundenen gebratenen Gans greift. Jemand in Karnevalskostüm sitzt auf dem Aste eines Holzscheits, der für den Vormast steht, den anderen den Rücken gekehrt, in sich versunken, langsam aus einer Tasse trinkend. Unter ihm ein anderer hält sich am Holzscheit, neigt ausserhalb des Schiffes und erbricht. In der Mitte des Schiffes, unter dem hängenden Pfannkuchen, ragt die Tafel, die, total fehl am Platz und unverhältnismässig gross, aus dem Deck herausstreckt. Eine Mönchin und ein Mönch sitzen einander gegenüber. Die Mönchin spielt Laute, ihre Münder sind offen, wie auch jener des Steuermanns und der anderen zwei. Offensichtlich singen sie, aber zugleich spielen sie ein Spiel jener Zeit: sie trachten danach, den Pfannkuchen zu beissen, ohne ihre Hände zu gebrauchen. Links liegt ein Anderer. Er hält eine grosse, im Wasser halb eingetauchte Flasche. Seine Aufmerksamkeit ist jedoch auf eine Frau gerichtet die über ihm steht und bereit ist, ihn mit einer Kanne auf den Kopf zu schlagen. Im Wasser neben dem Schiff sind zwei Menschen. Der eine steht aufrecht, ist nackt, hält sich mit beiden Händen vom Dollbord an der Stelle, wo der Mönch sitzt. Es ist nicht klar, inwiefern er den Schiff schiebt, damit es Fahrt gewinnt, oder hinaufklettern will, oder sonst was. Der andere, ein Junge, schwimmt auf ihn zu, hält eine grosse Tasse und reicht sie ihm fast wie im Ritual. Links in der Mitte des Bildes schwebt eine Kanne noch.
Ein Merkmal des "Narrenschiffs" ist also die Zerfahrenheit, sowohl bezüglich des Schiffes und der Reise als auch des Zusammenseins der sich dort befindenden Menschen. Ihre Narrheit besteht gerade in der völligen Zerfahrenheit. Trotzdem ist das Werk von Hieronymus Bosch "Das Narrenschiff" schön. Wie kann die Zerfahrenheit des Narrseins schön sein?
In 1494, vermutlich einige Jahre vor Bosches Werk, wurde das Buch von Sebastian Brant, eines deutschen Juristen und Humanisten, herausgegeben, eine Moralsatire mit dem Titel "Das Narrenschiff". Es wurde erfolgreich, auch wegen der Illustration, die allem Anschein nach von Albrecht Dürer gefertigt wurde. Das Narrenschiff auf dem Umschlag ist folgendes:
Dieses Bild hat einen inneren Zusammenhang. Es ist ein Schiff auf dem Meer und zudem stellt es emphatisch ein psychiatrisches Asylum dar. In diesem Sinne ist in dem Werk Richtung und Logik vorhanden. Die Schönheit, die Bosches Bild ausstrahlt, die besondere Schönheit, die aus seiner zärtlichen, entrückten Zerfahrenheit heraufsteigt, fehlt.
Von welcher Schönheit sprechen wir hier? Wir können es am Beispiel der olympischen Götter sehen, wobei der Olymp, nach Hegel, eine Art "Narrenschiff" wäre. Der Philosoph Byng-Chul Han schreibt in seinem Buch Hegel und die Macht:
Die Freundlichkeit und Heiterkeit der griechischen Religion verdankt sich Hegel zufolge dem Bewußtsein der Vielheit: "Die Heiterkeit der griechischen Religion [...] hat darin ihren Grund, daß auch wohl ein Zweck ist, ein Verehrtes, Heiliges; aber es ist zugleich diese Freiheit vom Zweck vorhanden, unmittelbarer darin, daß die griechischen Götter viele sind. (17.164)." Jeder Gott habe zwar eine besondere Eigenschaft. Da es aber viele Götter gebe, versteife sich kein Gott auf seine Besonderheit. So lasse sich ein Kriegsgott auch den Frieden gefallen. Dieses Bewußtsein der Vielheit erzeugt also eine freundliche Heiterkeit. Keiner hält krampfhaft an sich, an seiner Besonderheit fest. Keiner hält sich für absolut. Keiner ist ausschließend. Das Bewußtsein der Vielheit läßt auch eine ironische Distanz zu sich entstehen, in der der Einzelne sich gleichsam wegironisiert. Auch die Pluralität der Zweckbestimmungen bringt eine "Heiterkeit der Toleranz", eine "Freundlichkeit des Daseins" hervor: "[...] daß der Zweck nicht nur einer sei, daß es viele Zwecke werden (…). Hier ist der reale Zweck nicht mehr ausschließend, läßt vieles, alles neben sich gelten, und die Heiterkeit der Toleranz ist hier eine Grundbestimmung. Es sind vielerlei Subjekte, die nebeneinander gelten, viele Einheiten, woraus das Dasein sich seine Mittel zieht; damit ist die Freundlichkeit des Daseins gesetzt" (17.47f.). [...] "Dagegen wo ein Prinzip, ein oberstes Prinzip und ein oberster Zweck ist, da kann diese Heiterkeit nicht stattfinden" (17.164).
Eine entsprechende Notiz findet sich in Peter Handkes Versuch über die Müdigkeit:
Jene, in der Regel niederländischen, Blumen-Stilleben des siebzehnten Jahrhunderts, wo an den Blüten lebensecht, hier ein Käfer, hier eine Schnecke, dort eine Biene, dort ein Schmetterling sitzt, und obwohl vielleicht keins eine Ahnung von der Gegenwart des andern hat, im Augenblick, in meinem Augenblick, alle beieinander.
Die Nachbarschaft der Zerfahrenen wird nicht durch irgendein temporales, kausales, finales usw. Bindewort bezeichnet. Die Zerfahrenen sind ja gerade nicht miteinander verbunden, sondern lose gebunden, sozusagen aneinander losgebunden dank eines einfachen "Und". Es waltet keine organische Kontinuität, sondern eine paradoxe Nähe der Ferne. Darüber schreibt Byung-Chul Han:
In seiner Fixierung auf die organische Kontinuität entwickelt Hegel keine Sensibilität für die Nähe der Ferne, für jene Welt-Erfahrung, die in der Wahrnehmung des UND, in einer besonderen Wiederholung bestünde.
Hier wird Peter Handke aus "Am Felsfenster morgens" zitiert:
Und: das Wehen einer Tamariske und eine offene Haustür.
[...]
Und: Morgendämmerung und Maus (vor dem Fenster).
Han weiter:
Die Welt, die sichtbar wird über das UND, [...], ist barock in einem besonderen Sinne. Die Nähe des begrifflich Entfernten strahlt jene Festlichkeit aus, die der organischen Verbindung ganz fehlt [...] Das UND ist weder ,bloß subjektiv' noch ,bloß ästhetisch'. Es verweist auf die Freundlichkeit der Welt, die versöhnend wirkt. Darin bestünde die Ethik des UND.
Hier sollten wir das Wort "Ethik" eher im altgriechischen Sinne hören. "Ethos" heisst Lebensweise. Zunächst aber einige Beispiele, an denen Sie ahnen können, in welchem Klima die Ethik des UND stattfindet.
Aus einem Lied des griechischen Liedermachers Dionysis Savvopoulos mit dem Titel: Olaria Olara:
Olaria Olara, rund herum die Kinder all,
Marquis de Sade mit einem Hippie,
der Mörder mit dem Opfer umarmt,
der Sekretär mit dem Streuner zusammen,
und die Jungfrau mit dem Satan
Oder der Dichter Odysseas Elitis an Picasso:
Immer wieder bauen sie rund um uns schwarze Steine - du aber lachst
Rund um uns schwarze Mauer - du aber jäh
Öffnest auf sie abertausende Türen und Fenster
/ ... /
So dass keines mehr gegen das andere kämpft
So dass keiner mehr gegen den anderen kämpft
So dass es keinen Feind gibt
So dass Schaf und Löwe Seite an Seite gehen .
Oder ein Haiku von Bashô:
Unter einem Dach
schliefen auch noch die Dirnen,
Kleeblüten und Mond.
Wie wäre nun eine Lebensreise, ja eine Lebensweise denkbar, die in der Tonart des UND fortschreitet? Wo alle Ornamente von Ithaka, das "Wozu", das "Warum", das "Darum" sich entziehen?
"kein Wozu, ... kein Warum", haben wir gehört. Da, wo es keine Bindeworte gibt, die temporale, kausale, finale usw. Verbindungen herstellen, werden die Dinge einfach nebeneinander gestellt. Diese Schreib- und Reden- und Denk- und letztlich Seinsart hat der deutsche homerische Forscher Friedrich Wilhelm von Thiersch erkannt. Er schreibt:
ein Gedanke "scheint dem andern zu folgen, [...] und alle werden durch dle einfachsten Bindewörter der Sprachen, durch und, aber und dergl. [...] in einer Reihe nach einander gestellt. Ist der eine abgelaufen, dann beginnt der andere, ohne ihn zu berühren oder vorauszugehen. Wir werden dieses die Nacheinanderstellung, παράταξις nennen.
In der Weise der Parataxis spricht aber, so Thiersch
derjenige, dessen Besinnung über sich selbst und sein Denken noch nicht ausgebildet ist. ... In diesem Nacheinander redet das Kind, so wie der Mensch im Naturstande; ähnlich ihm derjenige, welcher ihm nahe steht, der Orientale und oft auch der epische Dichter.
Die Gegenfigur zur Parataxis, die "Syntax", komme in einer späteren Entwicklungsphase. Thiersch:
Wenn der menschliche Geist in das Gewebe und Gefüge der Rede scheidend und ordnend einzudringen anfängt, bemerkt er bald, daß die Sätze, welche neben- und nacheinander hervortreten, eben so, wie die Begriffe auf mehr als eine Art in Verhältniß und Beziehung stehn, so daß der Eine eintritt, weil oder wenn der andere vorausging, diesen voraussetzt, ergänzt, bedingt, sich auf ihn bezieht und deshalb ohne denselben weder gedacht noch verstanden werden kann.
Wenn wir ordnen und urteilen, also fast immer und überall, wo unser Leben im Warum und Darum und Wenn und Dann usw. eingewoben ist, wenn wir uns selbst der Syntax als Redens- und Lebensart zugeeignet haben, z.B. in der Wissenschaft, aber auch im Alltag, dann erscheinen die Leerräume der Parataxis als Lücken, die gestopft werden müssen. So z.B. das Kausale, etwa in der Form der Erklärung, oder des Vorwurfs: es stellt eine Kontinuität zwischen zwei Sachen her, wobei der ersten der Rang der Ursache für die zweite zugesprochen wird. So z.B. das Schweigen, das Weilen, das Sich-entziehen, aber auch das Widersprüchliche, das sich Zurückhaltende, das Zögernde. Es sind Seinsmodi, die der Syntax abträglich sind und von ihr überhaupt nicht geduldet werden.
Die Parataxis ist eine andere, eine ursprünglichere, wie Thiersch behauptet, aber gerade deswegen vielleicht eine fundamentale Lebens- und Sterbensweise.
Ein deutsches Wort für die Syntax im Bereich des Mitseins ist die "Beziehung". Schon der Name hält den Blick und das Verständnis für das Mitmenschliche in seinem Bann. "Beziehung". Das Ziehen. Der Eine wird zum Anderen hingezogen und bleibt in seinem Gravitationsfeld gefangen. Die Macht eines solchen letztlich gegenseitig wirksamen Gravitationsfeldes kann sich als Schuld, als Wunsch, als Pflicht usw. entfalten.
Wie wäre dann eine parataktische Mitseinsform denkbar? Martin Heidegger spricht es einmal so aus:
das Zusammengehören des Fremden, das Walten der Befremdung.
Dafür hat Byung-Chul Han einen passenden Ausdruck:
ein Maximum an Zusammenhalt mit einem Minimum an Zusammenhang
Ich werde das nicht erklären, sondern Ihnen etwas von diesem Klima anhand von Beispielen zu übermitteln versuchen.
Friedrich Hölderlin, aus "Der Tod des Empedokles":
Und unbekannt einander bleiben sich,
Solange sie stehen, die nachbarlichen Stämme.
Der Dichter Giorgos Seferis:
In den Meereshöhlen
hab ich dich tagelang in die Augen geschaut,
und weder kannte ich dich, noch kanntest du mich
Die Dichterin Anne Carson:
Und wie wenn du auf eine Stadt strandetest, wo Birnen und Winter Varianten des jeweils Anderen wären? Kannst du Winter essen? Nein. Kannst du sechs Monate in einer gefrorenen Birne drin leben? Nein. Aber es gibt einen Standort, und ich kenne ihn, von dem aus Birne und Winter Seite an Seite nebeneinanderstehen wie Mauern an der Stille. Kannst du dich als Stille punktieren? Du wirst die Ränder von dir abbrechen sehen, zurück zu einer anderweitigen Welt - zurück zur wirklichen Leere, würden einige sagen.
Unsere Worte trennen uns oft voneinander ab: ich, du. Und in einem Schlag erdichten wir Konstruktionen, die uns in eine sogenannte "Beziehung" miteinander verbinden. Doch einige Male ergibt sich eine eigenartige Nähe, eine ferne Nähe, die von unterirdischen Strömen herbeigebracht wird, z.B. wenn wir miteinander schlafen und nur schlafen, wenn wir manche Nächte im selben Bett verbracht haben. So ist auch bei der gemeinsamen Mahlzeit. Deswegen wird der Scheidungsgrund als "Trennung von Tisch und Bett" angegeben. Der Tisch wird durch das Essen bestimmt, das Bett durch den Schlaf - zwei Situationen, die im Grunde sich im Schweigen abspielen. Sie reichen an den Tod heran. In Ingmar Bergmanns "Fanny und Alexander" sagt der im Sterben liegende Oskar zu seiner Frau:
Nun werde ich näher zu dir sein, als wenn ich lebte
Einmal sagte mir eine Frau, sie sei früh aufgewacht, in gedrückter Stimmung, und dann erinnerte sie sich, dass sie heute zu mir kommen würde, was sie aufheiterte. Ich fragte sie, was denn an mir, in diesem Raum sei, das sie aufheiterte. Hier, sagte sie, nichts ist so schwer, etwa wie "na und?", nicht abwertend oder gleichgültig gemeint, sondern einfach leichter. Sie sprach von einer Begegnung von uns vor einigen Wochen, wo wir nach einer kurzen Weile die ganze Stunde lang schwiegen. "Es war etwa wie wenn wir am Meer zusammen sassen, locker und ruhig.", sagte sie.